Too big to fail?

Autolobby Der Neoliberalismus hält sich nicht mal an seine eigenen Versprechen

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In einem ist sich Deutschland in der aktuellen Lage sicher: Es steckt in einer Krise. Eine Pandemie, bei der Menschenleben in Gefahr sind? Nein, noch schlimmer, es ist unsere Wirtschaft in Gefahr. „Autoprämien jetzt oder es wird Konsequenzen haben“, fordert nicht nur die Autoindustrie, sondern auch die Länder mit großen Standorten eben dieser. Nun auf der einen Seite Geld vom Staat zu verlangen, während auf der anderen Seite weiterhin fröhlich Dividenden und Boni an Aktionäre und Manager ausgeschüttet werden, würde der Volksmund, wenn es sich nicht um Firmen handelte, als Sozialhilfebetrug bezeichnen, - aber hier wird eben nach anderen Regeln gespielt.

Durch Kurzarbeit und ähnliche Subventionen zahlt unser Staat seit Wochen für die Arbeitsleistung seiner Bürger. So nah war Deutschland der Vergesellschaftung von Produktion lange nicht, da sollte die aktuelle Wirtschaftslage doch eigentlich ein Traum der politischen Linken sein - oder nicht? Natürlich wäre es aus linker Perspektive wünschenswert, wenn nicht nur die Kosten der Arbeit, sondern auch ihre Gewinne vergesellschaftet werden würden, stattdessen soll dann hier die Grenze gezogen werden. Eingriffe in die freie Marktwirtschaft werden eben nur geduldet, wenn Geld rein kommt. Nun gut, dann konzentriert sich der Reichtum eben staatlich gefördert weiter an der Spitze. Das liberale Wirtschaftsdogma hieß schon immer: Geht es den Firmen gut, dann geht es den Arbeitenden gut. Trickle-down economics auf Englisch. Weiß heute zwar eigentlich jeder, dass Wohlstandsverteilung so nicht funktioniert, aber in Zeiten der Krise flüchtet man sich zur Not eben auch in Illusionen.

Aber zurück zu den Autos, Deutschlands Gut Nummer Eins. Oder Deutschlands einziges Gut, wenn es nach der Autoindustrie geht. Das wortwörtlich jeder andere Wirtschaftszweig mindestens genauso schlimm, wenn nicht sogar schlimmer betroffen ist, wird geflissentlich ignoriert. Deutschland braucht eben seine Autoindustrie um seinen Wohlstand zu sichern, deswegen wird diese auch gerettet, komme was da wolle. Dieselgate, Abgasskandale oder ein schlichter Mangel an Adaptionsfähigkeit was die Wünsche der Verbraucher in Sachen E-Autos angeht, alles egal, die Autos sollen gerettet werden. Selbst wenn die Kosten dieser Rettung in jeder Kosten-/Nutzenrechnung eines Betriebes als „unwirtschaftlich“ abgetan werden würden, Deutschland will auf seine Autos nicht verzichten. Too big to fail eben - auch diesen Begriff meine ich schon einmal in Zeiten von Liquiditätskrisen gehört zu haben.

'“Aber sollen wir sie denn pleite gehen lassen? Man denke doch an die Arbeitsplätze!“, höre ich schon die Wirtschaftstreuen. Leider können wir das wirklich nicht. Aber es gibt einen Unterschied, ob der Staat angebracht mit den Geldern der Bürger umgeht oder sich von der Privatwirtschaft melken lässt. Man muss verstehen, dass diese Betriebe selbst aus liberaler Perspektive versagt haben. Dazu ein kurzer Exkurs: Laut liberalem Wirtschaftsverständnis wird der erwirtschaftete Profit als der Anteil des Arbeitgebers verstanden, der dem Arbeitnehmer, welcher diesen erwirtschaftet hat vorenthalten wird, da der Geber alle Risiken trägt. Einfacher gesagt: Ein Arbeiter generiert Wert mit seiner Arbeit, erhält aber nur einen Teil von diesem Wert, der Rest geht an den Chef, weil er alle Risiken trägt – Risiken wie z.B. während Durststrecken des Marktes seinen Arbeitern weiterhin Lohn zu zahlen. Dass Konzerne dem Staat indirekt mit der Arbeitslosigkeit ihrer Angestellten drohen können, untergräbt dieses System.

Dass also in jeder Krise das Risiko dann wieder auf die Arbeiter ausgelagert wird, ist nicht nur eine Unverschämtheit, es ist eine Fehlhandlung innerhalb des Systems. Aber so lange die Spielregeln des Marktes solches Verhalten zulassen, so lange die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden, so lange wird auch in der nächsten Krise das Management am längeren Hebel sitzen. Wenn also das nächste Mal um Kommastellen bei dem Haushalt für Kultur, Soziales oder Bildung gefeilscht wird, erinnere man sich: Väterchen Staat spart hier schon für unsere nächste Krise, wenn es wieder heißt: 'die arme Wirtschaft muss gerettet werden'.

Dieser Text ist von Felix. Er ist 23 Jahre alt und studiert Social Sciences.

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