J. D .Salinger, der die Öffentlichkeit mied und in den vergangenen 45 Jahren kein einziges neues Werk veröffentlichte, war der Schöpfer Holden Caulfields, jenes delinquenten, entfremdeten Antihelden des Romans Der Fänger im Roggen, der nach seiner Veröffentlichung im Jahr 1951 für Generationen von Teenagern zur verbindlichen Schullektüre werden sollte. Doch in den vergangenen Jahren wurde sein Ruf durch zwei Veröffentlichungen beschädigt. Die erste stammte aus der Feder einer ehemaligen Geliebten, der Autorin Joyce Maynard, die in ihrem Bericht über ihre achtmonatige Affäre Salinger als Kontroll-Freak beschreibt. Nur zwei Monate später erschien die Biografie seiner Tochter Margaret, in der er als unangenehmer Exzentriker dargestellt wird.
Die New York Times nannte den Fänger im Roggen bei seinem Erscheinen einen „außergewöhnlich brillanten ersten Roman“. Doch während das Buch für die einen, die sich mit seiner Geschichte über die existentiellen Ängste eines Heranwachsenden und die Scheinheiligkeit der Erwachsenen identifizieren konnten, sofort ein Volltreffer war, wurde in anderen Lagern Alarm geschlagen. Manche Schulen erklärten das Buch zur Pflichtlektüre, an anderen wurde es auf den Index gesetzt. Eltern protestierten gegen die inflationäre Verwendung von leichten Schimpfwörtern wie „goddam“ und die gelegentliche Verwendung des Wortes „fuck“, und überhaupt schien ihnen Caulfield ein schlechtes Vorbild zu sein.
Kompletter Rückzug
Salinger äußerte vier Jahre nach der Erstveröffentlichung seine Enttäuschung darüber, dass das Buch auf so viel Feindseligkeit gestoßen war: „Mir ist bewusst, das einige meiner Freunde durch bestimmte Kapitel des Romans traurig gestimmt oder schockiert oder beides sein werden. Einige meiner besten Freunde sind Kinder. Eigentlich sind alle meine besten Freunde Kinder“, schrieb er in einer Autorenanthologie. „Für mich ist der Gedanke, dass sie keinen Zugang zu dem Buch haben sollen, beinahe unerträglich.“
John Lennons Mörder Mark Chapman gab an, ihn habe der Roman zu seiner Tat inspiriert.
Salinger veröffentlichte andere Bücher, darunter die hochgeschätzten Neun Erzählungen und Franny und Zooey, doch dann zog er sich komplett zurück. Der New Yorker druckte 1965 seinen letzten öffentlichen Text Hapworth 16, 1924. Vor zehn Jahren wurde bekannt, dass Salinger im Geheimen 15 weitere Romane geschrieben hatte, die nie veröffentlicht wurden. 1980 erklärte er in dem letzten Interview, das er gab, er schreibe nur für sich selbst. Seine Literaturagentin Phyllis Westberg verweigerte gestern Abend jeden Kommentar dazu, ob diese Romane noch existieren und möglicherweise veröffentlicht werden.
1986 erwirkte Salinger eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung einer Reihe von Briefen. Während der Verhandlung des Falls, der bis vor den US-Supreme-Court gelangte, wurde er gefragt, woran er in den vergangenen 20 Jahren gearbeitet habe. „Einfach an Fiktionen“, antwortete er. „Das ist alles. Das ist die einzige Beschreibung, die ich ihnen geben kann ... Es ist beinahe unmöglich, das zu definieren. Ich arbeite mit Figuren, und wenn sie sich entwickeln, habe ich einen Ausgangspunkt.“
Salinger wurde am Neujahrstag 1919 in New York geboren. Sein Vater, ein Jude mit polnischen Wurzeln, machte mit dem Import von Käse und Fleisch ein Vermögen. Seine Mutter behauptete immer, sie sei ebenfalls jüdisch, erst bei seiner Bar-Mizwa stellte sich das als Schwindel heraus. Wie sein Protagonist Holden Caulfield musste auch Salinger mehrmals die Schule wechseln, bevor er mit 15 Jahren auf die Militärakademie Valley Forge geschickt wurde. Dort begann er nachts mit einer Taschenlampe unter der Bettdecke zu schreiben.
Zen-Buddhismus
Seine erste Erzählung veröffentlichte Salinger 1940 in einem Literaturmagazin. Immer wieder reichte er Geschichten beim New Yorker ein, darunter auch eine Kurzgeschichte mit dem Titel „I Went to School with Adolf Hitler“, die alle abgelehnt wurden. Später jedoch nahm der New Yorker eine Kurzgeschichte über einen unzufriedenen Heranwachsenden namens Holden Caulfield an, der so zu seinem ersten Auftritt kam.
1942 wurde Salinger einberufen um im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen, seine Truppe nahm an der Landung der Alliierten in der Normandie teil. Nach der Niederlage Hitlers diente er in Deutschland bei den Besatzungsmächten. Er heiratete eine Deutsche, doch die Ehe zerbrach bald nach der Rückkehr des Paares nach Amerika.
Salinger wandte sich dem Zen-Buddhismus zu. Der Ruhm war ihm stets unangenehm und so verließ er New York ein Jahr nach der Veröffentlichung seines berühmten Romans und ließ sich in Cornish in New Hampshire nieder. JD Salinger, der mit seinem klassischen Roman über die Rebellion eines Teenagers für die eine Generation ein Schreckgespenst war und eine andere inspirierte, starb in Alter von 91 Jahren in seinem Haus in New Hampshire.
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