Während die Endeavour tagelang den Globus umkreiste, um dreidimensionale Landkarten zu erstellen, stieg den Menschen in Mosambik das Wasser bis zum Hals. Und höher. Auswärtigem Amt und Entwicklungshilfeministerium war bekannt, dass die Katastrophe kommen würde; sie kennen das Armenhaus im Süden Afrikas auch gut genug, um zu wissen, dass es bei einer solchen Naturkatastrophe völlig auf ausländische Hilfe angewiesen ist. Zuständig für humanitäre Katastrophenhilfe ist das Auswärtige Amt. Joseph Fischer, sehr darauf bedacht, die Bundeswehr als Teil einer Weltpolizei zu profilieren, hat für Feuerwehreinsätze weniger übrig. Das Problem, Transportflugzeuge für Hubschrauber zu finden, wurde nicht kollegial und rasch unter befreundeten Staaten gelöst.
Während in Mosambik kostbare Zeit verging, blieben die Augen der Welt, die Fernsehkameras, bis zum Ende des Endeavourfluges am 23. Februar ins Weltall gerichtet. Am Tag der sicheren Landung des Raumschiffs erreichte dann auch der Hilferuf von Mosambiks Präsident Joaqim Chissano als Meldung die Medien. Aber erst als sich Michelle Quintaglie vom Welternährungsprogramm (WFP) in Nairobi ein Flugzeug mit Journalisten volllud und ihnen die Katastrophe in Mosambik vor Augen führte, entstand Handlungsdruck für die Politik.
So wie in den Alien-Filmen mit Sigourney Weaver stets die High-Tech-Welt mit Kulissen wechselt, die an die Anfänge der Montanindustrie erinnern, so sah der Fernsehzuschauer jetzt nach steriler High-Tech-Alleskönnerei wieder die unabänderliche Abhängigkeit der Kreatur Mensch von der Natur - diesmal eine stetig steigende, stinkende braune Brühe, vor der sich Menschen in Baumwipfel zu retten versuchten.
In den Alien-Filmen verstärkt die Disparität den Eindruck von Allmacht der "naturgesetzlichen" Urkräfte des Bösen. Die Konzeption des Film-Alien stammt von Satanisten. Sie glauben nicht nur an den Sieg "Satans", sondern sie wollen den Triumph des Bösen, betreiben einen Todeskult. Ihn setzen die Alienfilme in Szene. - Man denkt an Hans Magnus Enzensberger, der während des Golfkriegs die Behauptung aufstellte, die Nazis und ihr Volk hätten nicht nur ihre Feinde vernichten wollen, sondern sich auch selbst in diesem Kampfinferno töten wollen. "Es siege der Untergang, das Böse" - so wären die Alien-Filme und Enzensbergers Diktum auf einen Nenner zu bringen.
Zwei weitere Nachrichten, ebenfalls vom 23. Februar: US-Forscher stellten fest, dass sich das Klima sehr viel schneller erwärmt als vor Jahren vermutet, und dass der Mensch eine der Ursachen ist. Die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung und das Worldwatch Institute erklärten auf einer Pressekonferenz, bevölkerungspolitische Maßnahmen in Entwicklungsländern müssten dringend verstärkt werden, da der dortige Pro-Kopf-Energieverbrauch das globale Klima bedrohe.
Das Nebeneinander von Klimaprognosen, Endeavour und Hochwasserkatastrophe konfrontiert mit der Frage, ob Freuds Todestrieb in unserer heutigen Kultur nicht wirkmächtiger ist, als man das wahrzunehmen gewillt ist. Die Globalisierung, der auf losgelöste Teile fokussierte, reduktionistische Blick der westlichen Wissenschaft und die Technik nähren partiell den Wahn, Herr über die Natur zu sein. Aber das Wissen um die wahrscheinliche Rache des archaischen Widerparts kann nicht unterdrückt werden. Katastrophen wie jetzt in Mosambik nehmen an Zahl und Stärke zu. Mehrere Faktoren sind Ursache für Klimaveränderungen. Den Ausbruch des Pinatubo kann der Mensch nicht verhindern, wohl aber das Bombardieren von Ölquellen und den CO2-Ausstoß von Automobilen, Kohlekraftwerken etc. Das Konzept der solaren Weltwirtschaft, das Hermann Scheer vertritt, würde die Häufigkeit solcher Natur(?)katastrophen wie jetzt in Mosambik erheblich verringern.
Solare Energie, nationale Nachhaltigkeitsstrategien, ökofeministische Konzepte - das sind, übertragen auf die Filmwelt, lauter Mitstreiter von Sigourney Weaver im Kampf gegen das Prinzip der Zerstörung, das plötzlich in der eigenen Lebenswelt allgewaltig aufgetaucht ist. Das Elend in Mosambik konfrontiert mit der Frage, ob der Mensch mit der derzeitigen naturüberheblichen Zivilisation überleben kann. Ist der Mensch Alien, das den Untergang wollende Böse, wie es Enzensberger für die NS-Zeit diagnostizierte, oder ist er nur "nichtgescheiter Parasit" (Friedrich Schmidt-Bleek), der mit Hilfe von intelligenten Maschinen seine technische Kraft vervielfacht hat, damit aber seinen Wirt zerstört?
Der Konflikt ist so archaisch wie die menschliche Psyche, und schon werden wieder archaische Forderungen laut. Kein Gedanke daran, dass jeder Mensch dasselbe Recht auf Naturnutzung hat. Sondern diejenigen, die pro Kopf am wenigsten verbrauchen, werden zur drohenden Ursache erklärt. Diesmal geht es nicht um "Lebensraum", sondern um Verbrauchsrechte, aber der Anspruch ist gleich: Eine "Rasse" oder eine "Zivilisation" setzt sich absolut. Während die Opfer der wesentlich vom Norden verursachten Klimaveränderungen in Baumwipfeln ums Überleben kämpfen, schaffen das Worldwatch Institute und die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung neue Feindbilder: Absolute Zahlen verschweigend, manipulieren sie öffentliche Meinung mit Steigerungsraten und entwerfen das Drohszenario, das Bevölkerungswachstum in Entwicklungsländern führe zu einer Energienutzung, die den Globus gefährde. Wer in "Das Boot ist voll"-Kategorien denkt, müsste aufgrund des Pro-Kopf-Verbrauchs bevölkerungspolitische Maßnahmen für den Norden fordern. An der dringenden Notwendigkeit, eine solare Weltwirtschaft für alle zu etablieren, würde aber auch das nicht vorbeiführen.
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