Knallharte Konkurrenz unter Frauen im Job und der weibliche Kampf um Leitungsposten sind zwar so neu nicht, aber bisher weitgehend in der Grauzone weiblicher Identitäten geblieben. Vielmehr hält sich das Argument des weiblichen Urbedürfnisses nach Harmonie und der Fähigkeit, auch im erbittertsten Streit einen Ausgleich herstellen zu können, hartnäckig. Dennoch sind Frauen in hohen Ämtern nach wie vor selten vertreten. So sind 95 Prozent der Chefredakteurssessel mit Männern besetzt, unter 32 Richtern am Bundesarbeitsgericht findet sich eine Frau, 94 Prozent der Professorenschaft in den alten Bundesländern ist männlich, elf Prozent aller Stadtverwaltungen in den neuen werden von Frauen geführt.
Untersuchungen haben bewiesen, dass Frauen d
s Frauen die versierteren Managerinnen sind, in Führungspositionen besser lenken und leiten als Männer, und dass in Abteilungen, die von Frauen geführt werden, ein freundlicheres Arbeitsklima herrscht, was wiederum zu höherer Produktivität führt. Auch eine aktuelle Studie der Berliner Fachhochschule für Sozialarbeit bestätigt: Chefinnen und Leiterinnen holen bei der Personalwahl verstärkt Frauen mit »ins Boot«. Doch scheinen in solchen Strukturen die Rollen klar verteilt und die Hierarchien deutlich sichtbar zu sein. Von den Grabenkämpfen hinter den Kulissen berichten die Untersuchungen und Studien kaum. Das Thema »Frauen gegen Frauen« ist weitgehend tabuisiert.Konkurrieren Männer um einen Vorstandsposten, um den Parteivorsitz oder einen Ministersessel, wird das von der Öffentlichkeit gemeinhin als »gesund« und »normal« angesehen. Ringen Frauen um hohe Ämter und gut dotierte Stellen, wird sich daran gerieben. Frauen stehen unter weitaus stärkerer Beobachtung als ihre männlichen Kollegen. Egal was sie auch tun, meist wird es ihnen zum Nachteil ausgelegt. So kommentierte einst eine Berliner Tageszeitung das Verhältnis der beiden grünen Politikerinnen Renate Künast und Michaele Schreyer als »konkurrenzlastig« und »zerstritten«, weil sich auf einem Foto eine von der anderen abgewandt hatte.Auch wird den meisten Karrierefrauen - unabhängig von ihrer Qualifikation und ihren tatsächlichen Fähigkeiten - Unweiblichkeit und männliches Dominanzstreben nachgesagt. Oder sie gelten als hysterische, zeternde Weiber. Doch auch wenn Frauen, die es bis an die Spitze geschafft haben, zuweilen mit ungerechten Bewertungen zu kämpfen haben, darf nicht darüber hinweg gesehen werden, dass konkurrierende Frauen untereinander oftmals keineswegs fair miteinander umgehen. Ist eine bis nach oben gelangt, will sie sich diesen Erfolg nicht streitig machen lassen. Auch - oder schon gar - nicht von Frauen. War bisher das Feindbild klar, merken jetzt immer mehr Frauen, dass es egal zu sein scheint, ob sie gegen Männer oder gegen Frauen konkurrieren.»Gut geeignet« für offene weibliche Konkurrenzkämpfe scheinen die Medien- und Werbebranche sowie die Politik zu sein. Zumindest häufen sich hier die Klagen, dass sich Frauen durch Frauen »gemobbt« fühlen. Statistiken werden zwar nicht geführt, sagt Andreas Kühn von der IG Medien Berlin-Brandenburg. Aber Bereiche, in denen der intellektuelle Anspruch und das Karrierebewusstsein sehr stark ausgeprägt sind, seien geradezu prädestiniert für Ellenbogenkämpfe. »Darüber hinaus bleibt den Frauen, wollen sie in den noch immer männerdominierten Berufsgruppen bestehen, nichts anderes übrig, als männliche Verhaltensmuster zu übernehmen.«Weibliche »Mobbingformen« unterscheiden sich kaum von männlichen, besagt Kühns Erfahrung. Betroffene Frauen bestätigen dies. Und es geht weniger um »ehrliche« Konkurrenz ohne Nachteile für die beteiligten Frauen, auch nicht für die »Verliererinnen«. Nicht selten gleiten die Kontroversen in einen pubertär wirkenden Hennenkampf ab. Da wird getuschelt, gelästert und ausgestochen und mit Methoden gearbeitet, die Frauen in der Regel nicht zugeschrieben werden. Eine 30-jährige Rundfunkjournalistin bei einer öffentlich-rechtlichen Anstalt wird von ihrer Chefin für ihre offene und fröhliche Art kritisiert. »Wer lacht, kann nicht gut arbeiten«, so das Fazit der 52-jährigen leitenden Redakteurin, die keine Gelegenheit ausließ, um ihre »Untergebene« an den öffentlichen Pranger zu stellen. Der Lokalreporterin einer Berliner Tageszeitung werden von deren Vorgesetzter soviel Rechercheaufträge aufgebürdet, die objektiv in der vorgegebenen Zeit nicht zu bewältigen sind. Liegt ein schlecht geschriebener Artikel mit eingeschlichenen Tippfehlern vor, wird sie als »minderbemittelte Legasthenikerin« beschimpft. Eine Grafikerin einer süddeutschen Werbeagentur kritisiert wochenlang eine konkurrierende Designerin in der Firma, mitunter mit verbalen Äußerungen, die »unter die Gürtellinie« gehen. Die Mitarbeiterin einer Bundespolitikerin beginnt grundlos, in Sitzungen die Parteifrau bloßzustellen und Erfolge der gemeinsamen Arbeit sich allein zuzuschreiben. Das bewirkt vor allem Lob männlicher Kollegen, die mit ihrer starken Amtsgenossin ohnehin Probleme hatten.Die Mobbingursachen sind vielfältig. Einige Frauen führen Krieg, um die eigenen Unzulänglichkeiten zu vertuschen, wie Andreas Kühn sagt. Andere haben Angst vor dem Jobverlust und »liebedienern nach oben und treten nach unten«, so die Politikerin Christina Schenk. Die gleichstellungspolitische Sprecherin der PDS-Bundestagsfraktion hat in mehreren Legislaturperioden die Spielarten weiblicher Gemeinheiten kennen gelernt. Das beginne bei »ungerechtfertigter Kritik«, wie Schenk es formuliert, und ende bei offen geführten Auseinandersetzungen um nichtige Dinge. Und viele Chefinnen, schreiben die beiden Amerikanerinnen Jill Barber und Rita Watson in ihrem Buch Frau gegen Frau, fühlen sich von Aufsteigerinnen bedroht. Die Älteren treibe die Angst, von den Jüngeren »ausgebootet« und »ausgestochen« zu werden, wenn sie auch nur einen Bruchteil ihrer Macht abgeben. Sie versuchten, die Jüngeren »im Zaum zu halten, indem sie sie im Dunkeln tappen lassen und sich weigern, ihnen Verantwortung abzugeben«. Besorgniserregend sei, so Rechtsberater Kühn, dass die Schamgrenzen zum Drangsalieren immer weiter fallen. Freiwillige Rückzüge und Kündigungen von Festanstellungen sind inzwischen nicht mehr selten, bestätigt auch der Deutsche Journalistenverband.Die »Hennenkämpfe« zwischen den »Großmüttern der Frauenbewegung« und den Töchtern, die sich nicht mehr vordergründig diskriminiert fühlen und vom Feminismus nichts wissen wollen, sind in der jüngsten Vergangenheit vielfach debattiert worden. Dass die verschiedenen Generationen beginnen, regelrecht gegeneinander zu kämpfen, ist in den Diskursen jedoch bislang unbeachtet geblieben. Auffallend an den neuen weiblichen Auseinandersetzungen ist, dass verstärkt Frauen, die früher in sogenannten Frauenzusammenhängen engagiert waren, gegen das eigene Geschlecht arbeiten. Die meisten sind heute zwischen 40 und 50 Jahre alt, haben ihr Privatleben der Karriere geopfert, leben meist allein und haben keine Kinder. »In diesem Alter und in diesen Lebenssituationen empfinden viele ihr Privatleben als leer und fragen sich, ob sich der Kampf gelohnt hat«, sagt die Hamburger Psychologin Annemarie Szudra. »Die verschiedenen weiblichen Lebensentwürfe geraten miteinander in Konkurrenz und spalten die Frauen in Untergruppen, wie zum Beispiel alleinstehende Frauen, kinderlose Frauen und Mütter«, schreibt die Frauenforscherin Christa Flohr-Stein in ihrem Dossier »Freundin - Konkurrentin!?«.Darüber hinaus fehle eine weibliche Streitkultur, beklagt Flohr-Stein. Sobald eine Frau erfolgreich ist oder hart an ihrer Karriere bastelt, habe sie sich zum einen gegen den Neid (anderer Frauen) zu behaupten und sei zum anderen den Angriffen von Teilen der Frauenbewegung ausgesetzt. Die Frauenforscherin und Publizistin Anja Meulenbelt sieht noch einen weiteren Fakt: Ausgehend von der feministischen Ideologie der Gleichheit zwischen den Frauen streben viele Frauen dort, wo die Gleichheit nicht erreicht wird, danach, diese zu erzwingen. Auch um Frauen zu bestrafen, wenn sie auf welche Art auch immer »ausscheren« und ihren eigenen Weg gehen.»Solidarität unter Frauen wird schwieriger, wenn sie von Ungleichheiten ausgehen muss«, sagt die Hamburger Wirtschaftswissenschaftlerin Sibylle Rasch. Nach Aussage der Professorin hätten ledige Frauen im Beruf mehr Gemeinsamkeiten mit Männern als mit verheirateten Geschlechtsgenossinnen, die Kinder erziehen.Wollen Frauen die gleichen Chancen und Posten wie Männer haben, müssten sie, so Rasch, wie diese arbeiten und leben: Vollzeit, ununterbrochen und ohne Brüche, kinder- und familienlos. Doch während weibliche Führungskräfte einer Untersuchung der Wirtschaftszeitschrift Capital von 1995 zufolge zu 62 Prozent auf Nachwuchs und Familie verzichten, müssen das nur 16 Prozent der Männer tun. Sie haben Rückhalt durch ihre Frauen zu Hause. Aber wenn sich Frauen auf das männliche Lebensmodell einlassen, übernehmen sie automatisch und schnell den Blickwinkel von Männern, erklärt die amerikanische Soziologin Arlie Russel Hochschild in ihrer Studie »Der Zeitzwang«.Auch Sibyll Klotz, neben Wolfgang Wieland Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen im Berliner Abgeordnetenhaus, hat weibliche Konkurrenz zu spüren bekommen. Doch wie diese genau aussieht, will sie nicht verraten. Wie übrigens kaum eine der betroffenen Politikerinnen. Auch die Medienfrauen sind stets darauf bedacht, dass sie unerkannt bleiben, wenn sie ihr »privates« Problem weitertragen. Die Folge des Öffentlichmachens ist meist ein dreifach stärkerer Bumerang. »Namen gebe ich nicht preis«, gibt sich Klotz solidarisch. Die 39-Jährige glaubt, dass sich konkurrierende Frauen fairer zeigen als Männer. »Weil Frauen ihr Verhalten intensiver und besser reflektieren.« Das würden sie zwar nicht öffentlich tun, aber sie fragten sich ständig: »Was passiert mit mir, was mit der anderen, was mit uns beiden?«Christina Schenk hingegen war nie eine Anhängerin der These des überbordenden weiblichen Verbundenheitsgefühls. »Solidarität unter Frauen ist meist schwächer als unter Männern. Weil Frauen immer um die Gunst der Männer buhlen, die die Posten vergeben«, so die parteilose Politikerin. Und nicht zufällig gelten die Frauen, die es bis an die PDS-Spitze geschafft haben, als angepasst, leicht lenkbar und ohne Biss. »Die wahren Strippenzieher sind nach wie vor Männer«, ist sich Schenk daher sicher. »Bisher wurde stets verhindert, dass starke Frauen nach oben kommen.« Mit Gabi Zimmer, der jetzigen Parteivorsitzenden, keimt die Hoffnung auf Veränderung auf. »Sie lässt sich nicht verbiegen und wird Paroli bieten«, glaubt Schenk.In der PDS wie bei den Bündnisgrünen dringt das Gerangel um hohe Posten, die Frauen für sich beanspruchen, stärker als in anderen Parteien an die Öffentlichkeit. Unter anderem deshalb, weil diese Parteien einen höheren Emanzipationsanspruch für sich verbuchen als CDU, SPD und FDP, und daher auch mit stärkerer weiblicher Gegenwehr rechnen müssen. Andererseits haben Grüne und PDS einen höheren Frauenanteil zu verzeichnen, der eine stärkere weibliche Präsenz nach sich zieht. Und dass diese Frauen um wenige Posten miteinander ringen, ergibt sich daraus zwangsläufig. Nur muss dieses Phänomen endlich in die öffentliche Debatte gebracht werden, sind sich Politikerinnen einig. Dadurch werde Fairness gefördert und nicht unterdrückt. Dieses Argument unterstützt auch Christa Flohr-Stein: »Mit dem Aufbruch des Tabu-Themas wird die Solidarität unter Frauen nicht mehr behindert werden«.
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