Liebes SPD-Mitglied,
wir haben verhandelt, damit Deutschland eine Regierung bekommt.
Dieser wird es darum gehen, unser Land so zu erhalten, wie es ist, und ein Europa zu bewahren, in dem Deutschland weiter als fiskalpolitisches Vorbild sowie Garant vorzüglicher Exportprodukte zu moderaten Lohnstückkosten vorangeht. Mit diesem Ziel hat Angela Merkel mit uns Koalitionsverhandlungen geführt. Der Koalitionsvertrag trägt ihre klare sozialdemokratische Handschrift!
Kompromisse gehören zu jeder Koalitionsverhandlung. Sie gehören zur Demokratie. Immerhin, wir konnten in vielen wichtigen Punkten die Einrichtung von 15 Kommissionen und die Erteilung von mehr als 100 Prüfaufträgen durchsetzen. Unterm Strick können wir sagen: Unser Verhandlungsergebnis bietet die Grundlage für eine Regierung Merkel. Nur mit der SPD ist es ihr und später Annegret Kramp-Karrenbauer möglich, der Union eine Mehrheit und damit stabile Verhältnisse zu sichern. Dafür wähnen wir uns gewählt.
Mit der SPD in Regierungsverantwortung könnten wir in den nächsten Jahren so einiges nochmal ausprobieren.
Für ein demokratisches und soziales Europa:
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Energische Rhetorik für europäische Mindestlöhne und mehr Mittel im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit
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Höfliche Hinweise an Luxemburg und die Niederlande bezüglich einer gerechterer Besteuerung von Unternehmen in ganz Europa und dem Kampf gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung
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Eine Intensivierung des staatlichen Bittens um private Investitionen, damit öffentliche Investitionen zugunsten ausgeglichener Haushalte unterbleiben können („Juncker-Plan“)
- Wir haben die Friedens- und Entspannungspolitik unseres Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt dahingehend weiter entwickelt, dass die Bundeswehr wieder mehr militärische Verantwortung in aller Welt wahrnehmen soll, weil die von uns genehmigten Rekordwerte bei den Rüstungsexporten allein nicht ausreichen, den Rüstungskonzernen adäquate Profite zu sichern. Deshalb treten wir als gute Europäer auch für die Militarisierung der EU ein ("PESCO").
Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer:
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Wir ermutigen Arbeitgeber und Bundesministerien unter unserer Führung, in Zukunft nicht mehr gar so sehr auf sachgrundlose Befristungen zu setzen – ein Sachgrund lässt sich meist finden, „Mittel im Haushalt begrenzt eingestellt“ etwa.
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Wir bewahren Arbeitnehmer in Betrieben mit bis zu 45 Beschäftigten vor einem Rückkehrrecht aus Teil- in Vollzeit.
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Wir wollen die Zweiklassenmedizin effizienter machen und eine Kommission zur Entwicklung der Arzthonorare berufen.
- Niemand hindert uns daran, bald wieder öffentlichkeitswirksam die Bürgerversicherung oder einen Mindestlohn von 12 Euro zu fordern.
Für Vermögende und andere Leistungsträger:
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Wir verzichten auf die Forderung nach einer Vermögenssteuer.
- Wir verzichten auf eine Reform der Erbschaftssteuer.
- So sichern wir die reibungslose Übertragung der 60 Prozent des Volksvermögens, die sich laut Europäischer Zentralbank in Händen dens reichsten Bevölkerungszehntels befinden.
- Damit bleiben Deutschland Besitzverhältnisse erhalten, wie sie sich schon 1913 bewährt haben.
Für Kinder und Familien
- Wir setzen wieder einmal auf die Erhöhung des Kindergeldes und heben den Kinderfreibetrag an, obwohl wir wissen, dass beides Besserverdienende profitieren lässt und an der grassierenden Kinderarmut nichts ändern wird.
- Mit einer Einstellungsoffensive gestehen wir pro Pflegeeinrichtung in Deutschland die Aufstockung um eine halbe Stelle zu.
Für Rentnerinnen und Rentner:
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Wir bleiben sicheren Tritts auf dem Pfad der Teilprivatisierung der Altersvorsorge.
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Wir heben das gesetzlich garantierte Rentenniveau im Vergleich zur heute geltenden Rechtslage bis 2025 um 0,6 Prozent (!!!) an und verweisen alle weiteren mit der Zukunft der Altersvorsorge in Zusammenhang stehenden Fragen in eine Kommission.
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Wer nicht ein Leben lang pausenlos sozialversicherungspflichtig zu gutem Lohn gearbeitet, Kinder erzogen, oder gepflegt hat, darf sich über Altersarmut nicht wundern.
All dies und vieles mehr steht (nicht) im Koalitionsvertrag. Du kannst das gesamte Verhandlungsergebnis auf spd.de nachlesen.
Mit diesem Brief gehen dir die Abstimmungsunterlagen für das Mitgliedervotum zu. Du entscheidest mit, ob die SPD auf Grundlage des verhandelten Koalitionsvertrags von SPD, CDU und CSU in eine Bundesregierung eintritt. Wir bitten dich: Nimm am Mitgliederentscheid teil und sende Deine Unterlagen rechtzeitig zurück. Dein Umschlag muss bis zum 2.3.2018 um 24 Uhr im Postfach des SPD-Parteivorstandes eingegangen sein.
Wir als Verhandlungsteam empfehlen dir, aus Überzeugung mit NEIN zu stimmen!
Denn wir haben im Wahlkampf leidenschaftlich für unser Programm und die Maxime „Zeit für mehr Gerechtigkeit“ geworben. Jetzt liegt dieser Koalitionsvertrag vor. Wir haben den Menschen noch am Wahlabend versprochen, nicht schon wieder in eine Große Koalition einzutreten. Um das einzuhalten, brauchen wir nun dich!
Es kommt auf uns an. Gemeinsam können wir richtig was bewegen.
Es grüßt dich
i.A. der Freitag
Kommentare 13
Wenn die SPD Führung nicht zur innerparteilichen Demokratie und Fairness willens oder in der Lage muss eben „der Freitag“ aushelfen, und als ein Organ der Aufklärung den halb- und uninformierten Genossen hilfreich zur Seite springen. Gut so. Chapeau!
Ja, sehr gut!
Danke! Hier eine ähnlich gute Zusammenfassung über das segenreiche Wirken der wahrscheinlich nächsten Parteivorsitzenden:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=42504
Man sieht: Das passt wie Hinterteil auf Eimer!
SPD, gähn. Wer war das nochmal?
Die Liste der namhaften "Totengräber" der Sozialdemokratie Deutschlands seit 1980 wird immer länger.
Ganz oben auf dieser Liste stehen:
Gerhard SchröderWolfgang ClementOtto SchilyThilo SarrazinPeter HartzWalter RiesterFranz MünteferingBert Rürup
gefolgt von:
Frank-Walter SteinmeierPeer SteinbrückMartin SchulzSigmar GabrielOlaf ScholzAndrea Nahlesusw.
Geradezu symptomatisch für diese Entwicklung ist, dass das Ex-SPD-Mitglied Wolfgang Clement inzwischen Kuratoriums-Vorsitzender der neoliberalen und nationalistischen Lobby-Organisation "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) ist.
Haben wir jemand vergessen?
Ah ja, an dieser Stelle bzw. ganz unten darf sich 2018 jedes kleine SPD-Mitglied, das den Koalitionsvertrag für die "GroKo", der Koalition für die GRO(ß)KO(pferten), absegnet, als Sargnagel hinzufügen.
Sehr schön.
Nicht so schlimm, sollte der von nur wenigen SPD-Mitgliedern gelesen werden. Der Werbebrief der SPD-Parteiführung tut‘s auch – vielleicht sogar noch besser: Jeder halbwegs bewusste Demokrat muss die Verantwortlichen und Befürworter der Unterschlagung einer Gegenposition für Verarscher hoch 3 halten. Von Demokratie reden und sich mit miesen Tricks propagandistische Vorteile verschaffen …. Welches SPD-Mitglied sollte sich von diesen Leuten repräsentiert sehen? Und wie soll mit denen eine Erneuerung der SPD möglich sein?
Der Beitrag ist eine gekonnte Handreichung, auch für die ANSTALT am kommenden Dienstag, worauf alle 464 000 SPD-Mitglieder als Entscheidungshilfe hoffentlich doch warten ....
https://www.zdf.de/comedy/die-anstalt
Im Beschluss des SPD-Bundesparteitages vom 21.01.2018 heißt es: "Zur Gewährleistung eines fairen Verfahrens wird der Parteivorstand sicherstellen, dass im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit, und vor allem im Rahmen von Diskussionsveranstaltungen, die diskursive Bandbreite der Debatte abgebildet wird."
Am Begleitschreiben zu den Abstimmungsunterlagen wie auch an der letzten Ausgabe des "Vorwärts" wird sehr deutlich, welches Verständnis die führenden Parteikader von Fairness bauen und dass sich für sie die diskursive Bandbreite der Debatte von Andrea Nahles bis Olaf Scholz erstreckt. Daher kann man den Mitgliederentscheid auch als betreutes Abstimmen bezeichnen.
Auf solche Vorwürfe angesprochen, ließ sich der Generalsekretär Klingbeil zu der Aussage herab, der Parteivorstand habe das Mandat, den einfachen Mitgliedern "Orientierung" zu geben, die offensichtlich wegen der Orientierungslosigkeit der Parteibasis derart notwendig ist, dass sich der Parteivorstand leichthin über Parteitagsbeschlüsse hinwegsetzen kann.
Sollte wider Erwarten die Mehrheit der Parteibasis den Koalitionsvertrag ablehnen, werden sich Herr Klingbeil und seine Vorstandsgenossen gewiss unverzüglich eine neue Parteibasis wählen!
Die Gegendarstellung zur Propaganda des Begleitschreibens ist gut gelungen und man könnte noch vieles ergänzen, z.B.:
"Wir haben die Friedens- und Entspannungspolitik unseres Friedensnobelpreisträgers Willy Brandt dahingehend weiter entwickelt, dass wir wieder mehr militärische Verantwortung mit der Bundeswehr in der ganzen Welt wahrnehmen wollen, weil die von uns genehmigten Rekordwerte bei den Rüstungsexporten allein nicht ausreichen, den Rüstungskonzernen adäquate Profite zu sichern. Deshalb treten wir als gute Europäer auch für die Militarisierung der EU (PESCO) ein.
Oder:
Wir versuchen noch einmal eine Lebensleistungsrente einzuführen, die etwa 80 Eurohöher ist als die Grundsicherung, nur heißt sie jetzt nicht mehr Lebensleistungsrente, sondern neue Grundrente. Dabei wissen wir natürlich, dass es eigentlich gar keine Grundrente ist, sondern eine Form von Sozialhilfe, denn die Rentner müssen erst mal ihre Bedürftigkeit nachweisen, genau wie bei Hartz IV. Sie müssen also ihre gesamten finanziellen Verhältnisse offenlegen und dann ihr Erspartes aufbrauchen. Aber wir zwingen sie immerhin nicht zum Verkauf ihres selbstgenügsamen Häuschens. Folglich ist die Grundrente also gar keine Rente, aber wir nennen sie so, weil es schöner und sozialdemokratischer anhört.
Lieber Engelbert Volks,
ich habe Ihren Passus zur Friedens- und Entspannungspolitik" ganz leicht redigiert in den Text aufgenommen.
Danke & beste Grüße,
Sebastian Puschner.
>>Daher kann man den Mitgliederentscheid auch als betreutes Abstimmen bezeichnen.<<
Wie 2013. Nur wird das "Ja" wohl dieses Mal etwas knapper ausfallen.
Mit der Weigerung des SPD-Vorstands, die selbst auferlegte "diskursive Bandbreite der Debatte" abzubilden, verstoßen seine Protagonisten nicht nur gegen die Entscheidung des "obersten Beschlussgremiums",
https://www.spd.de/partei/organisation/gremien/
des Bundesparteitags, sondern auch gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des fairen Verfahrens als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips.
Unsere fdGO kennt zwei Seiten der gleichen Medaille: den Rechtsstaat und die Demokratie; auf letztere verweist ausdrücklich Artikel 21 GG, wo es heißt, die innere Ordnung der Parteien, der SPD, müsse demokratischen Grundsätzen entsprechen.
Hört Ihr die Signale?
Sagen, was man denkt – tun, was man sagt?
Vertrauen? Glaubwürdigkeit? Legitimation?
Fehlanzeige!
Wir sehen deutlich vor uns:
Einen greifbaren Verstoß des SPD-Vorstands gegen die innere Ordnung und gegen die fdGO.
Vor diesem Hintergrund stellt sich doch schon jetzt die Frage, ob das begonnene Votum wegen offen-sichtlichen Verstoßes gegen das Orga-Statut und die Grundsätze unseres Landes überhaupt noch rechtmäßig sein kann.
sehr schön zusammengefasst. jetzt müsste man das nur noch allen SPD Mitgliedern senden können !? wäre schön wenn das jemand über deren Mail-Verteiler jagen könnte...