Prost, Salut! Hoch die Tassen! Deutschland hat am 3. Oktober offiziell mit dem Ersten Weltkrieg abgeschlossen und die letzte Rate seiner im Versailler Vertrag festgeschriebenen Reparationszahlungen beglichen. Ein Akt von solch historischem Ausmaß, dass er stärkerer Beachtung würdig gewesen wäre. „Am nächsten Sonntag ist es so weit: Deutschland tilgt die letzten Schulden aus Reparationszahlungen für den 1. Weltkrieg“, hatte die Bild-Zeitung im Vorfeld verkündet. „69,9 Millionen Euro beenden dieses Kapitel. Zumindest finanziell.“
Mir gefällt dieses missmutige „zumindest finanziell“, das den Eindruck erweckt, Deutschland kämpfe auf einer nicht näher zu bestimmenden Ebene auch 92 Jahre nach seinem Ende noch immer die Schlachten dieses Weltkrieges. Wäre er bei Sinnen, was er freilich nicht ist, müsste diese Vorstellung Tony Blair zu denken geben, der nur zwei Jahre, nachdem er die intelligenteste aller außenpolitischen Entscheidungen getroffenen hatte, launisch zu Protokoll gab, die Leute sollten doch nun endlich einen Schlussstrich unter den Krieg im Irak ziehen.
Wie träge wir sein können
Jedenfalls muss man den Deutschen dazu gratulieren, dass sie den Ersten Weltkrieg nun von ihrer To-Do-Liste streichen können – vor allem, wenn man bedenkt, wie viele offene Konflikte es noch gibt. Nord- und Südkorea haben nie ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet und befinden sich streng genommen seit 1950 im Krieg. Costa Rica kam erst mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs dazu, den Ersten mit Deutschland zu beenden, weil es bei der Aushandlung des Versailler Vertrages nicht mit am Tisch saß. Andorra ließ sich damit gar bis 1958 Zeit. Die Scilly-Inseln befanden sich wegen ein paar piratischer Gaunereien aus dem 17. Jahrhundert bis 1986 mit den Niederlanden im Krieg.
Es ist schon bemerkenswert, wie träge wir sein können, wenn es um die Beendigung von Kriegen geht, die wir für gewöhnlich recht abrupt vom Zaun brechen. Vielleicht entspringt dies dem gleichen, irrational romantischen Optimismus, mit dem Regierungen immer im Voraus auf Konflikte blicken, anstatt sich auf die Lösung der altbekannten zu konzentrieren, in denen die Kinder anderer Leute für sie die Köpfe hinhalten.
Ein zweites NATO-Zentrum
Und damit zur der gerade erfolgten Bestätigung, dass David Cameron und Nicolas Sarkozy die Möglichkeiten eines gemeinsamen britisch-französischen Atomwaffenprogramms ausloten wollen. Hatte man das Vorurteil, den Franzosen sei nicht zu trauen, für die am besten gehegte Wahnvorstellung der Briten gehalten, so muss man nun feststellen, dass selbst diese heilige Kuh auf dem Altar des Aberglaubens geopfert wird: Wir bräuchten eine nukleare Abschreckung.
In Anbetracht der nicht abbrechenden Beschwerden über die mangelhafte militärische Ausrüstung der britischen Soldaten in Afghanistan und den Klagen von Verteidigungsminister Liam Fox über die Kürzungen in seinem Budget ist es tröstlich zu wissen, dass die 20 Milliarden für die Erneuerung des britischen Arsenals sich schon irgendwie finden werden. .
Erst vor kurzem erging sich ein Editorial der Times darüber, wie wünschenswert ein zweites Zentrum innerhalb der NATO doch wäre, von dem aus bei einem Angriff Entscheidungen bezügliches eines Atomschlages getroffen werden können. Luftwaffenkommandeur Alastair Mackie, der das britische Nukleararsenal mit vernichtendem Spott als das „Brusthaar-Toupet zum Beweis unserer Männlichkeit“ bezeichnet hatte, antwortete mit einem Brief, in dem er kurz und knapp die Behauptung entkräftete, ein solches Szenario würde einen mit Atomwaffen ausgestatteten Bösewicht vor ein strategisches Dilemma stellen. „Falsch! Es stellt lediglich sicher, dass der erste Schachzug des Gegners darauf zielt, das schwächste Glied in der Kette zu vernichten – und das sind wir.“
Mit dieser einfachen Wahrheit müsste Mackie eigentlich all jene zum Schweigen gebracht haben, die nicht einsehen können, wie lächerlich es ist, Atomwaffen den Vorzug vor kugelsicheren Westen zu geben, wenn die für die Gegenwart typischen Konflikte erstens von uns zu verantworten sind und sich zweitens gegen einen Feind richten, dessen Arsenal an AK47-Maschinengewehren, Sprengstofffabrikationen und 1,99-Teppichmessern nur schwer als state of the art in Sachen Kriegführung bezeichnet werden kann. Wie es Feldmarschall Lord Bramall im Vorjahr auszudrücken pflegte, haben sich Atomwaffen „zur Abschreckung gegenüber den Bedrohungen und der Art der Gewalt, mit der wir es zu tun haben und mit großer Sicherheit in Zukunft zu tun haben werden – besonders dem internationalen Terrorismus – als völlig unbrauchbar erwiesen. Je mehr man darüber nachdenkt, desto nutzloser erscheinen sie einem“.
Einziger Hoffnungsschimmer
Wie gesagt, dies sollte eigentlich ausreichen, um die Angeber in Westminster zum Schweigen zu bringen. Dies wird aber nicht geschehen. Man gewinnt in diesem Land mehr, wenn gegen kleinste Details des öffentlichen Haushalts losgepoltert wird – welche Politik verfolgt die BBC in Sachen kostenlose Kekse für ihre Mitarbeiter? –, als das Wort gegen die Milliarden zu erheben, die bei den dümmsten Fehlinvestitionen verschwendet werden sollen, die man je gesehen hat.
Der einzige Hoffnungsschimmer – der allerdings eher schwach ist – besteht darin, dass die Leute in Bezug auf den Atomwahnsinn wesentlich unterkühlter reagieren, wenn man seine Kosten ins Verhältnis setzt. Als Greenpeace 2005 eine Umfrage mit der Frage durchführte: „Sind Sie der Ansicht, die Regierung sollte ihre Atomwaffen erneuern oder nicht?“, sagten 46 Prozent nein, 44 ja und zehn wussten sich nicht zu entscheiden. Als man den Leuten sagte, die Erneuerung würde soviel kosten wie der Bau von 1.000 Schulen, waren 54 Prozent dagegen, und nur noch jeder dritte war dafür.
Man kann nur hoffen, die anstehenden Gesamtüberprüfung der Staatsausgaben wird zur Besinnung zwingen. Vielleicht ist ja die Idee einer gemeinsamen Politik der nuklearen Abschreckung nur eine elegante Umschreibung für das Wort Abrüstung. Was könnte eine Waffe bitteschön einer Anwendbarkeit mehr entziehen, als ihren Einsatz von einer Übereinkunft zwischen uns und den Franzosen abhängig zu machen?
Übersetzung: Holger Hutt
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