Um sieben Uhr morgens hatte der Himmel in San Francisco am Mittwoch die schmutzig gelbe Farbe eines mehrere Tage alten Blutergusses. Um acht trübte er sich orange, eine Dunkelheit, die sich wie Nacht anfühlte, breitete sich aus. Noch nie in meinem Leben hatte ich an einem Morgen ein solch unnatürliches und beunruhigendes Gefühl, als es, anstatt Tag zu werden, immer düsterer wurde. Die Menschen in Kalifornien berichteten davon, dass die Singvögel, die man normalerweise hörte, verstummt waren. Seit dem Blitzgewitter, das während der Hitzewelle Mitte August diese lodernde Feuerzeit entzündet hat, war die Sonne an manchen Tagen rot. Bei Vollmond leuchtet auch der Mond rot, aber an diesem Morgen war durch die Düsternis keine Sonne zu sehen. Stattdessen fiel Asche; die Asche von Bäumen, Wäldern, Häusern, die Asche von Städten und Träumen, die in Flammen aufgegangen waren. In diesem seltsamen Licht sah die Welt um uns herum geisterhaft aus, unnatürlich, verstörend.
Ich weiß von Freunden und Familie, dass der Rauch, das Licht und die Hitze fast überall in der Gegend rund um die Bucht von Los Angeles noch schlimmer waren. Überall gibt es Feuer, Stromausfälle, Evakuierungen. Mehr als 14.000 Feuerwehrleute kämpfen gegen eine monströse neue Dimension von Waldbrand. Noch nie war die Feuersaison im Westen des Landes so schlimm. Katastrophale Brände im Bundesstaat Oregon legten eine ganze Kleinstadt in Schutt und Asche. In der Nähe von Oroville im Nordosten von Kalifornien breitete sich ein Feuer innerhalb von 24 Stunden über eine Fläche von über 1.011 Quadratkilometer aus. Das ist eine neue Art von Feuer. Wir befinden uns in einer neuen Ära.
Wir erleben das vierte Jahr einer durch die Klimakrise bedingten Waldbrandsaison, die, was Dauer, Ausmaß und Intensität angeht, schon jetzt in mehrerlei Hinsicht schlimmer ist als in den vergangenen drei Jahren. Sie folgt auf eine beispiellose Hitzeperiode in fast ganz Kalifornien, mit Temperaturen, die für die meisten von uns nicht vorstellbar waren: 49,4 Grad Celsius im Bezirk Los Angeles letzte Woche. Ich habe mein ganzes Erwachsenenleben lang in San Francisco gelebt, was bedeutete, in Verbindung zum Pazifik und seinem feucht-kühlen Nebelatem zu leben.
Alle Rekorde übertroffen
In letzter Zeit wusste ich oft nicht, ob ich Nebel oder Rauch sah, ob es sich freundlich oder feindlich anfühlen sollte, wenn ich den grauen Himmel sah, bis ich in ihn hinausging. Am Mittwoch breitete sich eine Schicht aus feuchtem Nebel über der Bucht aus, darüber Rauch, wodurch die seltsame Dämmerung entstand, die uns jetzt bedrückt. Der Ozean ist hier ein Wohltäter, der uns kühle, frische, saubere Luft bringt – der größte Teil unseres Wetters kommt vom Pazifik –, aber wir erwidern die Wohltaten nicht: Die Ozeane haben den größten Teil jener Erwärmung aufgenommen, die der Klimawandel erzeugt hat, mit katastrophalen Folgen, verstärkten Wirbelstürmen und Taifunen. Und selbst der Ozean kann uns jetzt nicht retten: Die Herbstwinde – die Diablo-Winde hier in Zentralkalifornien, die Santa-Ana-Winde in Südkalifornien – werden aus dem trockenen Osten sengende Luft herübertragen, die die Brände verstärken wird. Wir stehen am Anfang unserer Wahldbrandsaison, und schon jetzt sind alle Rekorde übertroffen.
Der Klimawissenschaftler Daniel Swain von der UCLA, der regelmäßig über Wetter und Klima schreibt, sagte am Mittwochmorgen: „Alle sind im Moment überfordert, zugleich geschieht so viel anderes, dass ich nicht glaube, dass es im Moment die kollektive Bandbreite gibt, um zu verarbeiten, was gerade passiert. Die Standardverfahren zur Berichterstattung und Kartierung sind nicht mehr in der Lage, mit der Ausbreitungsgeschwindigkeit Schritt zu halten, die wir bei diesen Bränden sehen – es ist historisch beispiellos.“
Pacific Gas and Electric, das Versorgungsunternehmen, das für schreckliche Brände in den vergangenen Jahren verantwortlich war – darunter auch für den, der 2018 die Stadt Paradise vollständig zerstörte –, stellt jetzt den Strom ab, um zu verhindern, dass die schlecht gewarteten Anlagen des Unternehmens unter heißen, trockenen und windigen Bedingungen Brände auslösen. Wegen der Corona-Pandemie haben wir versucht, möglichst viel unseres Lebens nach draußen zu verlagern. Aber die Brände sorgen für so schlechte Luft, dass es sicherer ist, drinnen zu bleiben. Dort überprüfen wir den AQI, den Luftqualitätsindex, oder verfolgen die Brände online.
Einige der Menschen, denen jetzt eine Evakuierung oder schlimmer noch ein Brand im Gebiet von Oroville droht, waren dorthin umgesiedelt, nachdem ihre Häuser in Paradise niedergebrannt waren. Im Bezirk Sonoma bereiten sich die Menschen, die in den vergangenen Jahren evakuiert werden mussten, erneut darauf vor. Die Kalifornier lieben ihre Landschaft, viele haben sich dafür entschieden, so nah an der Wildnis wie möglich zu leben. Jetzt sind Städte der sicherste Ort. Ein Landwirt, dessen Gemüse ich seit 15 Jahren kaufe, hat an der Küste von Santa Cruz sein Haus und alle seine Gerätschaften verloren. Seine Ernte hat überlebt. Aber als ich am Sonntag zu seinem Stand ging, ging er gebückt und vermied Augenkontakt, ein gebrochener Mann.
Eine Luftaufnahme von Kalifornien und Oregon würde heute eine Landschaft zeigen, die zu großen Teilen im Rauch erstickt. Dabei sind wir politisch zusammen mit Washington der blaue Wall der Vereinigten Staaten, jene stabile, demokratische Region, in der die Politik den Klimawandel anerkennt und zu bekämpfen versucht. Während ich hier unter diesem dunkelorangenen Himmel sitze, hoffe ich, dass all das zu einer dramatischen Eskalation des Kampfes gegen die Klimakrise führt, auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene. Das ist das Einzige, was dem Umfang der Katastrophe angemessen ist.
Kommentare 5
Da würde sich doch Corona optimal als Lebensverkürzer und Menschenvernichter anbieten. War vermutich von der Natur auch so gedacht. Wird aber nicht zugelassen, und zwar u.a. genau von den neoliberalen Akteuren, die skrupellos ihre Interessen in Sachen Geld, Kommerz, Macht und Gier umgesetzt sehen wollen und natürlich von den Menschen, die Angst vor dem Tod haben. Dabei wäre der Tod an Corona dem Tod durch apokalyptisch ausnehmende Umweltkatastrophen sicherlich vorzuziehen - also das kleinere Übel sozusagen. Die Natur will sich des Menschen entledigen, dem Parasiten. Recht hat sie. Und der Kampf des Menschen gegen Corona ist nur noch ein letztes Aufbäumen. Mir ohnehin schleierhaft, wie der Mensch auf die Idee kommen kann, dass er die Natur dauerhaft austrixen kann bzw. noch irgendwas an den Vorgängen aufhalten oder gar rückgängig machen kann. Ein weiterer klarer Fall von totaler Selbstüberschätzung. Mensch halt.
Elections, ha ha. Voting for whom?
Voting cattle?
System. Change. Now.
>>Da würde sich doch Corona optimal als Lebensverkürzer und Menschenvernichter anbieten.<<
Pest wäre wesentlich effizienter.
Der Begriff "Natur" wird von vielen Menschen immer noch romantisch verklärt. Natur wird mit Idylle, Harmonie, Ruhe, Beschaulichkeit konnotiert. Aber selbst die Wildnis wird vom Menschen häufig romantisiert. Der Homo poeticus spricht dann gerne von den Urgewalten, "Natur pur" oder von "Freiheit und Abenteuer".
Auch dieser Waldbrand ist Natur und zwar Natur pur, denn der Natur ist das vollkommen egal, wieviele Häuser und Bäume abbrennen, Menschen und Tiere dabei sterben und ob der Himmel sich blutrot oder orange verfärbt.
Viele unbehaarte Affen auf zwei Beinen glauben immer noch daran, dass die Spezies Mensch die "Krönung der Schöpfung" bzw. die Spitze der Evolution auf diesem Planeten wäre.
Dieser Planet existiert seit ein paar Milliarden Jahren. Gemessen daran gibt es den Menschen erst seit wenigen Minuten. In diesen wenigen Minuten haben der selbsternannte homo sapiens zusammen mit dem homo oeconomicus die Umwelt auf diesem Planeten durch ihre maßlose Gier und ihren zügellosen Egoismus massiv beeinflusst.
Die selbsternannte Krönung der Schöpfung will das aber nicht bzw. immer noch nicht wahrhaben. Die einen ignorieren oder verharmlosen die Probleme und ihre Ursachen, andere leben nach dem Motto: rette sich, wer kann. Wieder andere sagen, dass wäre sogar gottgewollt.
Wenn 16-jährige autistische Schülerinnen wie Greta Thunberg diese Missstände kritisieren, dann werden sie häufig belächelt oder in manchen "Qualitäts"-Medien sogar mit verbalem Dreck beworfen. Verantwortlich dafür ist aber, auch das zeigt die kurze Geschichte des Menschen, nicht die Überbringerin der schlechten Nachricht. Verantwortlich dafür ist die schizophrene Mischung aus Arroganz, Ignoranz, Dekadenz, Opportunismus, Scheinheiligkeit, Gier und Egoismus der Spezies Mensch.
Die Spezies Mensch ist im Jahr 2020 in der Lage, Autos mit 1.000 PS zu konstruieren, die von 0 auf 100 km/h in drei Sekunden beschleunigen und Nachrichten binnen einer Sekunde rund um den Globus zu schicken. Auf der anderen Seite schafft es diese Spezies nicht, wie die Flüchtlingslager in Lampedusa usw. zeigen, dass im Jahr 2020 jeder Mensch auf diesem Planeten ein Dach über dem Kopf und jeden Tag genug zum Fressen hat.
Vielleicht ist der Mensch nicht die Krönung der Schöpfung, sondern ein Irrläufer der Evolution. Wenn der Mensch nicht in der Lage ist, zu begreifen, dass er seine eigene Lebensgrundlage vernichtet, dann ist es Zeit, dass die Spezies Mensch von diesem Planeten verschwindet. Die Natur lebt auch ohne den Menschen weiter, denn der Natur ist das vollkommen schnurzpiepegal.
>>Wenn der Mensch nicht in der Lage ist, zu begreifen, dass er seine eigene Lebensgrundlage vernichtet, dann ist es Zeit, dass die Spezies Mensch von diesem Planeten verschwindet.<<
Wenn diese "Krone der Schöpfung" noch ein paar Jahrzehnte so weiter macht wie gehabt, dann wird die Art homo sapiens zweifellos aussterben. Einige wissen das, haben aber kaum die Macht etwas zu ändern. Anderen ist es schnurzpiepegal, und die die Macht das Aussterben der Art (und einiger anderer) zu bewirken. Für diejenigen, die wollen, dass Menschen für die nächsten Jahrtausende in Gesundheit/Wohlbefinden/Lebensfreude existieren können geht es also darum, mehr demokratische Gegenmacht zu gewinnen. Ich denke, allzu zimperlich dürfen wir dabei nicht vorgehen, denn die verfügbare Zeit läuft ab.