International Yemeni Film & Art Festival

Jemen Der Krieg im Jemen tobt seit mehr als einem Jahr. Das trotzdem eine aktive Zivilgesellschaft besteht zeigt das diesjährige "International Yemeni Film & Art Festival"

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International Yemeni Film and Art Festival

Im Jemen tobt seit mehr als einem Jahr ein Bürgerkrieg-mit internationaler Beteiligung: Eine Koalition unter der Führung Saudi-Arabiens fliegt Luftangriffe gegen die Huthi-Rebellen, diese wiederum werden durch den Iran unterstützt. Die Lage der jemenitischen Bevölkerung verschlechtert sich fortlaufend. Mittlerweile sind um die 6000 Menschen dem Konflikt zum Opfer gefallen, fast 80% der Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen und annähernd 3 Millionen befinden sich innerhalb des Landes auf der Flucht, weitgehend unbeachtet vor dem Hintergrund der weltweit riesigen Fluchtbewegungen. Einen kleinen Lichtblick gibt die letztes Wochenende abgehaltene zweite Runde der von den UN initiierten Friedensgespräche, in denen sich die verfeindeten Parteien der Huthi und des Präsidenten Hadi, erstmals persönlich gegenüber saßen. Das Ziel ein landesweiten Waffenstillstandes könnte sich jedoch als schwierig erweisen, da an den Kämpfen weit mehr als die beiden genannten Parteien beteiligt sind. Allen voran Al-Quaida und der IS, welche wenig Interesse an einer Befriedung des Jemens haben werden.

Das im Jemen trotz des anhaltenden Krieges eine Zivilgesellschaft besteht, die mit Kultur und Kunst versucht die tiefen Risse zwischen den verfeindeten Bevölkerungsgruppen zu schließen und sich für ein geeintes, progressives Jemen einsetzt, geht in der bundesdeutschen sowie internationalen Berichterstattung fast vollends unter.

Genau in diese Kerbe schlägt „The Yemen Peace Project“ (YPP), eine 2010 in den USA gegründete Initiative, mit dem Ziel die Beteiligung der USA und anderen ausländischen Kräften an dem Konflikt offenzulegen und anzuprangern, sowie neue Kanäle zwischen der jemenitischen Bevölkerung und der internationalen Gemeinschaft zu schaffen. Mit Forschung, Analyse und einem ständigen Nachrichtenblog versucht die Organisation eine stetige Berichterstattung zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund organisiert die Initiative dieses Jahr zum zweiten Mal das „International Yemeni Film & Art Festival“, um einerseits jemenitischen Künstlern die Möglichkeit zu geben ihre Produktionen überhaupt zu zeigen, andererseits um einer breiten internationalen Öffentlichkeit durch Film und Kunst den Jemen und seine Menschen näher zu bringen und Austausch zu fördern. Neben Stationen in Washington, D.C. und New York wurden Filmvorstellungen und Diskussionsrunden in Marburg, Leipzig und Berlin organisiert, unterstützt durch die Deutsch-jemenitische Gesellschaft (DJG) und der Friedrich-Ebert-Stiftung.

In Leipzig beginnt der erste Abend des Festivals mit dem Film „ I Am Nojoom, Age 10 and Divorced“ von der Regisseurin Khadija Al-Salami. Sie selbst stellt sich im weiteren Verlauf des Abends zusammen mit dem Executive Director des YPP William Picard den Fragen der Zuschauer.

Al-Salami gilt als die erste weibliche Regisseurin Jemens. Inhaltlicher Schwerpunkt ihrer Produktionen ist das Leben der Frauen in der muslimisch geprägten Welt und deren Kampf für Gleichberechtigung und Emanzipation. Im Mittelpunkt des Films „ I Am Nojoom, Age 10 and Divorced“ steht das Thema der Zwangsverheiratung, veranschaulicht am Fall des Mädchen Nojoom, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Wie im Titel schon deutlich wird gelang es ihr als Zehnjährige ihre Scheidung mit Hilfe des Gerichts zu vollziehen, was einen absoluten Präzedenzfall im Jemen darstellte, welcher in Folge weitere Mädchen dazu motivierte es ihr gleich zu tun. Die Verfilmung ihrer Geschichte durch Al-Salami trug zu einer immensen Verbreitung bei, auch wenn es ihr selbst gar nicht möglich war den Film im Jemen legal zu zeigen. Nachdem jedoch das gesamte Material des Films gehacked wurde, gelang die Verbreitung zu einem Selbstläufer. Später in der Diskussionsrunde sagt Al-Salami dazu, dass einige bestimmt viel Geld damit verdient haben, der Film so allerdings die gewünschte Öffentlichkeit finden konnte. Weitergehend stellt der beschriebene Fall eine Art Katalysator für die Frauenbewegung im Jemen dar, welcher zu Protesten und Demonstrationen führte, die im direkten Zusammenhang mit den Aufständen zu Beginn des Jahres 2011 stehen.

Auch der zweite an diesem Abend vorgestellte Film stammt von einer weiblichen Regisseurin. Sara Ishaq, mit schottisch-jemenitischen Wurzeln, reiste Anfang 2011 zu ihrer Familie in den Jemen und findet, entgegen ihrer Erwartungen, eine zunehmend chaotische Situation vor. Sie beginnt die Geschehnisse mit ihrer Kamera festzuhalten und gibt durch ihre Dokumentation einen sehr persönlichen Einblick in ein Land im Ausnahmezustand.

Während der Veranstaltung wird deutlich wie schwierig die Bedingungen für Regisseure und Künstler sowie für NGO´s wie das YPP vor Ort sind. Al-Salami berichtet, dass die Dreharbeiten und generell die Arbeit der noch aktiven Künstler ständigen Repressalien durch die Behörden ausgesetzt sind, und das Drohungen durch terroristische Gruppen wie Al-Quaida und den IS zur Tagesordnung gehören. Deutlich wird dies, als mir William Picard am Rande der Veranstaltung erklärt, dass das letzte Hotel in dem sie für ihre lokale Arbeit residiert haben, von Raketen mittlerweile vollkommen zerstört wurde.

Wie groß die Zerstörung und das Leid in der aktuellen Lage ist, zeigen die Kurzfilme, welche das Programm am zweiten Tag der Veranstaltung füllen. Sie zeigen das volle Ausmaß der Situation in den großen Städten wie Sanaa und Aden anhand von persönlichen Schicksalen, der Arbeit von Graffiti-Künstlern oder dem alltäglichen Leben von zwei kleinen jemenitischen Brüdern, die trotz der unhaltbaren Lage, ihre Leidenschaft für das Filmen nicht aufgeben wollen. Die meisten der Filme stammen von Abdurahman Hussain aka. „Afro“, welcher vor 4 Monaten das letzte Mal in sein Heimatland reiste. Auch er ist nach Leipzig gekommen, um über seine Arbeit und die Lage vor Ort zu berichten. Viel Zuversicht kann er nicht verbreiten, da mittlerweile in jeder Familie Opfer zu beklagen sind und teilweise die eigenen Nachbarn für den Tod von Angehörigen einst befreundeter Familien verantwortlich sind. Somit zeigt sich, dass es längst kein reiner Stellvertreterkrieg mehr ist, sondern das tiefe Wunden in das gesellschaftliche Gefüge des Jemens geschlagen wurden, welche sich nach Einschätzung der Anwesenden nicht allzu schnell schließen lassen.

Den Abschluss des Festivals übernimmt die im Jemen durchaus berühmte Musikerin Methal al-Hammadi mit einer kleinen Auswahl ihrer Songs, die zwar eher von melancholischer Stimmung zeugen, was sich im Angesicht der Lage wohl kaum verübeln lässt.

Trotz der in vielerlei Hinsicht schlechten Aussichten ist die Stimmung beim anschließenden Buffet relativ ausgelassen, da beim diesjährigen Festival ein weit aus größeres Interesse, als beim vergangenen vorhanden war und die, wenn auch kleinen, Kinosäle bis zum Rand gefüllt waren. Ein weiterer Schritt nach vorne wird mit der Ausrichtung des Festivals im Jemen, noch in diesem Jahr geplant. Ziel ist es das Festival diesen Mai nach Sanaa und Aden zu bringen, allein die Sicherheitslage erlaubt keine absolute terminliche Festlegung. Es bleibt zu hoffen das die Lage es zulässt und in den folgenden Jahren noch weitere, möglicherweise größere Festivals veranstaltet werden können, um den konstruktiven und friedlichen Dialog zu fördern und wenigstens ein leichtes Gegengewicht zum kontraproduktiven Engagement der westlichen Regierungen, welches sich hauptsächlich durch Waffenlieferungen auszeichnet, bilden zu können.

Hinweise: http://www.yemenpeaceproject.org/

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