Wundersame Verwandlungen: olivgrüne, fossile Neuigkeiten
Bündnis 90/Die Grünen (im folgenden als Grüne bezeichnet) machen im Zuge der Ukraine-Krise im Eiltempo eine wundersame Verwandlung durch - insbesondere auf den Feldern der Klima-, Wirtschafts-, Energie- und Verteidigungspolitik. Diese Wandlungen werden im folgenden zunächst summarisch skizziert. Anschließend werden diese Wandlungen anhand konkreter Beispiele und konkreter Protagonisten vertieft.
Dabei ist mein Eindruck, dass die sichtbaren Verschiebungen von grün zu olivgrün, von erneuerbaren zu fossilen Energien, von klimahörig zu wirtschaftshörig und von Friedensspezialisten zu Waffentrommlern bei der Klientel der Grünen noch gar nicht richtig durchgedrungen ist!
Das Waffen-Geklirre und Energieembargo-Getöse der Hofreiters, Bruggers und Konsorten hat offensichtlich bei den Grünen die moralische Verantwortung für die nachfolgenden Generationen im Hinblick auf das Überleben auf einer vom Klimawandel geschundenen Erde vernebelt!
In der Energiepolitik wäre, anstelle des im Gefolge des Ukraine-Krieges forcierten Ersetzens der Förderungsquellen der fossilen Energie - also derzeit vorwiegend von russischen Quellen - durch alternative Förderungsquellen fossiler Energie außerhalb Russlands, für die die Förderungsinfrastrukturen erst noch aufzubauen sind, der forcierte Ersatz durch nichtfossile Energiequellen zielführend, auch wenn die Zeitdauer hierfür länger wäre! Auch wenn hierzu Änderungen an der Sanktionspolitik des Westens ggü. Russland auf dem Energiesektor und entsprechende Vereinbarungen mit Russland erforderlich wären. Stattdessen werden entsprechende Gespräche und Vereinbarungen mit Russland als "Einknicken" diskreditiert, verweigert und es wird mit noch mehr Tempo das neue alte fossile Zeitalter zurückgeholt - zu Lasten unserer Kinder und Kindeskinder!
Wir müssen ja das weitere Wachstum sicherstellen, läßt Habeck verkünden. Und die fossile Energieindustrie feiert ihre Sonderkonjunktur!
Von einer Abwägung dieser konträren Zielsetzungen habe ich von den Grünen nichts konkretes gehört! Eine derartige, zur versprochenen Klimapolitik kontraproduktive Substitution hatte Habeck noch zwei Jahre zuvor ultimativ ausgeschlossen.
Darüberhinaus steht derzeit auch konsequenter Klimaschutz bei der Förderung und dem Transport von Erdgas hintenan! Manche Grüne nennen das übrigens „Realitätsanpassung“.
Ganz abgesehen von der Verlängerung der Laufzeiten der AKWs, die sich die Grünen womöglich auch noch abhandeln lassen - zwecks Machterhalt?
Ohne Zweifel wäre es pragmatischer und im Sinne der deutschen und europäischen Interessen gewesen, alles zu tun, um die Lieferung russischen Gases ohne Unterbrechung noch 2-3 Jahre sicherzustellen. In dieser Zeit hätten die deutschen bzw.. europäischen Klimapläne noch fokussierter umgesetzt werden können. Aber Habeck hatte dafür nicht mal ein Konzept, geschweige denn, dass er dafür nennenswerte Aktivitäten - außer wenig hilfreiche an Putin gerichtete Vorhaltungen - entwickelte! Diese Unterlassung wird ihm noch schwer auf die Füße fallen!
Dazu paßt auch die von Habeck signalisierte Kompromissbereitschaft in Richtung FDP-Lindner bei der Frage des Hinausschiebens des Termins für das Ende des Verbrennungsmotors. Und bei der von Lindner - wegen dessen Underperformer Wissing im Verkehrsministerium - zur Verschleierung von dessen Arbeitsverweigerung gewünschten Abkehr von sektoralen CO-2-Einsparungszielen im Klimaprogramm der Bundesregierung werden die Grünen möglicherweise auch noch einknicken!
Dass darüberhinaus die Nichtinbetriebnahme von Nordstream-2 ein strategischer Fehler war, begreifen die Grünen auch noch nicht. Hätte Nordstream-2 doch einen kriegsbedingten Ausfall der Gasdurchleitung durch die Ukraine und wartungsbedingte Ausfälle der Gaslieferung über Nordstream-1 abgesicherten können..
Und auch in der neuen schwarz-grünen Regierung in NRW zeichnet sich eine Abkehr von den engagierten grünen Zielen zur Bekämpfung des Klimawandels ab. Nur die Begründung ist eine andere: hier Rücksichtnahme auf CDU, dort Rücksichtnahme auf FDP, hier Machterhalt in der NRW-Regierung, dort Machterhalt in der Ampel-Koalition, darüber hinaus Russland bzw. Ukraine.
Dazu kommt eine völlige Umkehr bei moralischen Ansprüchen, militärischen Positionen sowie sozialen Auswirkungen bei der Frage, wie mit dem Ukraine-Konflikt umzugehen ist.
Das lässt sich kurz zusammenfassen in
- ein Bäh für russisches Gas! Koste es uns, was es wolle! Und sei es neben unserem Wohlstand und unserer leistungsfähigen Wirtschaft auch die grüne Klima- und Umweltpolitik. Und die wertegeleitete Außenpolitik (Habecks Bückling in Katar!).
- kräftiger Applaus für die Lieferung von noch immer mehr und noch immer schwereren Waffen in das Kriegsgebiet! Und koste es auch unsere Verteidigungsfähigkeit und unsere Moral, die plötzlich ins Gegenteil verkehrt wird: Friedenspolitik ist jetzt bäh, ein kräftiges hurra auf die Kriegspolitik!
- überholt geglaubte Privatisierung der Gewinne und Sozialisierung der Verluste als Reaktion auf die inflationäre Energiepreisentwicklung!
Gewissermaßen ein Salto Morale!
Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht verwunderlich, dass sich die Grünen bei der von unseren Leitmedien, unseren Talkshow-Moderatoren sowie den Protagonisten der CDU/CSU initiierten und fast täglich befeuerten Pro-Waffen-Anti-Scholz-Kampagne, anstatt sich zurückzuhalten bzw. dagegen zu halten, diese noch befeuerten und immer noch befeuern.
Das kürzlich verstorbene Urgestein und Gründungsmitglied der Grünen, Hans-Christian Ströbele, hat dazu bei seiner Partei ein besonnenes Vorgehen, mehr Nachdenklichkeit und eine weniger militaristische Sprache angemahnt. Das zögerliche Vorgehen von Kanzler Scholz bei der Lieferung schwerer Waffen hat er als richtig hervorgehoben, insbesondere auch vor dem Hintergrund der Attacken des grünen Waffentrommlers Hofreiter und anderer gegen Scholz. Letzteres auch noch im Chor mit der selbst ernannten Waffen-Jeanne-d'Arc der FDP Strack-Zimmermann sowie den CDU-Kriegstreibern Merz, Kiesewetter und Wadephul.
Durch schöne Habeck- und Baerbock-Worte ablenken vom Aufgeben der ursprünglichen Ziele der Energiewende. Ablenken vom Erkennen der Naivität, dass die Energiewende über Markt- und Demokratie-Mechanismen herbeiführbar wäre, ohne dass sich die fossilen Energie-Kapitalisten dagegen wehren würden, notfalls auch mit Gewalt. Und wenn es dann zu Gewalt kommt, wird deren Bekämpfung mit Gewalt absolute Priorität über die Klimapolitik eingeräumt!
Ähnliches zeichnet sich bei der überfälligen Agrarwende und dem Natur- und Artenschutz ab.
Dass die Grünen offensichtlich nicht verhindern können, dass in der neuen EU-Taxonomieverordnung auch Atom- und Gaswirtschaft als ökologisch nachhaltig, also klimafreundlich, gelabelt werden, zeigt deren zunehmende Bedeutungslosigkeit.
Womit wir schon bei der Wirtschaftspolitik wären:
Dass die Grünen sich bei der Diskussion der Gasumlage als offensichtlich als wirtschaftshörig geoutet haben, war für langjährige Beobachter der Grünen jetzt zwar nicht besonders überraschend, allerdings nur schwer mit dem letzten Wahlprogramm zu vereinbaren.
Was das EU-Handelsabkommen Ceta mit Kanada betrifft, sind die Grünen auch schon eingeknickt!
Wir erinnern uns: bei den Verhandlungen über die neuen Handelsabkommen wie z.B. auch Ceta wurden Wirtschaftsvertreter umfassend einbezogen, während Vertreter der Arbeitnehmer/Verbraucher/Umweltschutzinteressen nur am Rande unzureichend beteiligt wurden. Dementsprechend unbefriedigend sind die Ergebnisse.
Das war‘s wohl dann wohl mit dem Höhenflug der Grünen!
Was die bisherige, offensichtlich nicht mehr so wichtige Kernkompetenz der Grünen angeht lautet meine Hoffnung: Die um grüne Falschspieler - wie Luisa Neubauer - bereinigte Fridays-for-Future-Bewegung wird dieser klimaschädlichen Politik den Garaus machen. Die Grünen werden das an ihren künftigen Wahlergebnissen ablesen können.
Die Fehleinschätzung zu Nordstream: nein, diese Röhren wollen wir nicht!
Übrigens: Mit wohlfeilen Warnungen vor einem „Einknicken“ oder „Dagegensein“ löst man keine Probleme! Schon gar nicht Energie-Probleme!
Habecks irrer Galopp durch die Gasumlagen
Offensichtlich erleidet Deutschland jetzt großen Schaden insbesondere im Zuge der westlichen Energiesanktionen gegen Russland, obwohl sich Deutschland doch nicht an Sanktionen beteiligen wollte, die Deutschland mehr schaden als Russland. Dabei steht der Winter mit seinem hohen Energiebedarf noch bevor! Wo war bzw. ist also Habecks Konzept, um schnellstmöglich wieder russisches Gas in vereinbarter Menge durch Nord-Stream-1 fließen zu lassen?
Dieses Versäumnis wird Deutschland noch ruinieren!
Stattdessen hat Habeck vorrangig dafür gesorgt, dass die erhöhten Kosten - entgegen bisheriger Gesetze - direkt an die Verbraucher durchgereicht werden können, die zudem mit einer allgemeinen Gasumlage - vorwiegend zugunsten von Gasversorgern - belastet werden sollen. Und die bisherige Priorisierung - Privathaushalte vor Industrie - soll auch gelockert werden! Das heißt, der Ruin könnte wohl zuerst bei den ärmeren Verbrauchern landen!
Habeck macht es sich in dieser Frage zu einfach! Die von ihm vorhergesagte Zerreißprobe wird - zu Recht - kommen, wenn Habeck jetzt nicht sein oben genanntes Versäumnis der Sicherstellungen der Gaslieferungen aus Russland ausbügelt. Die angekündigte Lieferung der in Kanada überholten Gasturbine an Russland hätte ein erster Schritt in die richtige Richtung sein können, wenn er sich nur aktiv um Transport nach und Wiederinbetriebnahme in Russland gekümmert hätte und nicht weiterhin - kontraproduktiv - an seinen Narrativen „Putin spielt ein falsches Spiel“, „die deutschen Vorgängerregierungen haben eine falsche Energiepolitik betrieben“ und „die deutschen Unternehmen haben ein falsches Geschäftsmodell verfolgt“ entlang gehangelt hätte! Mit „Entlarvungen“ und Warnungen vor einem „Einknicken“ macht man allerdings keine erfolgreiche Politik!
Energiepreise - so einfach könnte es gehen
Zweitens: Kriegsgewinne zu 100% abschöpfen! Das ist in der Ausführung Lindners Verantwortung! Wer übrigens in der Lage ist, Kriegsverluste auszugleichen, dem sollte es doch auch möglich sein, Kriegsgewinne abzuschöpfen.
Drittens: Superreiche und Super-Verdiener an den Krisenkosten beteiligen! Das ist in der Ausführung Lindners Verantwortung!
Übrigens wären dann auch die Gasumlage einschließlich Umlagen für Regelung und Speicherung unnötig. Und Habeck könnte auch die sicherlich auch ihm mittlerweile dämmernde Erkenntnis, dass die Marktliberalisierung auf dem Energiemarkt gescheitert ist, noch eine Weile unbemerkt links liegen lassen.
Der Aufstieg der Bellizisten: Hofreiters Salto Morale
Es sollte doch mittlerweile in der deutschen Politik- und Medienlandschaft bekannt sein, dass der Wahrheitsgehalt der Aussagen des bisherigen ukrainischen Botschafters Melnyk mit Vorsicht zu genießen sind! Das ist vorsichtig, höflich und diplomatisch ausgedrückt - eine Ausdrucksweise, die Melnyk offensichtlich fremd ist.
Er, der ultimativ ein sofortiges Energieembargo gegen Russland forderte - einen dadurch verursachten Großschaden der deutschen Wirtschaft wollte er nicht erkennen -,
Ähnlich hatten einschlägige Kriegstreiber aus den USA noch vor Kriegsausbruch argumentiert:
- Wer keine Waffen liefert, ist für den Krieg!
- Wer Waffen liefert, ist gegen den Krieg und für den Frieden!
Bisher hatte ich Hofreiter für einen intelligenten und vernünftigen Politiker gehalten. Jetzt kommen mir große Zweifel!
Dass er den Marketing-Abteilungen von Rüstungsfirmen sowie dem ukrainischen Botschafter mehr Vertrauen entgegenbringt als seiner Ampelkoalition, zeugt von wenig Professionalität.
Gerne möchte man diesem Hofreiter zurufen: Lass die Emotion nicht die Vernunft vor dir her treiben, sondern wäg sorgfältig ab! Auch wenn das Abwägen etwas Zeit braucht!
Eine Lektion für unmoralische, selbst erklärte „Putin-Versteher“: auf der Suche nach einem neuen moralischen Kompass
Es ist unbestritten, dass Russland im Ukraine-Krieg jegliche Moral abgeht. Darüber wurde und wird in unseren Medien ja viel gesprochen.
Die andere Frage ist, welcher Moral wir und der Westen insgesamt folgen.
Dass im Zuge des Ukraine-Krieges von bestimmten Seiten eine Verschiebung der moralischen Ansprüche betrieben wird, ist offensichtlich. Das kann man mit Fug und Recht auch als Salto Morale bezeichnen.
Wenn den Waffentrommlern in Deutschland à la Merz, Kiesewetter, Wadephul, Röttgen, Strack-Zimmermann, Hofreiter, Lanz, Amann, Illner, Maischberger, Will und vielen anderen mehr die Argumente ausgehen, werden gerne Moral und Werte bemüht:
Aber ist diese - häufig mit moralinsaurer Miene, untermalt mit drastischen Bildern aus dem Kriegsgebiet wie anlässlich des ukrainischen Unabhängigkeitstages am 24.8.2022, quasi als Höhepunkt, von den Tagesthemen zelebrierte, vorgetragene - Argumentationsführung denn richtig? Insbesondere wenn wir uns aus der - eh schon aberwitzigen - Diskussion der Kriegssziele des Westens einmal eines der ursprünglich von den Amerikanern ausgegebenen Kriegsziele herauspicken: Russland so zu schwächen, dass es auf absehbare Zeit nicht mehr in der Lage ist, ein anderes Land zu überfallen bzw. wie es US-Verteidigungsminister Austin sagte: »Wir wollen sicherstellen, dass Russland seine Nachbarn nicht mehr bedrohen und herumschubsen kann«. Dem haben sich dann auch unsere Waffentrommler gerne angeschlossen.
Kleiner Exkurs: Und auf dieser Linie liegt, dass der US-Kongress den Lend-Lease-Act verabschiedet hat. Das erinnert stark an das Lend-Lease-Gesetz von 1941, welches es US-Präsident Franklin D. Roosevelt erlaubte, kriegswichtiges Material an das britische Empire, China, Russland und Griechenland zu liefern. Washington stellt nun 2022 die enorme Summe von 47 Milliarden US-Dollar zur Verfügung. Das entspricht einem Drittel des Bruttoinlandsproduktes der Ukraine vor dem Krieg. Das läuft auf nichts weniger hinaus als auf die Finanzierung eines totalen Krieges.
Ein solches Kriegsziel wäre - mal abgesehen von den resultierenden Verlusten des Westens - möglicherweise realistisch, wenn der Westen gegen Russland Krieg führen würde! Hier handelt es sich aber um einen Krieg Russlands gegen die Ukraine und der Westen erklärt klugerweise immer wieder, dass er mit allen Mitteln vermeiden will, in den Krieg im Sinne eines Weltkrieges hineingezogen zu werden. Also ist dieses Kriegsziel doch nur realistisch auf dem Boden der Ukraine zu erreichen. Also muss doch dieser Krieg solange ausgedehnt werden, so befeuert werden, bis dieses Ziel erreicht ist! Was anderes hat das zur Folge, als dass die Ukraine - in dieser Opferrolle - weitgehend zerstört und niedergemetzelt sein wird. Oder, wie es Noam Chomsky ausdrückte, „ der Krieg wird bis zum letzten Ukrainer geführt“. Und selbst Selensky hat mittlerweile erklärt: „Für die Rückeroberung aller Gebiete werden wir bis zum Schluss kämpfen!“ Was anderes heißt das, als dass selbst Selensky sich mittlerweile diese Opferrolle anzieht! Das wird auch für ihn nicht gut ausgehen!
Ist das die Moral, sind das die Werte, auf deren Basis wir Waffen in die Ukraine schicken?
Nein, davon müssen wir uns schleunigst distanzieren - und von diesen unsäglichen Waffentrommlern!
Zurück zu den Wurzeln: Hans-Christian Ströbele weist den Weg
„Bei jedem Krieg und bei jeder Kriegsbeteiligung, auch wenn es nur Waffenlieferungen sind: Bedenke das Ende. Man muss sehen: Was kann passieren, was riskiert man. Wir sind für jede Waffe, die wir liefern, verantwortlich.“
In diesem Sinne müssen sich die Grünen schleunigst wieder klar werden, für welche Politik, für welche Zielsetzungen sie jeweils wieder Verantwortung - und dann möglicherweise auch wieder auf Regierungsebene - übernehmen wollen.
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