Die Wissenschaft ist bei Prognosen über die Entwicklung des Erdklimas zwar weit gekommen, hat aber dabei ein grundlegendes Problem: Wir haben nur ein Klima, um unsere Hypothesen zu testen. Wir können nicht mit unumkehrbaren Folgen am Klima unserer Erde herumpfuschen – indem wir etwa massenhaft Giftgase hineinpumpen –, um zu testen, ob unsere Annahmen stimmen.
Dass das für uns als Bewohner des Planeten katastrophale Folgen hätte, liegt auf der Hand. Deshalb stützen sich die Klimamodelle auf historische und empirische Daten. Könnten wir das Modell doch bloß auf einen anderen Planeten übertragen, um die ihm zugrunde liegenden physikalischen Annahmen wirklich zu prüfen.
Bingo! Das mobile Chemielabor Curiosity, das am Montag spektakulär auf der Oberfläche des Mars gelandet ist, wird den Wissenschaftlern genau das ermöglichen. Die Curiosity, die etwa so groß ist wie ein Auto, wird auf der Marsoberfläche nach Sedimenten suchen, diese einsammeln und den hochentwickelten Apparaten und Messgeräten an Bord übergeben. Und sie wird wichtige Erkenntnisse darüber rückmelden, wie das Klima auf dem Mars – auf dem es einmal wärmer war, wo es Regen, Flüsse und Deltas gab – sich durch den Einfluss von Solarwinden im Laufe von Jahrmilliarden verändert hat.
Unser Platz im Universum
Aus der Betrachtung einer Atmosphäre ließen sich auch Rückschlüsse für das Verständnis anderer Atmosphären ziehen, sagt der Planetologe Mark Lemmon von der texanischen A&M-Universität. Er ist Mitglied des an der Curiosity-Mission beteiligten Klimateams. „Je mehr wir über die Atmosphäre des Mars wissen, desto besser können wir unsere eigene begreifen.“
Die Curiosity erlaube den Wissenschaftlern, „den Bezugsrahmen zu erweitern“, sagt Lemmon. „Wir finden auf diese Weise sehr, sehr viel mehr über unseren Platz im Universum heraus, als wir es durch reine Selbstbetrachtung könnten.“
Stützen können sich die Wissenschaftler dabei auf neueste Technik. „Wir können Gesteine aus der Entfernung betrachten, mit einem Laserstrahl vaporisieren und nachschauen, welche Elemente sie enthalten“, erklärt Lemmon.
Beispiellos sei das Ganze nicht. Als die Klimamodelle für die Erde erstmals mit dem Klima auf der Venus verglichen wurden, ließen sich die Winde in der Venusatmosphäre anhand der Theorie nicht erklären. Irgendwas an den Berechnungen der Modelle von der Erde passte nicht zu den Winden auf diesem weit entfernten Planeten. Nach einigem Ausprobieren mit den physikalischen Hypothesen gelang es den Wissenschaftlern schließlich, den Venuswinden Rechnung zu tragen und so auch die Fehlerspanne in den Klimamodellen für die Erde zu verkleinern.
Wo geht der Kohlenstoff hin?
„Realistisch gesehen können wir nicht vorsätzlich am Erdklima herumpfuschen, um die Modelle zu testen “, sagte Lemmon. „Darin liegt meiner Meinung nach die große Stärke des Teils des Marsprogramms, der sich mit dem Klima beschäftigt.“
Insbesondere wird die Curiosity die Zirkulation von Kohlenstoff auf dem Mars untersuchen. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse werden den Wissenschaftlern helfen, den roten Planeten und die Erde zu vergleichen.
Der Planetargeologe und Geochemiker Paul Niles vom Johnson Space Centre der NASA ist ebenfalls an dem Programm beteiligt. Er hat der Landung der Curiosity gemeinsam mit seiner Familie von Los Angeles aus zugesehen.
„Die Curiosity wird uns unter anderem helfen, etwas darüber zu verstehen, wie der Kohlenstoffkreislauf des Systems aussieht. Wo geht der Kohlenstoff hin? Wo landet er? Taucht er jemals wieder auf? Ist er jemals tief genug vergraben, um über Vulkane zurückzukehren?“
Da ist etwas
Auch wenn die Mars-Atmosphäre sich vollkommen von der der Erde unterscheidet, könnten die Antworten auf diese Fragen erhellen, wie die Kohlenstoffkreisläufe zum Klimawandel auf der Erde beitragen. Nach den ersten Reihen von Analysen „könnten wir eine bessere Ausgangsposition für direkte Vergleiche mit den Vorgängen auf der Erde haben,“ verspricht sich Niles.
Er und Lemmon sind sich derweil einig, dass die wirkliche Arbeit mit der gelungenen dramatischen Landung auf dem Mars gerade erst begonnen habe. Als die Curiosity die Oberfläche des äußeren Erdnachbarn zum ersten Mal berührte, schrieb Lemmon seiner Frau eine SMS, die nur ein Wort enthielt: „Freude“.
„Wir wissen, dass da draußen etwas ist und wir müssen herausfinden, was es ist!“, sagt er.
„Ich halte die Weltraumforschung für unabdingbar um die Grenzen weiter zu stecken“, meint auch Niles. „Das beste daran ist, dass wir dadurch Probleme angehen, die sonst vielleicht nicht thematisiert oder gar gelöst worden wären.“
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