Demokratie und Freiheit nicht für zu selbstverständlich halten

Bundestag Europa ist das große politische Thema von Patricia Lips, erklärt sie in der „bwg sitzungswoche Sprechstunde“ in der Ständigen Vertretung in Berlin: die Europäische Union als Region von Demokratie und Freiheit sowie als Wirtschaftsstandort.

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In der Veranstaltungsreihe, die es bereits seit 2017 gibt, sollen „Politiker*innen in der Nahperspektive“ präsentiert werden. Deshalb geht Moderator Christoph Nitz, Gründer der „sitzungswoche“, zunächst auf den Lebenslauf der in Mailand geborenen stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ein, die auch in drei Ausschüssen stellvertretendes Mitglied ist: im Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe, im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und im Gesundheitsausschuss.

Die ersten Lebensjahre hat Patricia Lips mit Eltern und Brüdern in der lombardischen Hauptstadt verbracht, weil ihr Vater dort arbeitete. Nach Italien zieht es sie auch heute immer wieder. Sie schätzt die Gelassenheit und Zugewandtheit der Menschen in Italien, genießt in Deutschland aber auch die Zuverlässigkeit und durchaus auch die Distanz: Jede Lebensweise habe ihre Vorteile.

Zur Politik ist Patricia Lips erst relativ spät gekommen. Engagiert hat sie sich in der Heimatgemeinde ihrer Jugend schon früh in Vereinen, wie dem Heimat- und Geschichtsverein Rödermark, dem sie inzwischen seit 30 Jahren vorsteht. Denn Geschichte ist ihre Leidenschaft, wie sie auf ihrer Website bekennt. Erst als 30Jährige wurde Lips als Parteilose aufgefordert, für die CDU im Kommunalwahlkampf zu kandidieren. Als Mandatsträgerin ist sie dann in die Partei eingetreten, denn halbe Sachen lägen ihr nicht, erklärt sie im Gespräch.

Als der Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Odenwald, eines von Offenbach bis ganz in den Süden Hessens, an der Grenze zu Bayerns Unterfranken gelegenen, ländlich strukturierten Wahlkreises, nicht mehr antrat, wurde sie wieder angesprochen zu kandidieren. So zog sie 2002 in den Bundestag ein und auf die Oppositionssitze, plötzlich umgeben von hunderten Abgeordneten aus ganz Deutschland und mitten in der Großstadt, was sie beides ziemlich beeindruckte.

Von der Politik abschalten könne sie mit ihrem Steckenpferd, der Historie. Da hat ihr Wahlkreis einiges zu bieten, wo sie sich auch engagiert, von einer römischen Villa nahe am Limes im Norden des Wahlkreises, karolingischen Basiliken in Michelstadt und Seligenstadt oder einer bedeutenden gräflichen Sammlung in Schloss Erbach, die das Land Hessen inzwischen übernommen hat. Und Wahlkampf ist in Hessen auch gerade angesagt, denn am 8. Oktober wählt Hessen ebenso wie Bayern. Lips sieht sich hier im Schulterschluss mit den bayerischen Kolleg*innen und viele die Landesgrenzen überschreitende Gemeinsamkeiten.

Das neue Wahlrecht lehnt sie ebenso ab wie die CSU-Abgeordneten, wobei diese durch den Wegfall der Grundmandatsklausel stärker betroffen sind. „Der Wegfall der Grundmandatsklausel hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, sagt Lips, die vorher schon die Regelung kritisierte, dass nicht jede*r Wahlkreisstärkste auch ein Bundestagsmandat bekommt. Lips fürchtet, dass „ganze Regionen austrocknen“ könnten, wenn schwächere „Sieger“ leer ausgehen. Vor allem in den Städten seien die Ergebnisse oft recht eng. Sie fürchtet, dass sich für die gefährdeten Wahlkreise nur noch schwierig Kandidat*innen finden lassen würden. Da das neue Wahlrecht schon bei der nächsten Wahl gelten solle, sei die Kandidatensuche sowieso im Zeitdruck. Deshalb wird sich die CDU/CSU an das Verfassungsgericht in Karlsruhe wenden, wo jetzt noch der Einspruch gegen die Wahlrechtsreform der letzten großen Koalition verhandelt wird.

Lips arbeitet am Grundsatzprogramm der CDU mit beim Kapitel Europa. Sie sieht den Standort durch hohe Energiepreise gefährdet. Die USA und China arbeiteten auf eine mehr und mehr autarke Wirtschaft hin. Deutschland und Europa seien keine schlechten Wettbewerber, „aber die anderen werden schneller besser“, was sich zum Beispiel am geringen Absatz deutscher E-Autos in China zeige.

Deutschland und Europa brauchten Einwanderung gegen den Fachkräftemangel und müssten dieses Thema endlich von illegaler Einwanderung und Asyl trennen. Ein Einwanderungssystem, wie in anderen Ländern, solle sich am Bedarf orientieren, erklärt Lips, die bei Friedrich Merz‘ zweitem Anlauf auf den Parteivorsitz seine – vergebliche - Kampagne koordinierte. Aber Annegret Kramp-Karrenbauer habe damals, im Gegensatz zu Merz, „die Rede ihres Lebens gehalten“.

Wenn sie einen Wunsch frei habe, was würde sie sich wünschen, will Nitz zum Abschluss wissen: „Die Demokratie und der Freiheitsgedanke mögen uns erhalten bleiben“, sagt die hessische Politikerin. Gerade angesichts des Kriegs in der Ukraine. „Da sind wir zu selbstverständlich unterwegs. Und das ist es nicht.“

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Die Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ ist eine Kooperation von bwg Berliner Wirtschaftsgespräche, sitzungswoche - Unabhängiges Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien, StäV Ständige Vertretung Berlin, Wöllhaf Gruppe und OSI Club mit Unterstützung von Studio Schiffbauerdamm, Landau Media und berlin bubble.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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