S21: Huhu, haha, die Demokratie ist da! (2)

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Es ist aber nicht nur das alte Lied, das da am Samstag am “ersten Bürgerbahn-Tag“ (1) intoniert wurde. Es wurde auch ein neuer, an die vom Kapital erträumte Demokratur angepasster Wahlkampfstil vorgestellt: Der geheime Wahlkampf ohne – den überflüssigen - Bürger:

...dominieren schwarz gekleidete Sicherheitsleute den Bahnhof von Böblingen. Als Bahn-Chef Rüdiger Grube die Treppe hochkommt, staunen die wenigen zahlenden Gäste, von der Polizei abgedrängt, nicht schlecht. Vom "Bürgerbahn-Tag auf der Gäubahn" können sie nichts wissen. Die Fahrt ist nicht öffentlich. Erst zwei Tage zuvor wurde die Aktion offiziell bekannt. Pro Stuttgart 21 hat Grube und eine bunte politische Promitruppe zusammengetrommelt sowie dreihundert Aktivisten eingeladen....gut 200 sind gekommen.... Die Stimmung ist trotzdem gut, endlich gibt es für das freiwillige Engagement mal Anerkennung statt Prügel.“ (2)

Noch interessanter wird dieses, liest man dazu in den Stuttgarter Nachrichten, was Grube daraus für Schlussfolgerungen zieht:

Die Mehrheit der Bürger wolle das Projekt. Die Volksabstimmung setze daher "den Schlusspunkt im Streit um Stuttgart 21". 2012 will die Bahn mit den Bauarbeiten in die Vollen gehen. Im Januar soll der Südflügel des alten Bahnhofs fallen.“ (3)

...Zwischengedanke. Sollten Psychologen und/ oder Psychiater mitlesen: Wie wäre es mit einer gründlichen Erforschung dieses Grube-Syndroms? Wäre vielleicht ein Nobelpreis drin?...

Demokratie nach Grube ist also, wenn oben „demokratisch“ entschieden und dann nach unten exekutiert wird. Zunächst mittels Verblödung und „demokratischer Legitimation“ nach dem Muster „nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Schlächter selber“ - worauf ja auch der gegenwärtige Wahlkampf der Befürworter abgestimmt ist. Und wenn das nichts nützt, kann man ja schon mal mit „atmenden“ Container-Sammellagern beginnen. (4) Dann wird man sehen, ob eventuell später doch noch eine weitere Verschickung nötig sein sollte...Man könnte z.B. an „atmende“ Dingens-Lager denken...Dies als kleiner Hinweis für den SPD-Polizeiminister Gall. Dann klappt's auch bestimmt wieder mit „scheuen Rehen“ wie Herrn Herrenknecht.....

Die Meinungsfreiheit ist dabei natürlich garantiert. Für Landräte und Ähnliches:

Die Landräte in Baden-Württemberg versprechen sich viel von Stuttgart21. "Wir wollen, dass die Bevölkerung am 27. November für das Projekt stimmt", sagte Helmut Jahn, der Präsident des Landkreistages, bei einer Pressekonferenz im Böblinger Landratsamt. Die Verwaltungschefs der Kreise würden sich mit ihrer Meinung "nicht zurückhalten", so Jahn, "es gibt keinen Maulkorb, auch wenn die Regierung das will". (3)

Und natürlich dürfen auch für die gegenmeinigen Bürger später im „Luxuscontainer“ frei von der Leber weg sagen, was sie denken. Mit den Untergebenen von Landräten und Bürgermeistern allerdings gibt es ein kleines Problem: die dürfen nicht. Aber nur, wenn der Personalrat vorher ordnungsgemäß gefragt wurde. Sonst dürfen sie zwar auch nicht. Aber so ist es legal. (5)

Aber auch mit den Bürgern gibt es noch ein paar kleine Probleme, denn nicht alle wollen abwarten, bis Minister Gall ihnen ihren Platz im Container zugewiesen hat...Gibt es eigentlich auch Nummern?....Das ist solange notgedrungen zu tolerieren, solange sie auf den Montagsdemos unter sich bleiben. Nicht zu tolerieren ist natürlich, wenn ein Stuttgarter Autor wie Gunther Haug seine Opposition öffentlich macht. Da musste der Verlag leider, leider fristlos kündigen. (6) Wieso konnte der auch nicht seinen Mund halten? Die Container sind doch bald bezugsbereit. Und 9000 Polizisten halten sich für die professionelle Rundum-Betreuung bereit.

Und außerdem war er doch gewarnt, hatte ihm doch bereits 2003 der Schwarzfunk SWR gekündigt. (7)

Bleibt die Frage, ob man in diesem Zusammenhang denn überhaupt von Dummheit sprechen darf. Eigentlich schon. Meine ich. Denn auf Befürworterseite kämpfen ja hauptsächlich Solche, die meinen, die Bürger seien zu dumm für Mitbestimmung. Deshalb hat man ja das vor Bürgermehrheiten schützende Quorum eingeführt. Und deshalb verzichtet man ja im Wahlkampf auf Argumente und beschränkt sich auf den Appell an etwas unterirdische „Instinkte“ und Lügenszenarien.

Bekannt ist, wer sich da versammelt hat:

Ein weiterer Verein, Pro Stuttgart 21, versammelt politische Prominenz und größere Spenden. Die Bahn versorgt sie mit Material und betreibt das Infomobil, ein luxuriöser rollender Infostand für das Projekt, in dem jetzt auch erklärt wird, wo man sein Kreuz machen soll. Die Parteien, manche mehr, manche weniger, mobilisieren ihre Leute. Die Region und die Wirtschaft schließlich helfen mit Geld aus , etwa für Werbefilme. Alle Akteure sind mit feinen Fäden miteinander verwoben.“ (2)

Man nennt es auch Filz. Und der schreckt auch nicht davor zurück, unsere Steuergelder zu stehlen um sie in vielfacher Weise gegen uns zu verwenden. Interessant ist darüber hinaus, was von führenden Wahlkämpfern und ihrer Klientel so geäußert wird, denn es erklärt, weshalb unsere „gewählten Repräsentanten“ sich bei ihrem Tun so sicher fühlen:

Manche wollen einfach ihren Kropf leeren über Stuttgart, Griechenland und die Sünden der 68er.“

Der Ingenieur Welte, SPD-Wähler, 61 Jahre alt, ein ernsthafter, vernünftiger Mann mit einem Häuschen unterhalb des Killesbergs, kennt viele Gegner von S 21. Was ihn unterscheidet, ist sein Vertrauen in die Macher des neuen Bahnhofs und in ihre Pläne. Er glaubt an das Parlament, die Bahn, die Architekten, die Ingenieure, "so bin ich aufgewachsen".

Der 53-Jährige [ Architekt Michael Gärtner] ist seit zwei Jahren dabei, ihn hat die Wut der Gegner aktiv werden lassen. "Der Widerstand hat mich politisiert, dieses Misstrauen. Es mag naiv klingen, aber ich habe ein Grundvertrauen in die Institutionen." Der frühere Grünen-Wähler hat vor zwei Jahren den BUND verlassen und ist heute in der CDU, "als Zeichen des Protests gegen die Selbstgerechtigkeit der Gegner".

Und selbst Projektsprecher „Wolfgang Dietrich....glaubt, dass jenseits der Region vor allem die Parteizugehörigkeit entscheiden werde, "die Fakten zählen wenig". Und wenn der das sagt, dann muss es ja stimmen. (2)

Bildung ist das, was bleibt, wenn das Gelernte vergessen ist.“, sagte der Pädagoge Kerschensteiner (1854 – 1932) (8). Angesichts solcher Äußerungen kann einem da nur angst und bange werden. Oder es fallen einem ein paar Lieder von Degenhardt ein. Aber noch kann man etwas tun. Zum Beispiel mit „Ja“ stimmen. „Ja“ zu Demokratie und Grundgesetz.

(1) www.cdu-bb.de/index.php?option=com_content&;task=view&id=1713&Itemid=1

(2) www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.volksabstimmung-herr-grube-nimmt-den-stuttgart-21-sonderzug.5ab96c5e-8473-46a3-89e6-4066e14838ae.html

(3) www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.stuttgart-21-grube:-abstimmung-setzt-schlusspunkt.32821ec0-13d2-4b19-ade5-364768aa72ee.html

(4) www.swr.de/nachrichten/bw/-/id=1622/nid=1622/did=8812316/1b5dj1m/index.html

www.spiegel.de/spiegel/print/d-9221792.html

(5) www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-anstecker-im-rathaus-stadt-hat-mitarbeiterrechte-verletzt.ccbb6a64-84a8-4e75-88f9-b5a4ba32f936.html

(6) www.die-anstifter.de/?p=11568

(7) www.boersenblatt.net/sixcms/detail.php?id=51895

(8) de.wikipedia.org/wiki/Georg_Kerschensteiner

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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