Neuer Tatort aus Langeweile.

Satire 5 Ideen, um den megaerfolgreichen Tatort megaerfolgreicher zu machen – aber natürlich nicht spannender.

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Der Tatort ist erfolgreich wie nie. Letzte Woche konnte ihn selbst ein Testbild nicht aus dem Konzept bringen: 13,4 Millionen Menschen blieben trotz der Störung vor dem Fernseher und twitterten fleißig am Second Screen mit, um zu raten, wer der Mörder ist. Viele bemerkten auch keinen Unterschied. Das Testbild war in etwa so spannend, wie ein durchschnittlicher Ulrich Tukur Tatort. An manchen Stellen vielleicht sogar einen kleinen Tick spannender.

Fakt ist: der Tatort ist so erfolgreich wie nie. 12 Millionen schalten regelmäßig beim superlustigen Münsteraner Schmonzette Krimi ein. Und selbst ein durchschnittlicher Durchschnitts-Krimi aus Dortmund lockt immer noch locker 8 Millionen auf das Sofa (es soll kaum eine bessere Einschlafhilfe geben). Zudem gibt es kaum einen ernsthaften Schauspieler (Til Schwieger mal ausgenommen), der gerade keinen Kommissar in der Reihe mimt: Ob Wotan Wiebke Möhring, Nora Tschirner oder bald sogar Heike Makatsch. Jeder will dabei sein und den Tatort auf ein noch schier noch unerträglicheres Spannungs-Niveau heben.

Leider bleibt dabei kaum Zeit für gute Drehbücher und wirklich moderne Inszenierungen. So bleibt es bei oft gehörten Dialogen wie „Wo waren sie zwischen 20 und 22 Uhr?“ „Gestern?“ „Nein, 1982.“ Das kann selbst eine grandiose Schauspielerin wie Sebil Kekilli (Venus-Award für „Die megageile Kükenfarm“) nicht mehr retten.

Hier einige Ideen, wie der Tatort künftig noch kriminell besser wird:

Tatort Grünwald (Kommissare: Horst Tappert/Fritz Wepper)

Viele werden jetzt sagen: das ist doch Derrick. Nein, dass ist nicht der Rick, das ist der Horst. Der Tappert Horst, wie man in Bayern sagt. Der Horst tappert nicht im dunkeln, der guten Straßenbeleuchtung in München-Grünwald sei dank. Überhaupt Grünwald: Da es kaum mehr Großstädte wie Magdeburg oder Konstanz gibt, aus denen noch kein Tatort gesendet wird, weichen wir nun auf Stadtteile aus: Nippes in Köln, Prenzlauer Berg in Berlin (der erste Bio-Tatort mit dem Weltretter Hannes Jänicke) oder das Schanzenviertel in Hamburg (hier böten sich Tocotronic als Ermittler-Team an).

Zudem springt der Tatort Grünwald auf den aktuellen Retro-Trend auf. Und mal Hand aufs Herz: Derrick hat mehr Drive und Action als ein Schweizer Tatort. Die Leute werden ihn lieben, wenn er in den Villen in Grünwald sagt: „Harry, fahr schon mal den Wagen vor.“ Bestimmt wird das ganz viel getwittert und kommentiert. Und darauf kommt es heute ja an und nicht auf Nebensächlichkeiten wie Dramaturgie, Story oder (haha) Spannung.

Tatort Mehrzweckhalle/Leipzig (Markus Lanz/Cindy aus Marzahn)

Ein überaus geschickter Schachzug des ZDF: Sie nehmen ihr schwächelndes Samstag-Abend Schlachtross „Wetten dass...?“ und lassen es als Tatort Mehrzweckhalle/Leipzig zur ARD galoppieren. Zum wiehern. Oder wie es Kommissar Lanz launig kommentieren würde: „SENSATIONELL!“ Plötzlich hat die Show wieder Einschaltquoten über 10 Millionen. Und keiner würde was merken, denn die 10 Millionen starren nur auf Smartphone und Computer-Bildschirme, um das Hörspiel per Facebook und Twitter mit Häme zu überschütten. Ob da einer sagt „Top, die Wette gilt.“ oder „Sieht so aus, als ob der schon länger hier liegt“ ist vollkommen irrelevant.

Das innovative an diesem neuen Tatort: man kann Elemente vieler erfolgreicher Sendungen integrieren (außer Spannung natürlich). Ob Musikantenstadl, Markus Lanz oder alles vom Shoppingsender HSE24 (für Promi-Bücher und Hollywood-Filme) – der Tatort Mehrzweckhalle/Leipzig ist eine grandiose Win-Win-Situation (für ARD und ZDF). Und hat mit dem menschgewordenen Popper Markus Lanz endlich mal einen Kommissar, der nicht auf Punker mimt. Mit seiner Assistentin Cindy aus Marzahn („Ich Marzahn, Du Jane.“) würde die komische Seite auch nicht zu dünn kommen.

Tatort Wiesn (Boris Becker/Oliver Pocher)

Auf diese Idee ist noch keiner in den gefühlt 6 Millionen Tatort-Redaktionen gekommen: ein Tatort, der immer zur Wiesn ausgestrahlt wird. Schließlich ist die Wiesn das größte Volksfest der Welt, während der Tatort das größte Krimi-Ereignis des Planeten ist. Hier wächst also zusammen, was zusammengehört.

Der Knaller: der Tatort Wiesn wird gleichzeitig im TV und den Bierzelten ausgestrahlt. So spielt man die leer schafft man dort endlich wieder Platz für neue durstige Kunden. Hauptkommissar Boris Becker und Oberinspektor Oliver Pocher sind das faszinierendste Duo seit Dick (Becker) und Doof (Pocher). Boris Becker ermittelt am liebsten in Besenkammern und sendet von dort orthographisch und grammatikalisch zweifelhafte Tweet (RT @derborisbecker gel fuck). Oliver Pocher dagegen ist der gute Laune Bär, der auf der Wiesn ab und an jedes Maß verliert.

Ihre Dialoge haben bald schon Kult-Charakter: Pocher: „Hattest du schon mal Sex mit einer Farbigen?“ Becker: „Ja, sie war blau.“ Sendetermin des ersten Tatort Wiesn, ist voraussichtlich zur Canstatter Vasen.

Tatort San Francisco (Miley Cyrus/Justin Bieber)

Der Tatort will sich konsequent verjüngen. Das neue dreiköpfige Ermittler-Team aus Magdeburg ist zum Beispiel zusammen genau so alt, wie die Tatort-Legende Schimanski. Mit dem Tatort San Francisco gehen wir noch einen Schritt weiter: Justin Bieber und Miley Cyrus sind zusammen jünger als Alina Levshin. Mehr jung geht wirklich nicht.

Darüber hinaus werden aus den Straßen, die Datenautobahnen von San Francisco: Verfolgungsjagden finden nicht mehr in echt statt, sondern werden auf Gran Turismo 6 ausgefahren. Verhört wird auf Facebook und gefahndet auf Twitter. Per Instagram Foto werden Verbrecher gesucht. Und bei MySpace liegen – wie seit Jahren gewohnt – nur Leichen rum. Das natürlich die Nähe zum Silicon Valley eine Rolle spielt, soll hier nur am Rande erwähnt werden. So geht social Freunde!

Mit dem Duo Justin Bieber und Miley Cyrus würde man neue Zielgruppen ansprechen: Alte sabbernde Männer, die sich auf Miley (Rest ist zensiert). Aber auch sehr sehr junge Mädchen hätten plötzlich Interesse am Tatort San Francisco. Die müssen zwar nach der Tagesschau ins Bett, aber wer sagt denn, das unser Leben ein Wunschkonzert ist? Wir jedenfalls nicht.

Tatort Berlin Tag und Nacht (wechselnde Laiendarsteller)

Während im klassischen Berliner Tatort nur zwischen 20.15 und 21.45 Uhr ermittelt wird, ermittelt das Team vom Tatort Berlin Tag und Nacht, Tag und Nacht. Natürlich ist es ein bisschen ermüdend, wenn auf die Frage: „Wo waren sie gestern zwischen 16 und 22 Uhr?“ Immer bestechend einfach geantwortet wird: „Im Tattoo-Studio.“ Aber irgendwie hat das doch schon fast das Zeug zum Running Gag, oder?

Überhaupt geht der Tatort Berlin Tag und Nacht ganz neue Wege: Keine Angst, es wird nicht spannend. Nein. Statt wie sonst auf Groß-Schauspieler ala Jan-Josef Liefers, Christian Ulmen oder Maria Furtwängler setzt man hier bewusst auf hölzerne Laien-Darsteller. Das Geld, was man in der Produktion oder in der Bezahlung der Mimen spart, kann man dann für Dienstwägen, Spesen und andere wichtige Dinge ausgeben.

Die „Darsteller“ lenken mit ihrem hilflosen Spiel von der wahren Katastrophe ab: dem Drehbuch. So kann sich die Facebook/Twitter-Meute bei ihrer Kritik wie immer auf die leichteste Beute stürzen. Übrigens: alle Morde beim Tatort Berlin Tag und Nacht geschehen im Umfeld des Whitetrash-Berghains Matrix. Zwischen anabolen Türstehern und Solarien-Schönheiten aus den Vororten Berlins stirbt es sich echt voll krass, ay.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

siegstyle

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