Wie kann das Vieh anständig leben, ohne dass der Landwirt pleitegeht?
Foto: Panoramic/Imago
Es ist sein Traumberuf und trotzdem überlegt er, einfach aufzuhören: Klaus Lange ist Landwirt im ostwestfälischen Körbecke, hat von seinen Eltern einen traditionellen Bauernhof geerbt und ihn zu einem modernen Intensivbetrieb ausgebaut. Rund 12.000 Ferkel produziert er nun im Jahr. Unter Kollegen gilt er als erfolgreich und innovativ. Doch mittlerweile hat er die Nase voll. Es ist die Perspektivlosigkeit, die ihn verzweifeln lässt, der Zwang zu immer weiterem Wachstum. Erst vierzig Sauen, dann hundert, dann vierhundert, und noch immer, sagen die Berater, reicht es nicht, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Gleichzeitig fühlt sich Klaus Lange als „Buhmann der Nation“, von der Öffentlichkeit pauschal als „Tierquäler̶
beruf und trotzdem überlegt er, einfach aufzuhören: Klaus Lange ist Landwirt im ostwestfälischen Körbecke, hat von seinen Eltern einen traditionellen Bauernhof geerbt und ihn zu einem modernen Intensivbetrieb ausgebaut. Rund 12.000 Ferkel produziert er nun im Jahr. Unter Kollegen gilt er als erfolgreich und innovativ. Doch mittlerweile hat er die Nase voll. Es ist die Perspektivlosigkeit, die ihn verzweifeln lässt, der Zwang zu immer weiterem Wachstum. Erst vierzig Sauen, dann hundert, dann vierhundert, und noch immer, sagen die Berater, reicht es nicht, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein. Gleichzeitig fühlt sich Klaus Lange als „Buhmann der Nation“, von der Öffentlichkeit pauschal als „TierquälerXX-replace-me-XXX8220; diffamiert.Wenn am Samstag in Berlin wieder Zehntausende Tier- und Umweltschützer unter dem Motto „Wir haben es satt“ gegen Massentierhaltung und für eine bäuerliche Landwirtschaft auf die Straße gehen, kann Klaus Lange gar nicht genau sagen, ob diese Demo für ihn oder gegen ihn ist. Für ihn, weil er seinen Bauernhof auch in Zukunft erhalten will? Oder gegen ihn, weil seine drei großen Ställe als Massentierhaltung gelten?Konzerne diktieren den PreisKlaus Lange zeigt gerne seine Ställe, die Leute sollen sehen, dass er und seine Frau sich gut um die Tiere kümmern, auch wenn sie eingesperrt sind. Und er sagt ihnen auch, dass er nach Alternativen sucht. Und nicht weiß, was er seinem Sohn, der den Betrieb übernehmen will, raten soll. „Sauen in Kastenständen, das ist nicht die Zukunft“, sagt Klaus Lange. „Aber was dann?“ Als er von der Initiative Tierwohl hörte, war er einer der Ersten, der investierte: mehr Licht in den Stall, mehr Platz für die Tiere. Und er hatte Glück: Er gehörte zu den Landwirten, die tatsächlich Geld vom Lebensmittelhandel bekamen. Das ging nicht allen so, das Geld im Fonds reichte bei Weitem nicht aus, um alle Bauern in das Programm aufzunehmen. Aber wie geht es weiter? Klaus Lange sieht verzweifelt aus. „Ich bin bereit für Veränderungen, ich will das gerne anders machen, aber wie soll der Weg dahin aussehen?“ Wie kann er den Tieren ein besseres Leben bieten, ohne dabei pleitezugehen?Investitionen in den Tierschutz kosten eine Menge Geld: größere Ställe, mehr Licht, Einstreu mit Stroh, Ausläufe nach draußen, Spielmaterial für die neugierigen Schweine – all das ist nur schwer zu finanzieren, wenn die mächtigen Fleischkonzerne die Preise diktieren und sich dabei an der billigsten Produktionsmethode auf dem Markt orientieren. „Wenn mir einer den Weg zeigt, wie mehr Tierschutz zu bezahlen ist, wäre ich sofort dabei“, sagt Klaus Lange.Eigentlich ist dieser Weg längst bekannt: Der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im Frühjahr des vergangenen Jahres ein Gutachten herausgebracht. „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ heißt es, und die Wissenschaftler kommen darin zu dem klaren Urteil: So, wie es jetzt läuft, geht es nicht weiter. Die momentanen Haltungsbedingungen der allermeisten Nutztiere seien schlicht „nicht zukunftsfähig“. Doch Alternativen seien möglich, sie kosteten aber Geld, sagen die Wissenschaftler und weisen der Politik den Weg. Ihre Hauptforderungen: ein staatliches Tierschutzlabel, mehr Geld aus dem Brüsseler Subventionstopf direkt für den Tierschutz und ein höheres Budget der Wirtschaft für die Initiative Tierwohl.Ein Siegel braucht WerbungSeit neun Monaten liegen diese Vorschläge nun auf dem Tisch. „Doch in Bezug auf die Finanzierung und damit letztlich die Machbarkeit von mehr Tierschutz ist wenig Konkretes daraus entstanden, das muss man ganz nüchtern sagen“, bilanziert Harald Grethe, Professor für Agrarpolitik an der Universität Hohenheim und Vorsitzender des Beirats des Bundeslandwirtschaftsministeriums. Zwar gebe es verschiedene nicht staatliche Tierschutzlabel, die aber noch zu unbekannt seien. Der Deutsche Tierschutzbund hat eines mit Unterstützung des Bundeslandwirtschaftsministeriums erarbeitet, und das vom BUND mitgegründete Neuland-Siegel für artgerechte Tierhaltung schreibt Auslauf, Einstreu und kurze Wege zum Schlachter vor. „Aber um so ein Label bekannt zu machen, müsste man dafür so intensiv werben wie damals für das deutsche Biosiegel“, meint Grethe. „Und das kann am besten der Staat tun. Das Bundesministerium dagegen fordert ein europäisches Label, welches aber nicht absehbar ist. Also wurde bisher nicht viel erreicht und gekennzeichnete Tierwohlprodukte kommen nicht aus der Nische von zurzeit etwa ein Prozent des Marktes.“ Immerhin: Minister Christian Schmidt (CSU) will nun prüfen lassen, wie man tierische Produkte klar und einheitlich kennzeichnen kann.Auch der zweite Vorschlag des Gutachtens wurde bislang nicht umgesetzt. Die Wissenschaftler fordern, einen Teil der europäischen Agrarsubventionen nicht länger wie mit der Gießkanne über die landwirtschaftlichen Flächen auszuschütten, sondern gezielt für den Tierschutz einzusetzen. In Deutschland könnten so in zwei Jahren schon 530 Millionen Euro aufgebracht werden. Landwirte wie Klaus Lange hätten damit eine verlässliche Unterstützung für tierfreundliche Ställe, ohne dass sie Wettbewerbsnachteile fürchten müssten. „Bisher ist das Bundesministerium da aber kritisch“, sagt Grethe und fügt vorsichtig hinzu: „Diese Diskussion wird allerdings noch weiter geführt werden.“Der dritte Vorschlag des Gutachtens richtet sich an die Wirtschaft: Das Budget für die Brancheninitiative Tierwohl soll zügig ausgebaut werden. Bislang zahlt der Lebensmitteleinzelhandel vier Cent pro Kilo Fleisch und damit insgesamt etwa 85 Millionen Euro. Das sei bloß „ein Tropfen auf den heißen Stein“, findet Grethe. „Würde der Beitrag auf vierzig Cent erhöht, würde damit ein substanzieller Beitrag zur Bewältigung der Herausforderung geleistet.“ Aber damit kann er sich nicht durchsetzen. „Der Lebensmittelhandel fürchtet, an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber nicht teilnehmenden Unternehmen zu verlieren.“Im Gutachten ist zu lesen, wovor sich die Fleischbranche und der Handel tatsächlich fürchten sollten: „Beispiele wie Pelzproduktion oder Tierversuche für Kosmetika zeigen, wie Branchen im Laufe der Zeit ihre gesellschaftliche Akzeptanz verlieren können“, warnen die Wissenschaftler. Klaus Lange und seine Kollegen, die ihre Tierhaltung in den letzten Jahren unter dem Diktat der Wettbewerbsfähigkeit intensiviert haben, mussten das schmerzhaft erfahren. Harald Grethe sagt: „Wir brauchen jetzt klare politische Signale, dass die Regierung es ernst meint mit dem Tierschutz und dafür auch Geld in die Hand nimmt.“ Das würde den Tieren helfen – und den Landwirten.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.