Von Öko-Spießern, Medienfuzzis und der Seichtigkeit des Scheins

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Ein Gespenst geht um in den Medien: der grüne Spießer. Von Ulf Poschardt, dem hoch-kreativen Gestalter von unergiebigen Nachrichtenlagen, erwartet man es nicht anders. (1) Von der dauernörgelnden Sybille Krause-Burger auch nicht. (2) Bei Michael Angele mag man schon eher irritiert sein. (3) Als Mitarbeiter des FREITAG hat er natürlich Anspruch auf eine Art putativer Generalamnestie. Aber wenn man sich via Poschardt mitCDU-Gröhe, FDP-Homburger und CSU-Dobrindt in die Dagegen-Kampagne gegen Grün-Rot einreiht, muss man sich zumindest eine Erwiderung gefallen lassen.

Da sitzt er also, tief drunten im Südwesten, der Öko-Spießer und Wutbürger, brüllt „Oben Bleiben“, bastelt an der Öko-Diktatur und übt schon mal Kastanienwerfen – für den Fall, dass Seehofer mit seinen Starkbier-Horden einfällt, um sich im Ländle die dringend benötigten Mittel zu holen, die er für seine Landesbank und Bayern München braucht, um den Konkurs der bayrischen Wirtschaftskompetenz abzuwenden. Grauhaarige schieben derweil mit dem Rollator Einkaufstüten in den Schlossgarten, um sie dort an unrasierte Widerstandscamper zu verfüttern, die es gerne Bio haben, am liebsten gleich vegan - Klar doch -, was allerdings nicht immer mit schwäbischer Sparsamkeit kompatibel ist: Gessa wird, was auf dr Tisch kommt. Au, wenn's vom ALDi isch....

Was würde den grün-greisen Spießer schließlich besser kennzeichnen, als dass er, einen ganzen Winter lang, wild im Stadtpark campierende Gammeltypen nicht nur so gelassen duldet, dass Mappus sich nicht traut, zur, von seinen Mannen geforderten, „Säuberung“ zu schreiten, sondern dass er sie auch noch ganz selbstverstädnlich durchfüttert, damit sie auch ja nicht auf die Idee kommen, ihre Zelte freiwillig abzubrechen? Was wäre typischer für den Wutbürger, als dass er sich 15 Jahre lang - über ein Jahr davon sehr intensiv und zahlreich – nicht nur mit Parolen, sondern auch mit öffentlichem Räsonieren auf mittlerweile 73 Montagsdsdemos und jeder Menge Extra-Kundgebungen gegen die Zerstörung seines Stadtkerns durch irre Technokraten wehrt? Selbst die Geißler-Show haben die Laiendarsteller mit Bravour zu der ihren gemacht. Streber eben, die sogar das Keferlatein und den Dauer-Grins-Dreisatz des DB-Vorstands durchschauen – während Geißler strahlend darauf hereinfällt, weil ihn schulische Kindheitserinnerungen an offenbar nicht ganz zahlensichere Mathelehrer überwältigen.

Ausgerechnet im Dauer-Wirtschaftswunder-Land, das treu und doof seit den 50er Jahren nahezu den gesamten Rest der Republik über den Länderfinanzausgleich mit durchfüttert und sich dafür als ein Siedlungsgebiet für verhockte Oberdeppen feiern lässt, richten diese blöden Schwabadener den ökonomischen Supergau an und stürzen einen Justiz-Minister, der seine Hauswaffe gerne im Ferrari Spazieren fährt, einen Landtagspräsidenten, der vom Porsche als Dienstwagen träumte (jetzt kann er auch ohne Porsche tiefer sitzen) und einen Ministerpräsidenten, der selbstverständlich nur zu Person und Stil passende Spitzengefährte aus heimischer Produktion orderte: „Die Dienst-S-Klasse … hat 340 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft gepustet - bei 517 PS. Mappus war damit übrigens der am höchsten motorisierte Ministerpräsident.“ (4) An Power wurde dieser Fehdehandschuhwerfer-Untersatz nur noch vom Wasserwerfer selbst übertroffen.

Und jetzt statt all dieser umsatzfördernden Macht und Herrlichkeit also nur noch trockenes Müsli und Schwarz...äh...Rotbrot in Südwest. Nach der kapitalistischen Klerikaldiktatur nun die Tyrannei der Öko-Pharisäer, die ihr geklontes Haustier, sich selbst und unsern kranken Nachbarn auch mit veganem Schappi und Bio-Gammel-Möhren quälen.. Igitt, igitt.

Und wie heuchlerisch sie sind. Während der ehrliche Hamburger oder Berliner zum Maienmondenschein zünftig Edel-Karossen abbrennt, trifft sich dieses zurückgebliebene Spießervölkchen im Herbst bei Dvoraks Neunter zum Protestfideln im Schlossgarten. Und zu Weihnachten feiern sie dortselbst auch noch einen Gottesdienst im Schnee! Soviel Junkfood kann der stramme Linke gar nicht fressen, wie er da kotzen möchte. Wie kann bloß ein Unternehmer mit der Literaturwissenschaftlerin, dem Musiker, dem Ingenieur, dem Architekten, dem Hartzer, der Oma, dem Schüler, der Studentin, der Geschäftsfrau, dem Freak, dem Rollstuhlfahrer, der Lehrerin, dem Schauspieler, dem Regisseur, dem Pensionär usw. usw. gegen, respektive für einen Bahnhof demonstrieren und dafür auch noch eine 60jährige Einparteienherrschaft stürzen? Und das Opernensemble klatscht dazu. Ja geht’s noch?

Und man demonstriert doch nicht, um Erfolg zu haben! Der Deutsche macht eine Sache um ihrer selbst willen! Ja wo kämen wir denn sonst hin? Wozu soll man denn noch demonstrieren und rebellieren, wenn man am Ende sowieso bloß Erfolg hat? Worüber jammern? Das machte doch gerade Lebensqualität und Wirtschaftserfolg in diesem Lande aus, dass wir nie zum politischen Erfolg kamen. Das war doch der treibende Pfeffer im bräsigen Leben. Die Ära Kohl ernährte ganze Kompanien von Kabarettisten und sich für kritisch haltende Journalisten! Und was kam danach? HARTZ IV für alle! Aus den politischen Niederlagen kam bislang der wirtschaftliche Erfolg. Die sublimierte Wut machte doch erst unsere Porsches so schnittig. Der abzulassende Frust trieb anschließend die Verkaufszahlen hoch. Und jetzt enteignen ausgerechnet unsere heimischen Chinesen, die Schwabadener, den schwarzen Block und machen selbst Revolutiönchen? Muss der schwarze Block jetzt womöglich selbst arbeiten?

Es scheint, als ob da eine mehrfache Provokation gespürt wird. Nicht nur war es unerhört, dass ausgerechnet das Stuttgart, das sich spätestens seit Schiller vor allem dadurch auszeichnete, dass daraus flüchtete, wer etwas auf sich hielt, die Merkel-Idee der Wahl-Volksabstimmung aufnahm und Mappus stürzte. Schlimmer noch: die hören einfach nicht auf! Mappus ist längst weg und die machen einfach weiter. Und verstoßen auch noch gegen alle konsensualen Regeln im Lande, insbesondere die, dass ein grün-roter Erfolg gefälligst ins Chaos zu führen habe. Und dass, wenn Schwarz-Gelb nebst Hofberichterstattung rubbeln, die Unternehmer gefälligst zu Verbal-Ejakulieren haben. Und zwar subito, respektive praecox. Wichtig ist schließlich nicht der Genuss – der zählt nur für die Leser – sondern, was dabei herauskommt.

Nix da. Die Südwest-Spießer erinnern sich stattdessen an die alte Orgasmus-Regel „Beim zweiten Mal ist es noch schöner“ und hauen in der ersten Umfrage nach der Wahl die Grünen nochmals um 5,8 Prozent nach oben. (5) Und ausgerechnet das schwäbische Handwerk vermeldet zur linksradikalen Gemeinschaftsschule: "Das ist auch unser Projekt" Und: "Die CDU muss ihr Dogma ablegen". Und das noch nicht einmal in der FAZ oder WAZ, sondern ausgerechnet in der taz. (6) Und auch der Angele kriegt eins auf die Mütze, nennt die taz seinen grünen Oberspießer doch tatsächlich „Super-Kretschmann“. (7) Ja geht’s noch?


Und nicht einmal die Gurkentruppe, die ab 12. Mai regieren soll, erregt noch irgendwen. Außer den SPIEGEL. Und der versteht es prompt falsch und jubiliert auch noch: „Sozialdemokraten gelingt Personal-Coup“. (8) Da mag ein Kommentator angewidert anmerken, dass dieses grün-rote Gesocks nicht einmal genügend qualifiziertes Personal habe und sich deshalb ausgerechnet die Integrationsministerin aus Berlin holen müsse. Na ja, mein Lieber, irgendwann wollen wir halt auch was haben für unseren Länderfinanzausgleich. Außerdem, woher sonst sollen wir eine problemerfahrene Integrationsministerin herbekommen, wenn nicht aus Berlin? Und schließlich möchte Second Lady Tülay Schmid vielleicht ja auch mal bei einem gepflegten Kaffeetratsch unter Migrationshintergründerinnen so reichtig schaurig-schöne Gruselstories aus Berlin zu hören bekommen. Schließlich ist ihr Nils (Schmid) ja Nürtingens reumütig-langweilige Wiedergutmachung für den ökospießermäßigen Ausrutscher Harald Schmid.Und wer weiß, wenn Bilkay Öney erst einmal die Vorzüge von Mineralbad und Weinbergsauna entdeckt hat, vielleicht bringt sie die S21-Altstalinisten in der SPD ja doch noch zur Räson......

Gefahr droht allerdings dem SPIEGEL aus Bayern, denn dass Florian Gathmann aus dem österreichischen „a gmahde Wiesn“ im Dopaminrausch flugs ein "a g'mähts Wiesle" macht, ist – trotz Tatort-Spur – unverzeihlich. Wie gut, dass sich F.J. Strauss mit seinen Atombombenplänen nicht durchgesetzt hat, sonst wäre jetzt in Hamburg eine fällig. Da hülfe auch nichts, dass Teile des Ländles in glücklicheren Zeiten mal zu Österreich-Ungarn gehört haben.....(9)

Ja, und was macht der hier quengelnde rei'gschmeckte Öko-Spießer mit rucksackdeutschem Migrationshintergrund nach halb getaner Arbeit? Jedenfalls biegt er sich nicht, wie weiland Ulf Poschardt, die Realität zum seichten Schein um, sondern demonstriert und argumentiert weiter, zieht den Kompromiss in der Hand weiter der Utopie auf dem Dach vor – und unterzieht hin und wieder den neuen Verkehrsminister einer verschärften Beobachtung.

Also, Winne, pass fei uff, gell!

(1) www.welt.de/debatte/article13248313/Der-gruenen-Bewegung-fehlt-es-an-Aesthetik.html

(2) Stuttgart hat eine politische Mode erfunden, StZ (Print) vom 4. Mai 2011

(3) www.freitag.de/politik/1117-jetzt-mit-jack-wolfskin-jacke-und-solarbeule-die-r-ckkehr-des-spie-ers

(4) www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.stefan-mappus-dienstwagen-vergangenheit-sparen-mit-dicken-autos.99247353-55ff-46dd-9fb7-49151417cf08.html

www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.ministerpraesidenten-wer-faehrt-den-groessten-klimakiller.abfc42f1-4f85-4bd4-aafe-85219e068faa.html

(5) www.stern.de/politik/deutschland/wahltrend-von-stern-und-rtl-die-sozialdemokraten-im-kriechgang-1680998.html

(6) www.taz.de/1/zukunft/bildung/artikel/1/die-cdu-muss-ihr-dogma-ablegen/

(7) www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/super-kretschmann/

(8) www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,760434,00.html

(9) www.ostarrichi.org/wort-5269-at-loeschen.html

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Geschrieben von

seriousguy47

Anglophiler Pensionär und Flüchtlingsbetreuer aus Stuttgart.

Wehrdienst, Studium ( Anglistik, Amerikanistik, Empirische Kulturwissenschaft, Sozialpädagogik) , Praktikum ( Primärtherapie), Lehramt, Flüchtlingsbetreuung

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