S21: Parkschützer besetzen Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs

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Von der Lyrik zur Aktion! Während die Stuttgarter Zeitung zwei ältere Herren, die vormals den Stuttgarter Widerstand durch den Pazifizierungs-Parcours von "Schlichtung", "Stresstest" und "Volksabstimmung" geleiteten, das Ende eben dieses Widerstandes beschwören lässt, setzen die dadurch nicht domestizierten Parkschützer pünktlich zur 115. Montagsdemo ein Zeichen und besetzten heute Mittag laut BAA den im Abriss befindlichen Südflügel des internationalen Kulturdenkmals Bonatzbau:

"Stuttgart, 12. März 2012: Seit Montag Mittag besetzen zehn Parkschützerinnen und Parkschützer das Dach des Südflügels. Bei dieser unbefristeten Aktion hängen sie ein 9x3 Meter großer Banner an die Fassade des teilweise abgerissenen Gebäudes, es trägt die Aufschrift: „Alles zerstört, nichts gewonnen: Total versagt, Ramsauer & Co!“ Damit weisen die Parkschützer darauf hin, dass die Bahn in der Stuttgarter Innenstadt enormen Schaden anrichtet, ohne einen Gegenwert zu schaffen: Die Bahn reißt wertvolle historische Gebäude ab, zerstört den Schlossgarten, die Seele der Stadt, und ist nicht in der Lage, etwas neues zu bauen. Sämtliche Versprechen, der geplante Tunnelbahnhof werde die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart steigern, haben sich als haltlos erwiesen. Inzwischen ist klar: Stuttgart 21 bedeutet einen Rückbau der Stuttgarter Bahninfrastruktur! Wenn Peter Ramsauer eine solche Beschädigung unserer Bahninfrastruktur deckt, versagt er als verantwortlicher Bundesverkehrsminister!

„Am Stresstest zeigt sich klar und deutlich, wie dreist die bundeseigene Bahn AG den Staat betrügt“, sagt Ande Leucht, einer der Dachbesetzer. „Versprochen hat die Bahn die Verdopplung der Leistungsfähigkeit im Bahnknoten Stuttgart. Auf dieser Grundlage beschlossen die Parlamente das Tunnelprojekt Stuttgart 21 und seine staatliche Finanzierung. Von all den Versprechungen ist nichts übrig geblieben: Wikireal.org hat klar nachgewiesen, dass selbst die geringe im Stresstest dargestellte ‚Leistungssteigerung‘ auf Betrug und Softwarefehlern beruht. Obwohl eindeutig klar ist, dass die Bahn AG die zugesicherte Leistung nicht erbringen kann, streicht sie weiter mehrere hundert Millionen Euro an Planungskosten ein, vergibt Aufträge auf Staatskosten und zerstört öffentliches Eigentum wie den Stuttgarter Schlossgarten. Diesem milliardenschweren Wirtschaftsbetrug darf Bundesverkehrsminister Ramsauer nicht untätig zusehen! Herr Ramsauer, prüfen Sie die wissenschaftlichen Beweise von Wikireal.org und ziehen Sie die notwendigen Konsequenzen daraus: Stoppen Sie das betrügerische Projekt Stuttgart 21 jetzt!“

Das Team von WikiReal.org hat auf seiner Internetseite mit wissenschaftlichen Methoden nachgewiesen, wie der Stresstest manipuliert wurde. Die Deutsche Bahn AG entgegnet diesen Beweisen lediglich mit schwammigen Zurückweisungen, hat aber noch keinen einzigen Vorwurf stichhaltig entkräften können. Seit neuestem ist bekannt, dass die in der Stresstestsimulation verwendete Software fehlerhaft ist und unrealistische Zugbewegungen zulässt. So können mindestens 3 der 49 simulierten Züge in der Realität nicht fahren. Dieser Tatsache muss Bundesverkehrsminister Ramsauer nachgehen. Ramsauer deckt durch sein Festhalten an S21 und durch seine Untätigkeit den Betrug der Bahn gegenüber dem Staat.

Für keinen der zentralen Aufträge für Stuttgart 21 findet die Bahn bis heute einen Auftragnehmer. Mit dem Bau des Nesenbachdükers hätte die Bahn bereits 2010 beginnen müssen, um das Gesamtprojekt nicht in Verzug zu bringen. Es ist jedoch schon die dritte Ausschreibung geplatzt, da keine Baufirma bereit ist, das Risiko für diesen geologisch heiklen, aber essenziellen Bauabschnitt zu übernehmen."

www.bei-abriss-aufstand.de/2012/03/12/presseerklarung-parkschutzer-besetzen-sudflugel-und-blockieren-abriss/

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-protest-im-hamsterrad.0da1440b-8bbb-4a2c-afef-1c0bce83b85d.html

zwuckelmann.posterous.com/1232012-s21-schmierenjournalismus-vom-feinste

Die Notwendigkeit zu solchen Aktionen ergibt sich allerdings nicht aus solch durchsichtigen Medientaktierereien, sondern aus dem SPD-geschuldeten Versagen der Landesregierung und den fortlaufenden Regelverstößen der Grube(n)-Bahn:

www.radio-utopie.de/2012/03/12/pressekonferenz-in-stuttgart-war-die-computersimulation-der-stresstest-der-bahn-ag-betrug/

www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stuttgart-21-streit-ueber-juchtenkaefer-geht-weiter.d36e3abf-8282-4595-8e46-1658ed8deb8e.html

www.sueddeutsche.de/wirtschaft/investitionen-ins-zugnetz-wo-die-bahn-in-deutschland-baut-1.1304555

In diesem Zusammenhang sei auch nochmals ein Blick in den Beitrag von Kopfmachen21 zum Immobilienfilz in Stuttgart empfohlen, wo die Lobbyisten der Einfachheit halber gleich direkt von der Stadt angestellt werden - sofern sie nicht in Oettingers Bett liegen.

www.freitag.de/community/blogs/kopfmachen21/s21-was-treibt-die-bau--und-immobilienbranche-in-stuttgart-teil-1

www.freitag.de/community/blogs/kopfmachen21/s21-was-treibt-die-bau-und-immobilienindustrie-in-stuttgart

Und damit es auch wirklich alle kapieren, dass weiterer "kritisch-konstruktiver" Widerstand in Stuttgart nötig ist, dem sei noch ein entlarvender Satz des zuständigen EU-Koordinators Balázs als Dessert serviert, der tatsächlich immer noch meint, die Stuttgarter Schand-Grube sei unentbehrlich für die Beschleunigung der allseits beliebten Fahrten nach Bratislava. Von der StZ darauf hingewiesen, dass Untersuchungen zu dem Ergebnis kämen, dass der Tunnel-Bahnhof dafür eher entbehrlich wäre, antwortete er: "Das glaube ich nicht", um dann die alte Leier vom angeblich ach so hinderlichen Kopfbahnhof abzuseiern (StZ vom 12.03.20120, Print).

Oh Herr, schmeiß Hirn ra! Oder hole es dir aus dem reichen Vorrat des Stuttgarter Widerstandes....

Bei einem Herrn Rühle von der SZ dürfte dies allerdings auch nicht mehr helfen:

"...Natürlich, wer spätabends den letzten Anschlusszug verpasst und dann im Nieselregen dazu gezwungen wird, eine Unterkunft in Stuttgart zu suchen, hat alles Recht der Welt, sich zu beschweren, es gibt nun mal Städte, die sind derart trostlos, dass man sein Haupt dort nicht mal für eine Nacht betten will.

Der verärgerte Zwangsstuttgarter schläft ein mit dem Gedanken, dass er doch unbedingt das Auto hätte nehmen sollen. Wir wollen mit diesem übermüdeten Menschen jetzt keine Diskussion anfangen, erst musste er seinen Rollkoffer durch Stuttgarts Pfützen ziehen, dann seiner Frau am Handy erklären, warum er nicht heimkommt und zuletzt in der Hotelzimmereinsamkeit rumhocken, soll er doch schlafen...."

www.sueddeutsche.de/wirtschaft/plaedoyer-fuer-den-zug-mit-der-bahn-zum-bonustrack-des-lebens-1.1306119

Wem in einem Plädoyer für die Bahn nur solch debiler Diffamierungs-Scheiß aus der Birne quillt, bei dem dürften Hopfen und Malz endgültig verloren sein.



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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

seriousguy47