Wir sind wieder wer! Und weil WIR wieder wer sind, diktieren WIR die Bedingungen: Menschen sind Straßen und Hotels, die wir wie im Monopoly kaufen und verkaufen können. Gerhard Schröders Greencard-Machtwort für ausländische Computerspezialisten behandelt diese Menschen wie Computer, wie seelenloses Arbeitskapital, das man für einige Zeit leasen kann. Offenbart Schröders Greencard-Modell Rassismus? Bei Indern glaubt der Kanzler jedenfalls, nicht so genau auf die Bedürfnisse der Menschen achten zu müssen.
Die Diskussion findet statt, während die bayerische CSU, aber auch Friedrich Merz und Innenminister Otto Schily in schöner Einmütigkeit verkünden, man müsse das individuelle Asylrecht abschaffen und durch ein an deutschen
deutschen Interessen orientiertes Zuwanderungsrecht ersetzen. Hier werden Interessen der Wirtschaft in die eine Waagschale gelegt und ein von der Verfassung garantiertes, wenn auch seit 1993 kaum mehr als verbal bestehendes Grundrecht in die andere. Die Union verfolgt die Strategie, ausländische Experten mit politisch Verfolgten gleichzusetzen - so outet sich der Krämergeist der Berliner Republik. Nur dass man jetzt auf der Weltbühne spielt. Die Vermischung der Themen, von der Union auch am 16. März im Bundestag wieder zielgerichtet betrieben, ist fahrlässig.Die deutsche Computerindustrie ist WER, und setzt ihre Interessen durch. Die deutsche Wirtschaft könnte mit der Greencard ihren Bedarf stillen. Sie bräuchte sich keine Sorgen um Veralterung des Personals zu machen, sie hätte ja eine Rückgabegarantie. Der Druck auf die Wirtschaft, sich finanziell stärker an der Ausbildung von Computerspezialisten zu beteiligen, entfiele - so dass der Staat diese Kosten entweder alleine tragen oder weitere Greencards ausstellen müsste. Durch künstliches Hinzufügen eine nachhaltige Entwicklung auslösen zu wollen, erweist sich meist als Schlag ins Wasser. Die ungezählten Entwicklungsprojekte, die mit dem Ende der Geberförderung in sich zusammenfielen, zeigen das ebenso wie die Schwierigkeit, in einer Weltwirtschaft mit globalem Gütertransfer Priorität für Ressourcenschonung durchzusetzen. Der Kanzler will seine Kunden befriedigen, aber er denkt nicht marktwirtschaftlich, sonst würde er den Bedarf nach gut ausgebildeten Fachkräften nutzen, um von der Wirtschaft Gelder für drittmittel- finanzierte Institute und Hochschulausstattung zu bekommen. Marktwirtschaft heißt nicht zuletzt: Die Notlage des anderen auszunutzen. Schröder aber macht sich lieber »lieb Kind«, auch wenn er damit sich und dem Steuerzahler ein Bein stellt. Dies ist ein ähnlicher Skandal wie die Liebedienerei um Ferdinand Piech bei der Altautoverordnung.Eine Greencard nur für einen Berufszweig ist nicht vertretbar, wenn gleichzeitig beispielsweise polnische Krankenschwestern illegal, aber rund um die Uhr die Kranken und Alten pflegen, für die man keine deutsche Pflegekräfte bekommt. Ihre Arbeit ist nicht weniger wichtig, nur sind sie nicht WER. Unbegrenzt Greencards einzuführen, wäre allerdings auch keine Lösung, schließlich hat der Staat eine Schutzverpflichtung für hier lebende Arbeitnehmer. Wenn aber Arbeitskräfte global in einen totalen Wettbewerb geschickt werden, sinken Wert und Einfluss von Gewerkschaften vollends auf Bittstellerniveau. Den BDI und BDA mag das freuen, deshalb ist es durchaus denkbar, dass die Green- card für Computerspezialisten nur der erste Versuchsballon ist.Kann die Regierung diese Greencards überhaupt erteilen? Nach wie vor gültig ist die aus dem Jahr 1986 stammende Selbstverpflichtung, kohärente, also in bezug auf die Länder des Südens entwicklungsstimmige Politik zu machen. Gegen diesen Grundsatz verstößt die Bundesregierung. Ziel der Entwicklungspolitik ist es, den materiellen und immateriellen Wohlstand von Menschen und Volkswirtschaften in Entwicklungsländern zu fördern. In Indien leben mehr absolut Arme als in Afrika. Heidemarie Wieczorek-Zeul müßte sich deshalb dafür einsetzen, dass die Erfolge in Bangalore nicht geschmälert werden, sondern dass der dort erwirtschaftete Gewinn zur Entwicklung der anderen Provinzen Indiens eingesetzt wird. Die Computerelite abzuwerben - und damit zugleich die indische Konkurrenz zu schwächen, ist der schlechteste aller denkbaren Wege zur Überwindung des personellen Engpasses in Deutschland. Per Telearbeitsplatz die Arbeitskraft Indiens für deutsche Firmen zu nutzen, ohne Menschen hierher zu holen, wäre aus entwicklungspolitischer Sicht aber auch keine Lösung. Es würde die indische Volkswirtschaft schwächen.Die Bundesrepublik hat sich außerdem auf europäischer Ebene verpflichtet, keine Frauen benachteiligende Maßnahmen zu ergreifen. Genau dies soll aber geschehen. Es werden primär männliche Spezialisten kommen, Frauen sind wegen familiärer Verpflichtungen und teilweise wegen religiös-gesellschaftlicher Vorstellungen weniger mobil. Kehren nach einigen Jahren die indischen Experten mit Auslandserfahrung zurück, haben sie ungleich bessere Chancen auf Führungspositionen in der indischen Computerwirtschaft als ihre ehemaligen Kommilitoninnen. Die Greencard ist ein Projekt zur Männerförderung. Schröders Versprechen ist entwicklungs- und frauenpolitisch ein Frevel.Besonders schwer wiegt jedoch die menschliche und zwischenmenschliche Dimension des geplanten Imports: Menschen sind keine Roboter, sie gehen Beziehungen ein und entwickeln selbst Perspektiven für ihr Leben. Die Computerfachkräfte haben Beziehungen und Verpflichtungen in Indien, die würden - in der Regel auf Kosten von Frauen - gekappt. Bei den Beziehungen, die sie in Deutschland eingehen werden, wird es ähnlich sein. Die DDR setzte rigoros die Rückkehrverpflichtung laotischer Gaststudenten durch (vgl. S. 18 dieser Ausgabe), will die Bundesrepublik es ihr nun gleich tun? Wenn man Fachkräfte ins Land holt, dann muss man ihnen auch eine Perspektive bieten: unbegrenzten Aufenthalt und doppelte Staatsangehörigkeit für sich und ihre Familien.