Bloß nicht auf Diskurs und Ästhetik reduzieren lassen. Black Swan DAO will mehr, und zwar die Kunstwelt „anfressen“, oder besser gesagt: anzapfen, also Ressourcen von etablierten Institutionen in die Hände von Kulturschaffenden umleiten. Wie das? Zum Beispiel mit Blockchains. Das ist eventuell gefährlich …
der Freitag: Was ist die Idee hinter Black Swan?
Black Swan: Black Swan ist eine experimentelle digitale Organisation. Sie verfolgt das Ziel, die Kunstwelt anzufressen, indem sie Ressourcen von etablierten Institutionen in die Hände von Kulturschaffenden umleitet. Aufgesetzt wird das Projekt bei Trust in Berlin, einem interdisziplinären Forschungs- und Entwicklungslabor für Künstler, Designer, Technologen und Ökologen. Bei Black Swan werden alle Entscheidungen von den Mitgliedern getroffen, den Kulturschaffenden, die innerhalb der bestehenden Kunstinfrastruktur in der Regel durch das Raster fallen. Die Fördermittel steuern stille Beteiligte bei, Kunstinstitutionen, Galerien, Museen und Fördereinrichtungen, ohne jedoch beeinflussen zu können, wie diese Mittel genutzt werden. Wir wollen die Idee des atomisierten, individuellen Künstlers überwinden. Wir widmen uns der Frage, wie wir projektübergreifende Zusammenarbeit und gemeinschaftliche Besitzverhältnisse fördern können.
Woher kommt der Begriff des schwarzen Schwans?
Black Swan DAO ist eine Idee, die die Künstlerin und visuelle Theoretikerin Penny Rafferty im Gespräch mit vielen Beteiligten entwickelt hat, unter anderem mit der Kuratorin Cathrin Mayer, mit uns und mit Paul Seidler und Max Hampshire, zwei Künstlern, die mit Blockchain-Verfahren arbeiten. Gemeinsam haben wir begonnen, auf Blockchain-Prinzipien-basierte dezentrale autonome Organisationen, sogenannte DAOs, zu entwickeln, um Ressourcen von etablierten Institutionen abzuschöpfen und sie in die Hände von Künstlergruppen umzuleiten. Penny übernahm in der Folge eine eher vermittelnde Rolle als eine der Gründerinnen des Artworld DAO Thinktank. Dabei handelt es sich um eine Struktur, die sie gemeinsam mit Ruth Catlow aufbaut und die vom Serpentine Galleries R&D Lab und dem Goethe-Institut in London getragen wird. Sie luden Kunstorganisationen in Johannesburg, Minsk, Singapur, Athen, Hongkong und Seoul sowie Trust und Black Swan in Berlin ein, um eine dezentralisierte autonome Organisation zur Förderung ortsübergreifender Zusammenarbeit zu gründen.
Was soll konkret dabei herauskommen – eine Ausstellung, eine Performance, ein Projekt?
Bei Black Swan wird es wahrscheinlich nie darum gehen, eine Kunstausstellung im traditionellen Sinne zu finanzieren, sondern eher um die Unterstützung von Projekten, für die es derzeit keine Fördermittel gibt. Die zeitgenössische Kunst ist zu einer Verwertungsmaschinerie geworden, die radikale Vorschläge auf bloßen Diskurs reduziert. Allerdings scheint auf institutioneller Ebene das Bewusstsein dafür zu wachsen, dass eine Kunst, die sich allein der neoliberalen Verwertungslogik unterwirft, scheitert. Black Swan will Organisationen aufbauen, die lokale Kunstszenen stärken und Forschung und Entwicklung finanzieren. Ziel ist es, neue Generationen kreativ Schaffender zu fördern und alternative institutionelle Formen zu erfinden und schließlich dadurch neu zu definieren, was Kunst ist. Der entscheidende Schritt besteht darin, Kunstinstitutionen und deren Verwertungslogik neu zu denken und prekäre Arbeitsverhältnisse zu überwinden.
Die Post-Internet-Kunst startete mit sehr interessanten webbasierten Projekten und endete mit glitzernden Objekten für den Kunstmarkt …
Unser Fokus auf Infrastruktur verhindert ganz klar jede Reduktion auf glitzernde Objekte. Das ist einfach nicht sexy. Bei der Post-Internet-Kunst ging es zwar darum, mit Web 2.0 zu experimentieren, aber die Plattformen selbst wurden nicht gründlich überdacht. Unsere Beschäftigung mit der Infrastruktur gleicht eher der früheren Netzkunst. Unser Ansatz hat viel mehr mit JODIs Hacker-Experimenten zu tun. Gefährlich wird es nur, wenn sich Black Swan auf bloßen Diskurs und Ästhetik reduzieren lässt.
Zum Projekt
Black Swan DAO ist ein digitales Open-Source-Projekt. Seine Gründer Laura Lotti, Penny Rafferty, Paul Seidler, Max Hampshire, Cathrin Mayer und Calum Bowden wollen die Prekarisierung von Kulturarbeit mit einer experimentellen Kunst- Infrastruktur bekämpfen
Wie vermeidet ihr, in einer geschlossenen Gemeinschaft zu enden, die allein den Mitgliedern Vorteile bietet?
Black Swan ist nicht als eine allumfassende Organisation gedacht, sondern als Ökologie vieler Gemeinschaften, die die gleichen Open-Source-Verfahren verwenden. Es geht uns um eine modulare Organisation, in der es verschiedenen Gruppen freisteht, ihren eigenen Black Swan mit den von uns gemeinsam genutzten Werkzeugen und Ressourcen umzusetzen.
Die Blockchain bietet dafür eine noch neue und fragile Infrastruktur. Wir sind uns der Risiken dieser neuen Technologie sehr wohl bewusst. Deshalb überlegen wir, wie wir die von Blockchain bereitgestellten Organisationsmuster nutzen können, ohne sie notwendigerweise technisch zu implementieren. Das ganze Feld ist noch sehr experimentell. Welche möglichen Fehlanreize eine auf Blockketten basierende Struktur mit sich bringen kann, ist noch kaum erforscht. Deshalb besteht durchaus die reale Gefahr, am Ende alte Hierarchien zu reproduzieren.
Was genau soll während des Gallery Weekends, der Art Week geschehen?
Während der Kunstwoche führen wir eine Rollenspielübung durch. Wir laden Leute ein, als verschiedene Interessenvertreter innerhalb eines Black Swan aufzutreten, um uns dabei zu helfen, einige der offenen Fragen durchzuspielen. Wir wollen sehen, was passiert, wenn wir die Leute aus den Kunstinstitutionen auf die eine Seite und die kreativen Praktiker auf die andere Seite stellen. Wie funktionieren die Abstimmungsmechanismen? Welche Organisationsmuster entstehen? Wie können wir Zusammenarbeit anregen?
Kann man sich das wie ein LARP (Live Action Role Playing) oder wie eine agiles Szenario vorstellen?
Wir würden es nicht als LARP bezeichnen, auch wenn wir sehr stark an diese Tradition anknüpfen. Es handelt sich eher um eine hybride Übung, zwischen Szenario und spekulativem Design.
Im Grunde genommen wird also eine Art von Organisationslabor aufgesetzt.
Ja, genau. In der Kunstwoche beginnt die Black-Swan-Arbeitsgruppe bei Trust damit, gemeinsam zu recherchieren und das Design einer dezentralisierten Förderorganisation zu entwickeln.
Diskussion und Gespräch, Projektraum Trust, Kluckstraße 25, 10785 Berlin, 12. 09., 14 – 17 Uhr, in englischer Sprache
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