Israel hat sein Holocaust-Museum auf dem Gelände der Gedenkstätte Yad Vashem untergebracht. Es liegt in einem schräg abgewinkelten Gang, in dem der Besucher an schrecklichen Geschichten der Vertreibung, des Leidens und des Todes vorbei kommt, um am Ende einen beruhigenden Blick auf die Jerusalemer Wälder zu haben. Auf halber Strecke befinden sich in einem Raum der Hall of Shame (Halle der Schande) zwei Schwarz-Weiß-Fotografien des Kriegspapstes Pius XII., daneben ein paar Zeilen auf Hebräisch und Englisch, die leicht übersehen werden können, auch wenn sie direkt ins Zentrum der problematischen Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan führen.
Benedikt XVI. wird am heutigen ersten Tag seines Israel-Besuches einen Kranz in Yad Vashem niederlegen, doch das Museum nicht besuchen, folglich auch nicht die Bildunterschrift am Porträt eines seiner Vorgänger lesen. Die führte vor zwei Jahren zu diplomatischen Spannungen. Der päpstliche Gesandte in Jerusalem drohte damit, die Messe am israelischen Holocaust-Gedenktag abzusagen. Die Inschrift ist nach wie vor umstritten, wirft sie Pius XII. doch vor, er habe einen Brief seines Vorgängers, in dem jener sich gegen Rassismus und Antisemitismus aussprach, in der Schublade verschwinden lassen und "weder schriftlich noch mündlich protestiert", als er Nachricht vom Massenmord an den Juden erhielt. Im Dezember 1942 habe er "Abstand davon genommen", eine Deklaration der Alliierten zu unterzeichnen, in der die Vernichtung der Juden verurteilt wurde. Als die Deportationen jüdischer Bürger Roms nach Auschwitz begannen, habe dieser Papst "nicht eingegriffen". "Sein Schweigen und das Fehlen von Richtlinien hat Kirchenmitglieder in ganz Europa dazu gezwungen, selbst zu entscheiden, wie sie reagieren sollen", heißt es auf der Tafel in der Hall of Shame.
Nur eine Pilgerfahrt
Papst Benedikt komme nicht nach Israel, um zu streiten, ließ der päpstliche Gesandte Monsignore Antonio Franco wissen. Mit 82 Jahren sei er ein älterer Herr mit einem prall gefüllten Zeitplan. Ein Besuch des Museums habe "nie auf dem Programm" gestanden. Benedikts charismatischerer Vorgänger Johannes Paul II. hatte bei seinem Israel-Besuch im Jahr 2000 mehrere Stunden in Yad Vashem damit verbrach, den Erzählungen Holocaust-Überlebender zuzuhören.
Die Vertreter des Vatikans bemühen sich, die päpstliche Reise als Pilgerfahrt zu bezeichnen, die kein politischer Besuch sei, was angesichts der Umstände wenig überzeugend klingt. Die Reise ist erst den dritte Besuch eines Papstes in Israel, der noch dazu in einer Zeit stattfindet, da die Hoffnung auf einen wirklichen und gerechten Frieden im Nahen Osten immer illusorischer erscheint. Immer mehr Christen sagen der RegionAbschied, wegen der Spannungen mit den umgebenden muslimischen Gemeinden und der israelischen Besatzung verlassen sie vor allem die Palästinensergebiete. Im Jahr 1993 hatte der Vatikan ein Abkommen unterzeichnet, mit dem der Staat Israel anerkannt wurde. Doch das "Grundlegende Übereinkommen" zwischen beiden Seiten, das unter anderem Artikel enthält, die sich mit Eigentumsrechten und Steuerbefreiungen in erheblichem Umfang befassen, wartet immer noch auf seine Unterzeichnung. Die Verhandlungen gehen weiter.
Angriffe auf den Pontifex maximus
Doch viel entscheidender ist sicher, dass viele Israelis verärgert waren über die Entscheidung des Papstes, die Exkommunikation Bischof Richard Williamsons zurückzunehmen – eines Mannes, der die Existenz der Gaskammern der Nazis geleugnet hatte. Viele jüdische Organisationen sagen heute, dieser Schritt gefährde die Versöhnung zwischen der katholischen Kirche und dem jüdischen Volk.
Mehrere Umfragen legen nahe, dass der Graben zwischen den beiden Glaubensgemeinschaften tief ist. Bei einer Erhebung des Jerusalemer Zentrums für jüdisch-christliche Beziehungen gaben im vorigen Jahr 41 Prozent der befragten Israelis zu Protokoll, sie hielten das Christentum für eine "götzendienerische" Religion. 46 Prozent verneinten die Frage, ob sie glaubten, Jerusalem sei für die christliche Welt von zentraler Bedeutung. Ungefähr 40 Prozent der Befragten äußerten die Meinung, die katholische Kirche habe eine sehr oder doch weitgehend negative Haltung gegenüber dem Judentum und den Juden.
Hardliner haben sich dies zunutze gemacht und auf Benedikts Vergangenheit als Mitglied der Hitlerjugend während des Krieges hingewiesen. Das rechtsgerichtete Knesset-Mitglied Michael Ben Ari sagte vergangene Woche, der Besuch des Papstes beleidige das Andenken an die Opfer des Holocaust. "Ein Staatsempfang für den Papst bedeute, den Millionen von Juden den Rücken zuzuwenden, die im Schatten der christlichen Religion der Gnade und des Mitleids getötet wurden", sagte er in der Knesset. "Dieser Papst war Mitglied der Hitlerjugend."
Palästinenser hoffen auf einen Anwalt
Bei den Palästinensern sind die Erwartungen groß. Sie hoffen, Benedikt werde etwas tun für die palästinensische Unabhängigkeit. Nach einer Messe in Bethlehem wird der frühere Kardinal Ratzinger das palästinensische Flüchtlingslager Aida besuchen, wo eine aus Steinen errichtete Bühne ganz in der Nähe der israelischen Grenzmauer auf ihn wartet. Fouad Twal, der lateinische Patriarch von Jerusalem, sagte, das Lager stehe für das "Rückkehrrecht" der palästinensischen Flüchtlinge, die während des Krieges von 1948 fliehen mussten und in Gebieten lebten, die danach zu Israel gehörten. Es ist allerdings bei weitem noch nicht klar, ob Benedikt sich überhaupt zu politischen Themen äußern wird.
Israelische Medien haben an diesem Montag in großer Aufmachung über den Besuch von Papst Benedikt XVI. berichtet. Die Zeitung Israel Hajom, die als regierungsnah gilt, schrieb in ihrer Schlagzeile "Salve Papa". Sie ordnete die Reise des deutschen Papstes als "Besuch im Schatten der Geschichte" ein. Die auflagenstärkste Jediot Achronot begrüßte den deutschen Papst in einem Wortspiel als "Pope-Star" und wünschte ihm ebenfalls "Salve, Benedictus". Die links-liberale Haaretz sprach von einem Versöhnungsbesuch des Heiligen Vaters in Israel. Die Zeitung Maariv schrieb neben einem Bild des Papstes in ihrer Aufmachung: "Willkommen, Heiliger Stuhl." (DPA)
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