Auf zu neuen Welten

Weltraum Vor fünfzig Jahren begeisterte die Mondlandung meine Generation. Doch der Kosmos hält andere Geheimnisse bereit, die die Forschung enthüllen könnte

Während meiner Kindheit in den 1950er Jahren gehörten zu meiner Lieblingslektüre die Eagle-Comics, insbesondere die Abenteuer von Dan Dare, Pilot of the Future, mit ihren großartigen Illustrationen von Weltraumstädten, Raketenrucksäcken und außerirdischen Invasoren. Als der Kampf um den Weltraum real wurde, waren mir die Anzüge der sowjetischen Kosmonauten (und ihrer US-amerikanischen Gegenparts, der Astronauten) bereits ebenso vertraut wie die Abläufe beim Starten und Andocken der Raumschiffe. Meine Generation verfolgte eifrig die heroischen Pionierleistungen wie Juri Gagarins ersten Orbitalflug oder Alexei Leonows ersten Weltraumspaziergang.

Doch der Tag, der uns am stärksten in Erinnerung geblieben ist, ist natürlich der 20. Juli 1969, an dem Neil Armstrong und Buzz Aldrin die ersten menschlichen Fußabdrücke auf der staubigen Oberfläche des Mondes hinterließen. Die Tat erscheint im Nachhinein noch heroischer, wenn man bedenkt, wie primitiv und ungetestet die Technologie war. Die gesamte Computerausstattung der NASA war damals weniger leistungsfähig als ein einziges Smartphone von heute.

Dass die Sowjets als erste im Weltraum waren, hatte in bestimmten politischen Kreisen der USA für große Aufregung gesorgt und eine gewaltige Gegenanstrengung ausgelöst. John F. Kennedy erklärte 1961 seine Überzeugung, dass sich die USA dazu „verpflichten sollten, noch in diesem Jahrzehnt einen Mann auf dem Mond landen zu lassen und ihn sicher wieder zur Erde zurückzubringen“. Kein einzelnes Weltraumprojekt sei „beeindruckender für die Menschheit oder wichtiger für die langfristige Erforschung des Weltraums“. Die USA haben damals bis zu vier Prozent ihres Bundeshaushalts für das Apollo-Projekt der NASA bereitgestellt. Entgegen aller Rhetorik verfolgten sie dabei aber nicht in erster Linie ein idealistisches und noch weniger ein wissenschaftliches Ziel. Es ging in erster Linie darum, die Sowjets zu schlagen.

Im Dezember 1968 umkreiste Apollo 8 den Mond 10 Mal erfolgreich, bevor sie zur Erde zurückkehrte – und brachte der NASA damit bleibenden Ruhm ein. Während dieser Mission schoss William Anders sein berühmtes „Earthrise“-Foto, das unsere zerbrechliche blaue Erde im Kontrast zur sterilen „Mondlandschaft“ im Vordergrund zeigt.

„One small step for a man“

Auch die späteren Apollo-Missionen waren erfolgreich, mit Ausnahme von Apollo 13 im April 1970, als der Astronaut Jack Swigert der Einsatzleitung die berühmt geworden Worte „Houston, wir haben ein Problem“ funkte. Die Stromversorgung des Shuttles war ausgefallen. Aber dank Reparaturen und heroischer Improvisation von Jim Lovell (in einem denkwürdigen Film von Tom Hanks aus dem Jahr 1995 zu sehen) und seinen Astronautenkollegen wurde die Mission sicher abgeschlossen. Armstrongs „kleiner Schritt für einen Menschen“ kam erst zwölf Jahre nach der ersten erfolgreichen sowjetischen Raumfahrtmission Sputnik 1. Wäre das Tempo des Fortschritts beibehalten worden, könnte es inzwischen menschliche Fußspuren auf dem Mars geben − genau das haben viele von uns in den 1970er Jahren erwartet. Aber das Apollo-Programm endete 1972 mit der sicheren Rückkehr von Apollo 17 zur Erde. Es bleibt, ein halbes Jahrhundert später, der heroische Höhepunkt der bemannten Raumfahrt.

In den folgenden Jahrzehnten haben sich Hunderte in den Weltraum gewagt − aber sie haben die Erde auf niedriger Umlaufbahn umkreist, hauptsächlich in der Internationalen Raumstation ISS. Ihre Reisen sind einfach nicht so inspirierend wie die bahnbrechenden Missionen der sowjetischen und amerikanischen Projekte von damals.

Das Apollo-Programm war von der strategischen Notwendigkeit der USA motiviert, „die Russen zu schlagen“. Nachdem dies erreicht war, gab es keine Rechtfertigung mehr, die massiven Ausgaben, die es verschlungen hatte, fortzusetzen. Tatsächlich wäre es naiv gewesen, zu glauben, dass die bemannte Raumfahrt in derselben Weise weiter fortschreiten würde, wie sie dies in den 1960er Jahren getan hat. Alle Technologien entwickeln sich in „Schüben“ und stagnieren manchmal, wenn es keine kommerzielle oder soziale Nachfrage mehr gibt. Von den zwölf Männern, die den Mond betreten haben, leben nur noch vier. Wird es bald eine Zeit geben, in der sich kein Mensch mehr aus erster Hand daran erinnert, auf einem anderen Planeten gestanden zu haben? Viele, auch ich selbst, wären traurig, wenn die menschliche Erforschung des Weltraums einfach in den Geschichtsbüchern verschwinden würde. Braucht es den Menschen für die Erkundung des Alls überhaupt noch? Ist die bemannte Raumfahrt finanziell noch tragbar? Das Maschinenlernen schreitet schnell voran, ebenso wie die Sensorik. Und es gibt immer noch einen großen Kostenunterschied zwischen bemannten und unbemannten Missionen. Die Unterbrechung in der bemannten Raumfahrt ergibt sich nicht nur aus dem Fehlen eines politischen Imperativs im Kennedy-Stil, sondern auch daraus, dass die praktische Notwendigkeit mit jedem Fortschritt in Robotik und Miniaturisierung geringer wird.

Nichtsdestotrotz gibt es in den USA, Russland und China Pläne, zum Mond zurückzukehren und dort eine „Basis“ zu errichten. Aber wird es auch ausreichend Gründe und politischen Willen geben, Menschen zu entsenden, angesichts dessen, was Roboter können?

Die Haupthindernisse sind politischer und kultureller Natur. Die amerikanische Öffentlichkeit verlangt, dass solche Missionen fast ohne Risiko stattfinden. Das Space Shuttle der NASA wurde mehr als 130 Mal gestartet, wobei nur zwei seiner Missionen in einer Katastrophe endeten. Aber diese Episoden waren nationale Traumata, denn das Shuttle war unklugerweise als so sicher beworben worden, dass auch Zivilisten es benutzen könnten – Zivilisten wie die Lehrerin Christa McAuliffe, die 1986 bei der Explosion der Challenger ums Leben kam. Professionelle Testpiloten und Abenteurer würden eine Fehlerquote von zwei Prozent oder sogar noch mehr aber ohne Weiteres akzeptieren.

Wenn ich Amerikaner wäre, würde ich das bemannte Programm der NASA nicht unterstützen – ich würde argumentieren, dass private Unternehmen allen bemannten Missionen als preisgünstige und risikoreiche Unternehmungen „vorstehen“ sollten. SpaceX, angeführt von Elon Musk, und der Konkurrent Blue Origin, finanziert von Jeff Bezos, werden bald Weltraumflüge für zahlende Kunden anbieten. SpaceX arbeitet daran, einen japanischen Milliardär mit ein paar Freunden auf eine fünftägige Reise zur dunklen Seite des Mondes zu schicken. Der Begriff „Weltraumtourismus“ sollte von den Trägern dieser privatwirtschaftlichen Programme allerdings vermieden werden, denn er schafft den falschen Eindruck, solche Vorhaben könnten routinemäßig durchgeführt werden und seien sicher, eher eine Art Extremsportart oder unerschrockene Erkundung.

Denn die Risiken sind gewaltig. Trotzdem gäbe es immer noch viele Freiwillige für eine Reise zum Mars – einige, die von den gleichen Motiven angetrieben werden wie frühe Entdecker und Bergsteiger, akzeptieren vielleicht sogar, nicht wieder zurückkommen zu können. In der Tat ist es an der Zeit, von der Vorstellung abzukommen, dass Weltraumunternehmen nationale (oder gar internationale) Projekte sein sollten − zusammen mit einer anspruchsvollen Rhetorik, bei der das Wort „wir“ verwendet wird, um die gesamte Menschheit zu bezeichnen. Es gibt einige Bemühungen – zum Beispiel zur Bewältigung der Klimakrise –, die ohne ein abgestimmtes internationales Vorgehen nicht möglich sind. Für die Nutzung des Weltraums ist das nicht erforderlich. Sie kann eine gewisse öffentliche Regulierung erfordern, aber private oder unternehmerische Risikoträger können am besten den Anstoß dazu geben.

Und natürlich ist die Raumfahrt trotz der Unterbrechung bei den bemannten Missionen stark gewachsen. Die moderne Gesellschaft ist heute stark von umlaufenden Satelliten abhängig, die ihr zur Navigation, Kommunikation, Beobachtung von Umweltphänomenen, Überwachung und Wettervorhersage dienen.

„Nachleuchten der Schöpfung“

Außerdem sind Raumsonden zu allen Planeten des Sonnensystems gereist. Die New Horizons der NASA sendete erstaunliche Bilder von Pluto zurück, der 20.000 mal weiter von der Erde entfernt ist als der Mond. Die Rosetta der Europäischen Weltraumorganisation landete einen Roboter auf einem Kometen. Es dauerte fünf Jahre, diese Raumschiffe zu entwerfen und zu bauen, und dann fast zehn Jahre, bis sie zu ihren entfernten Zielen gereist waren. Die Cassini-Sonde verbrachte 13 Jahre damit, Saturn und seine Monde zu untersuchen, und es vergingen fast 20 Jahre zwischen ihrem Start und ihrem letzten Eintauchen in den Saturn Ende 2017. Es ist nicht schwer, sich vorzustellen, wie viel anspruchsvoller die heutigen Folgemaßnahmen zu diesen Missionen sein könnten.

In den kommenden Jahrzehnten werden riesige Roboterhersteller in der Lage sein, Sonnenenergiekollektoren, Teleskope und andere riesige Gebilde im Weltraum zu bauen. Einige aufstrebende Weltraumpioniere wie Bezos träumen von einer längerfristigen Zukunft, in der ein Großteil der industriellen Produktion tatsächlich außerhalb der Erde stattfindet und das gesamte Sonnensystem – Planeten, Monde und Asteroiden – von Flotten winziger automatisierter Sonden erforscht wird, die wie eine Vogelschar miteinander interagieren.

Aber keine realisierbaren Sonden reichen über unser Sonnensystem hinaus. Unser Wissen über den tiefen Weltraum − Sterne und Galaxien − kommt von Teleskopen. Der Weltraum bietet den Astronomen allerdings einen enormen Vorteil. Teleskope, die weit über den verschwommenen und absorbierenden Effekten der Erdatmosphäre kreisen, haben scharfe Bilder aus den entlegensten Teilen des Kosmos zurückgesendet. Sie haben den Himmel in Infrarot-, UV-, Röntgen- und Gammastrahlenbändern erfasst, die nicht in die Atmosphäre eindringen und daher vom Boden aus nicht beobachtet werden können. Sie haben das „Nachleuchten der Schöpfung“ mit hoher Präzision erforscht – die Mikrowellen, die den ganzen Raum durchziehen, dessen Eigenschaften Hinweise bis zu jenem Anfang enthalten, als der gesamte beobachtbare Kosmos noch auf mikroskopische Größe zusammengepresst wurde. Am faszinierendsten ist vielleicht, dass wir gelernt haben, dass die meisten Sterne von Planeten umkreist werden, so wie unsere Sonne von den bekannten Planeten umkreist wird. Es gibt Millionen von erdähnlichen Planeten, die andere Sterne in der Milchstraße umkreisen. Aber existiert auf irgendeinem von ihnen Leben – sogar intelligentes Leben? Für mich ist das die faszinierendste Frage überhaupt.

Diese „Exoplaneten“ sind zu schwach, um mit bestehenden Teleskopen untersucht zu werden. Riesige Roboterhersteller werden in der Lage sein, im Weltraum riesige leichte Teleskope zu bauen, um den Kosmos weit über unser eigenes Sonnensystem hinaus zu erfassen. Es ist realistisch zu hoffen, dass bis 2068 – dem hundertsten Jahrestag des legendären Earthrise-Bildes − solche Teleskope ein Bild von einer anderen „Erde“ haben werden, die einen fernen Stern umkreist, der Leben beherbergt und eine noch breitere Perspektive auf die Rolle von Leben und Intelligenz im Kosmos bietet.

Martin Rees ist seit 1995 Königlicher Astronom in Großbritannien. Er war von 2004 bis 2012 Master des Trinity College sowie Professor für Kosmologie und Astrophysik in Cambridge. Von 2005 bis 2010 war er Präsident der Royal Society

Lesen sie auch Michael Jägers Artikel zur Mondlandung und deren Folgen für die Umweltbewegung in Ausgabe 30/19 des Freitag

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Martin Rees | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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