Es fehlt das Ziel

Piraten Nicht schlechte Umfragewerte sind das Problem der Piratenpartei, sondern ihre Angst, sich einem übergeordneten Wert zu verschreiben, der ihre widerstrebenden Kräfte eint
Piraten-Moderator... äh -Vorsitzender Bernd Schlömer
Piraten-Moderator... äh -Vorsitzender Bernd Schlömer

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Es gab mal eine Zeit, da konnten Personalquerelen der Piratenpartei nichts anhaben. Die Medien stürzten sich genüsslich auf jeden noch so kleinen Streit, den Piraten über den Kurznachrichtendienst Twitter führten und konstatierten immer wieder, dass sich die Newcomer nun endgültig zu Tode kommuniziert hätten. Die Bürger beeindruckte das wenig. Sie wählten die Partei dennoch in ein Parlament nach dem anderen. Und das hatte seinen guten Grund.

Wähler haben ein feines Gespür dafür, wann in einer Partei einfach persönliche Nickeligkeiten ausgetragen werden. Und wann eine Personaldebatte eine politische Auseinandersetzung verschleiert oder gar verhindert. Bisher war bei den Piraten oft ersteres der Fall.

Es ist kein Zufall, dass die aktuellen gegenseitigen Anwürfe im Bundesvorstand ganz anders wirken. Sie zeigen selbst Sympathisanten, dass die Piraten mit ihrem wichtigsten politischen Anliegen zu scheitern drohen: eine neue Art der Politik zu etablieren, in der Vernunft regiert und nicht die Logik innerparteilicher Flügel und Interessengruppen.

Alle Versuche, die Debattenkultur in der Partei zu verbessern, sind erfolglos geblieben. Es gab „Flausch-Initiativen“, Konferenzen über gewaltlose Sprache, Essays, wie sich Beschimpfungswellen im Internet stoppen lassen, Einkehrtagungen. Und die Piraten wählten den beamteten Bundesvorsitzenden Bernd Schlömer, dessen Hauptverdienst bisher war, in der Öffentlichkeit eher wie ein Moderator zu wirken denn als Parteichef. Vergeblich.

Bisher vertraten die Piraten einigermaßen glaubhaft die Hoffnung, dass jeder in der Partei mitmachen und damit etwas politisch bewirken könne. Inzwischen jedoch lässt sich nicht mehr verstecken: Wer sich bei den Piraten einbringt, der kann das gerne tun – bis er in Ungnade fällt. Danach geht er oder sie am besten in Psychotherapie.

Schlimmer noch ist die Tatsache, dass viele Piraten sich weigern anzuerkennen, dass in ihrer Mitte gerade ein politischer Richtungsstreit ausgefochten wird. Soll die Partei sich in sozialliberaler Tradition für Bürgerrechte stark machen oder für mehr echte Teilhabe der Bürger am politischen und wirtschaftlichen Leben? Diese Frage haben die Piraten bisher nicht beantworten wollen. Bis sich das ändert, gilt wohl, dass man einen widerborstigen politischen Geschäftsführer womöglich an die Wand drücken kann. Einen ganzen Teil der Partei in die Ecke zu stellen, ist dagegen nicht so einfach.

Das entscheidende Problem der Piratenpartei ist nicht, dass ihre Umfragewerte sinken. Es sind nicht die Lücken in ihrem Programm, nicht die Tatsache, dass die meisten ihrer Mitglieder noch politisch unerfahren sind. Selbst, dass sie ihre Konflikte in der Öffentlichkeit austrägt, statt in Hinterzimmern, muss ihnen nicht schaden.

Das Problem der Piratenpartei ist deren Angst, sich ein übergeordnetes Ziel zu geben, das die widerstrebenden Kräfte in ihrem Innern vereint. Ein solches Ziel wäre beispielsweise, als Partei aufzutreten, der es um die Erneuerung der Demokratie geht, nicht um Posten oder Egos.

Dazu würde allerdings eine Praxis gehören, die es schafft, unterschiedliche Vorstellungen und Arbeitsweisen zu vereinen. Wenn den Piraten das nicht gelingt, wird ihnen das ausgefeilteste Programm nicht helfen.

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