Der Kampf gegen Aids wird billiger

Durchbruch Die Clinton Foundation hat einen Bericht vorgelegt, nach dem die Behandlung von HIV-Positiven viermal weniger kostet als man bislang glaubte
Ex-Präsident Bill Clinton kann in seinem Kampf gegen HIV in Afrika einen Erfolg verbuchen
Ex-Präsident Bill Clinton kann in seinem Kampf gegen HIV in Afrika einen Erfolg verbuchen

Foto: Samuel Kubani/AFP/Getty Images

Geldmangel kann nicht mehr länger als Grund – oder Ausrede – angeführt werden, wenn es darum geht, dass HIV-Kranken lebenserhaltende Medikamente vorenthalten werden. Bahnbrechende neue Erkenntnisse der Clinton Foundation zeigen, dass die wahren Kosten nur ein Viertel der bisher veranschlagten Summen betragen.

Diese bemerkenswerten und äußerst bedeutsamen Ergebnisse werden bei der Welt-Aids-Konferenz, die gegenwärtig in Washington D.C. stattfindet, die Stimmung heben und helfen, Barack Obama und andere Spender dazu zu bewegen, tiefer in die Taschen zu greifen. Denn es braucht viel weniger, als bislang vermutet, um Menschenleben zu retten, die Geschwindigleit, mit der das Virus sich ausbreitet, zu verlangsamen und das Anliegen einer Aids-freien Welt zu verwirklichen.

Die Arbeit der Clinton Health Access Initiative (CHAI) zeigt, dass die Gesamtkosten einer Behandlungen in Gesundheitseinrichtungen – einschließlich von Medikamenten, Labortests, Gehältern der Angestellten im Gesundheitsdienst und anderer Fixkosten – sich in Äthiopien, Malawi, Ruanda und Sambia auf durchschnittliche 200 Dollar belaufen – vier der von Aids betroffenen afrikanischen Nationen, in denen die Untersuchungen durchgeführt wurden. In Südafrika liegen sie aufgrund der höheren Löhne und Laborkosten mit 682 Dollar am höchsten.

Zu hohe Kosten nur eine Ausrede?

Bislang war man allgemein davon ausgegangen, die Behandlung eines Patienten koste pro Jahr im Durchschnitt 880 Dollar – Grundlage hierfür war eine Studie des Emergency Plan for Aids Relief (Pepfar) des amerikanischen Präsidenten, die vor zwei Jahren auf der Internationalen Aids-Konferenz in Wien vorgestellt wurde. Bernhard Schwartländer, Strategiedirektor bei UNAids, zufolge sollte die CHAI-Studie zu neuem Optimismus Anlass geben. „Ich halte das Kostenargument für falsch und glaube, dass es nur als Ausrede diente. Wir werden mehr Geld brauchen, aber es ist nicht mehr untragbar viel.“

Die Kosten sind insbesondere vor dem Hintergrund jüngster wissenschaftlicher Ergebnisse von Bedeutung, die zeigen, dass die Einnahme antiretroviraler Medikamente erheblich das Risiko senkt, dass weitere Personen infiziert werden, dass also die Weiterverbreitung gestoppt und Menschenleben gerettet werden können. CHAI wird ebenfalls bekanntgeben, dass sie die Preise für einige der wichtigsten neuen Medikamente, die für eine Behandlung benötigt werden, um ein Drittel herunterhandeln konnte. Ex-US-Präsident Bill Clinton begrüßte die Ergebnisse als einen Beleg dafür, dass es möglich ist, allen 15 Millionen Menschen, die HIV-Medikamente brauchen, diese auch zu einem erschwinglichen Preis zugänglich zu machen – so das Ziel für 2015. Gegenwärtig werden acht Millionen behandelt. „Jetzt ist der Nachweis erbracht, dass ein universaler Zugang zu einer hochwertigen HIV-Behandlung leistbar ist und im Rahmen unserer Möglichkeiten liegt“, so Clinton. „Zusammen öffnen Kostenstudie und Preisreduzierung die Tür, die Versorgung auch auf die sieben Millionen Menschen auszuweiten, die gegenwärtig keine Behandlung erhalten. Diese Behandlung wird die Weiterverbreitung von HIV verhindern und Leben retten.“

CHAI arbeitete mit dem Center for Global Development und den Regierungen der beteiligten Länder zusammen, um für das letzte erfasste Geschäftsjahr (überwiegend 2010) Daten von 161 Gesundheitseinrichtungen zu erheben. Ursprünglich hatte man herausfinden wollen, ob Einsparungsmöglichkeiten bestehen. Aber die Wissenschaftler fanden heraus, dass Löhne und andere Kosten bereits so niedrig sind, dass dies außer in Südafrika wohl kaum möglich sein wird. Am niedrigsten liegen die durchschnittlichen Kosten pro Patient mit 136 Dollar pro Jahr in Malawi, gefolgt von Äthiopien mit 186 Dollar, Ruanda mit 232 und Sambia mit 278 Dollar. Im Durchschnitt machten die Medikamente fast die Hälfte der Kosten aus. Diese werden langsam ansteigen, wenn die wirksameren und teuereren Medikamente zur Anwendung kommen, die die Weltgesundheitsorganisation jetzt empfiehlt. CHAI hingegen steht kurz davor, einen Deal mit Generikaherstellern bekanntzugeben, der die von der Weltgesundheitsorganisation empfohlene Behandlung mit Tenofovir von 339 Dollar im Jahr 2007 auf 125 Dollar verringern wird. CHAI zufolge können die Regierungen damit zwischen heute und 2015 über 500 Millionen Dollar einsparen.

6 Milliarden für 20 Millionen HIV-Patienten

Kate Condliffe, die die HIV-Programme der CHAI leitet, sagt, man habe lange gedacht, der finanzielle Aspekt verhindere in vielen Ländern die Ausweitung der Behandlung. „Die Vorstellung höherer Behandlungskosten hing wie eine Wolke über den Gesprächen, wie man die Behandlung beschleunigen kann“, sagt sie. „Man sitzt da und redet über die Behandlungsmöglichkeiten und sollte in Anbetracht des medizinischen Fortschritts eigentlich unglaublich optimistisch sein. Man ist es aber nicht, weil man sich Sorgen um die Realisierbarkeit und die Kosten macht.“

Während es bei der Behandlung in den Kliniken nur wenige Einsparungsmöglichkeiten gibt, herrscht ein großer Unterschied zwischen den Kosten, die bei den Gesundheitseinrichtungen anfallen und denjenigen auf Regierungsebene. Dies illustrierte in der vergangenen Woche der große UNAIDS-Bericht, der die Kosten auf nationaler Ebene in Sambia um ein Drittel höher einschätzte als in der Klinik. Das läge unter anderem daran, dass Programme auf Regierungsebene mit externen Geldern finanziert würden, die die Verwaltungskosten der Initiativen erhöhen. Schwartländer zufolge läge die Gesamtsumme für die Behandlung von 20 Millionen Menschen selbst bei jährlichen Kosten von 300 Dollar pro Patient, lediglich bei sechs Milliarden Dollar. „Das ist nicht übermäßig viel. Das kann man wirklich in den Griff bekommen. „Sehen Sie sich nur an, wie viel Geld in Ländern mit niedrigen Einkommen in Umlauf ist. Sechs Milliarden sollten uns nicht aus der Fassung bringen – das ist nicht unmöglich. Wir brauchen eine andere Sicht auf die Dinge als die Vorstellung von der „Behandlung als tickender Zeitbombe“.

Sarah Boseley ist Gesundheitsredakteurin des Guardian in Washington. Für ihre Berichterstattung über HIV/Aids ist sie mehrfach ausgezeichnet worden

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