Timing ist wichtig. Anfang 2020 erlebte die Wirtschaft einen Einbruch, wie es ihn zu unseren Lebzeiten nicht gegeben hat. Das Wachstum brach ein, die Arbeitslosigkeit stieg rasant, die Armut wuchs.
Unter anderen Umständen hätte in den vergangenen Monaten die Forderung im Vordergrund gestanden, dass die Länder der Welt mehr für die Reduzierung der CO2-Emissionen tun müssen. Ende 2019 warnten alle – vom Geschäftsführer des Internationalen Währungsfonds bis zum Chef der Bank of England – vor der Bedrohung durch die globale Erwärmung.
Ein Jahr der Überflutungen, Hurrikane und Buschbrände lieferte gute Argumente für die Notwendigkeit, Ökonomien nachhaltiger zu gestalten. Was fehlte, war ein tiefgehender Schock, der Wandel möglich machen würde. Den haben wir jetzt.
Für den Versuch, die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie abzumildern, schaffen, leihen und geben Regierungen Geld aus wie in Friedenszeiten noch nie. Das bietet die Gelegenheit, ihre Ökonomien im Einklang mit der Prävention einer katastrophalen Erhöhung der globalen Temperatur umzugestalten. Schon jetzt haben Unternehmen ihre Lektion durch den Lockdown gelernt. Dank moderner Technologien ist es nicht mehr unbedingt notwendig, dass Angestellte in Führungspositionen für ein Meeting um die halbe Welt jetten. Auch hat sich gezeigt, dass Mitarbeiter zu Hause ebenso produktiv arbeiten wie zu den Zeiten, als sie in teuren Büros im Zentrum der Stadt saßen.
Nach 2009 änderte sich nicht wirklich etwas
Allerdings stand die Welt auch früher schon an diesem Punkt. Und es gibt keine Garantie dafür, dass eine Gelegenheit, die sich bietet, auch genutzt wird. Eine wurde ganz sicher Ende der 2000er verpasst, als die Banken fast Pleite gingen.
Anhänger des Green New Deal – von denen ich einer war – forderten damals, Regierungen sollten eine mögliche zweite Große Depression abwenden, indem sie in die Entkarbonisierung ihrer Wirtschaft und in Programme investieren, die Arbeitsplätze schaffen, um Wohnraum energieeffizient zu gestalten.
Wie jetzt schrumpfte die Weltwirtschaft. Wie jetzt führte das zu einem Rückgang der CO2-Emissionen. Dennoch blieb es damals bei einem kurzen Flirt mit der Idee von einem Green New Deal. Die Anziehungskraft einer Rückkehr zum Business-as-usual erwies sich als mächtiger. Als die konventionellen Anreizpakete anliefen, folgte auf den Rückgang der Emissionen um 1 Prozent im Jahr 2009 ein fast 6-prozentiger Anstieg 2010. Die Banken wurden mit Nothilfe gerettet, die Regierungen fürchteten die Größe der Haushaltsdefizite und reagierten mit Sparpolitik – so wirklich änderte sich nichts.
Diesmal sehen die Dinge etwas anders aus. Allein im März – nach kaum mehr als eine Woche Lockdown – schrumpfte z.B. die britische Wirtschaft so stark wie in der ganzen Rezession von 2008/09. Die Zahlen für den April werden deutlich schlimmer aussehen. Und die Erholung wird langsam sein, selbst wenn man nicht von einer zweiten Infektionswelle ausgeht.
Während der Finanzkrise erwarb die damalige Labour-Regierung Anteile an zwei wichtigen Großbanken des Landes. Diesmal hat eine konservative Regierung die Eisenbahnen praktisch verstaatlicht, plant strategisch wichtige Unternehmen zu unterstützen und zahlt die Löhne und Gehälter von mehr als zehn Millionen Arbeitnehmern.
Die Politik kann, wenn sie will
Zudem war in diesem Fall Geld kein Hinderungsgrund. Großbritannien ist dabei, dieses Jahr 300 Milliarden britische Pfund – ca. 330 Milliarden Euro – zu extrem niedrigen Zinssatz zu leihen. Gleichzeitig schaffte die Bank of England durch ihr quantitatives Lockerungsprogramm mehr Geld. Das Argument, der Green New Deal sei nicht finanzierbar, hält sich weiter, aber es ist deutlich weniger stark als vor einem Jahrzehnt. Minister können entscheiden, ob sie mehr tun wollen, als auf die akute Krise zu reagieren. Sie haben ganz klar die Macht, die Erholung der Wirtschaft in eine Richtung zu lenken, indem sie den Unternehmen, die sie unterstützen, Vorgaben machen. Sie müssen sich nur entscheiden, diese Macht auch zu nutzen.
Hier präsentiert sich ein gemischtes Bild. Die Äußerungen der Regierungen zur Nachhaltigkeit gehen in die richtige Richtung, aber viele nutzen auch die Krise als Entschuldigung, Umweltschutzvorgaben zu lockern oder auszusetzen, um Aktivitäten irgendeiner Art zu stimulieren. Diejenigen, die denken, dass die Reaktion auf die globale Erwärmung Sache der Märkte, nicht von Regierungen sei, sehen Covid-19 ebenfalls als Chance.
Aber die allgemeine Stimmung hat sich gewendet. Das Weltwirtschaftsforum, das die jährlichen Treffen der globalen Wirtschaftselite in Davos organisiert, ging kürzlich in einem Bericht davon aus, dass die CO2-Emissionen dieses Jahr um 8 Prozent zurückzugehen. Aber für die angestrebte Begrenzung der maximalen globalen Temperaturerhöhung um 1,5 Grad Celsius sei ein ähnlich hoher jährlicher Rückgang über die nächsten zehn Jahre notwendig. Wenn der größte Fondsmanagementfirma der Welt BlackRock ankündigt, beim nächsten Jahrestreffen gegen ExxonMobil stimmen zu wollen, weil der Ölriese nicht genug tut, um CO2-Ziele zu erreichen, ist klar, dass das Thema Globale Erwärmung im Mainstream angekommen ist.
Allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt. Für die einen war der Lockdown ein kurzer Ausblick darauf, wie eine nachhaltige Wirtschaft aussehen könnte. Für andere – die befürchten, ihre Arbeitsplätze in CO2-intensiven Sektoren zu verlieren – wirkt eine solche Zukunft weniger attraktiv.
Wenn nicht jetzt, wann dann?
Die Politik spiegelt diese Spannung. Wenn linke Parteien manchmal weniger begeistert von einem Green New Deal wirken als sie es sein sollten, ist der Grund dafür, dass viele ihrer Wählerinnen und Wähler billige Flüge gut finden und von ihrer alten Karre abhängig sind, um ihre Mutter zu besuchen. Ohne Frage muss der Übergang zu einer grüneren, nachhaltigeren Wirtschaft nicht nur aktive Opposition, sondern auch passiven Widerstand derjenigen überwinden, die gerne hätten, dass das Leben zu seinem Zustand vor der Coronakrise zurückkehrt.
Die Lösung könnte ein Versuchsprojekt in einer Großstadt sein, um herauszufinden, ob ein Green New Deal Jobs schafft, Emissionen reduziert und eine neue Welle profitabler Umweltinnovationen anstößt. Veränderungsgegner müssen gar nichts tun. Sie können einfach abwarten, bis die Trägheit einsetzt. Aber diejenigen, die eine neue Form von Wirtschaft haben wollen, müssen irgendwo anfangen. Als erstes könnten sie die Frage stellen: Wenn nicht jetzt, wann dann?
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