Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur...

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Vaclav Havel und der geliebte Führer Kim Jong Il treffen in der Kneipe "Zum Fegefeuer" aufeinander. Zwei Menschen wie das personifizierte Ying und Yang. Hier der unbeugsame Menschenrechtler, der sich mit der Charta 77 ein Denkmal setzte. Dort ein lebendes (zumindest bis vor kurzem) Denkmal des nordkoreanischen Volkes, das sich mit Hingabe Dinge ansah, ohne sie ganz zu durchblicken. Der verhinderte Philosoph unter den nicht verhinderten Menschenschlächtern.

Im "Zum Fegefeuer" hat Kim einen Hennessy Paradis bestellt, so als wollte er dadurch vielleicht doch noch ein Stück vom Paradies abbekommen, was er nie erreiche würde. Vaclav Havel rauchte - wie man es von ihm gewohnt war - eine Marlboro Light. Der Geruch von so genannter Freiheit kämpfte mit dem Duft eines unfair gehandelten Kaffees. Der Schweiß der Kaffeebauern mit den Ausdünstungen der Cowboys aus dem Land, aus dem die Träume ausgeträumt waren.

Havel: "Hallo Kim."

Kim: "Ich heiße Generalsekretär der Partei der Arbeit Koreas, Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission der Demokratischen Volksrepublik Korea und Oberster Befehlshaber der Koreanischen Volksarmee oder auch kurz "geliebter Führer."

Havel: "Hallo geliebter Führer: Bei uns in Prag gibt es auch Führer – aber nur für Touristen. Und die sind eher unbeliebt bei den meisten Einheimischen."

Kim: "Den westlichen Demokratien fehlt einfach eine gesunde Einstellung zur Diktatur."

Havel:
"Wie meinen Sie das?"

Kim: "Die Diktatur ist eigentlich die Demokratie des einen Mannes. Meinen Sie ich mache mir Entscheidungen leicht? Im Grunde entscheide ich stellvertretend für Millionen Menschen. Das spart Zeit und Geld. Die kapitalistische Variante der Volksherrschaft."

Havel: "Meinen Sie das ernst?"

Kim nimmt einen Schluck aus dem Cognac-Schwenker und genießt den Geschmack von Paradis in seinem Gaumen.

Havel: "Kennen Sie die Schwester von Hennessy Paradis?"

Kim:
?

Havel: "´Vanessa Paradis."

Kim:
"Sie Scherzkeks."

Havel:
"Ich habe mein Leben verloren, nicht meinen Humor."

Kim:
"Ich will ihnen eine Geschichte erzählen."

Havel:
"Vom geliebten Führer oder ihrer führenden Geliebten."

Kim: "Weder noch: Ich möchte ihnen eine Weihnachtsgeschichte erzählen."

Havel: "Sie wollen mir was?"

Kim: "Die heißt 'Wie eine Schneeflocke zum Sturm der Revolution wurde.'"

Havel:
"Die möchte ich nicht hören, Ich möchte Geschichten hören, von Menschen die Weihnachten lieben. Und nicht von Menschen, die Weihnachten als Unterdrückungs-Werkzeug einsetzen."

Kim:
"Der Kapitalismus nutzt doch wie kein anderes System Weihnachten als Unterdrückungsregime. Nicht umsonst wird Weihnachten unter dem Baum entschieden. Da wird sich nichts geschenkt, wenn es ums schenken geht. Da lobe ich mir mein Land: da gibt es keine Geschenke, meistens noch nicht mal was zu essen."

Kim schaut aus dem Fenster. Was ersieht sind keine Milchlämmchen auf grünen Propaganda-Wiesen, es sind haushohe Flammen.

Havel: "Fährt hier eigentlich auch ein Zug hin? Sie leiden doch unter Flugangst. So kann man nicht in den Himmel kommen, selbst wenn man in den Himmel kommt. Aber in die Verlegenheit kommen sie bestimmt nicht."

Havel zieht lange an der Marlboro Light. Der blaue Dunst bildet Formen. Gesichter. Er sieht Willy Brandt, hört das Lachen von Mao Zedong und spürt die Augen Olof Palmes im Nacken. Der Kaffee war kalt geworden. Genau wie seine Leidenschaft.

Havel: "Ich komme aus einer Epoche die schon tot war, als ich noch lebte. Damals gab es Liedermacher. Briefe. Und vor allem: Zeit. Heute ist das alles verschwunden. Ich jetzt auch."

Kim: "Sie haben eben alles falsch gemacht. Bei Ihnen regieren die Umstände. Ich aber habe die Umstände regiert. In Nordkorea gibt es kein Internet. Keine Handys. Keine Media Markt, Starbucks oder McDonalds. Wir sind das, was die Werbung jedem predigt: einzigartig. Auch deswegen, weil es Werbung auch nicht gibt. Außer für mich."

Havel: "Kim Jong Il - jetzt doppelt so diktatorisch."

Kim: "Sie sind ein Weltverbesserer. Die haben die Welt noch nie verbessert."

Havel: "Eine Idee ist stärker als alle Panzerarmeen zusammen."

Kim: "Wem erzählen Sie das? Nur bei uns funktioniert die Idee mit Panzerarmeen bei Ihnen nur ohne."

Havel: "Ich habe für die Freiheit gekämpft!"

Kim: "Ich doch auch."

Havel: "Mich haben Menschen bewundert."

Kim: "Mich noch mehr."

Havel: "Um mich weinen Millionen."

Kim: "Nordkorea versinkt im Tränenmeer."

Havel: "Eigentlich müssten sie in den Himmel kommen."

Kim: "Ich habe doch Flugangst."

Havel: "Fröhliche Weihnachten Sie Weihnachtsmann."

Kim: "Ich heiße..."

Havel: "Ich weiß wie Sie heißen: Weihnachtssekretär der Partei der Arbeit Koreas, Vorsitzender der Nationalen Weihnachtskommission der Demokratischen Volksrepublik Korea und Oberster Befehlshaber der Koreanischen Weihnachtsarmee oder auch kurz "geliebter Führer."

Kim: "Fröhliche Weihnachten."

Havel: "In der Hölle."

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Geschrieben von

siegstyle

Framstags kommt das Frams.

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