Doogeln - die neue Versuchung

Internet Eigentlich will man alles über den neuen Schwarm wissen. Aber soll man ihn vor dem ersten Date googeln? Keine einfache Frage, denn das könnte Konsequenzen haben

Sie haben Langeweile, Sie sitzen vor einem Computer und in ein paar Tagen haben Sie ein Rendezvous mit einer Person, mit der Sie das erste Mal verabredet sind. Ist es ratsam diese Person jetzt zu googeln? Es dauert doch nur eine Minute. Und überhaupt, was soll da schon dran sein?

Viele Gründe sprechen dafür, es zu tun. Von der reinen Neugier einmal abgesehen könnten Sie Sachen herausfinden, die Sie unbedingt wissen müssten. Wie die Frau aus New York, die vor vier Jahren ihre Verabredung googelte und einen Haftbefehl des FBI fand. Der Mann war seit einem Jahr auf der Flucht, ihm wurde vorgeworfen, 100.000 Dollar gestohlen zu haben. Die Frau ist an jenem Freitag nicht bei ihrem Date aufgetaucht, die Beamten von der amerikanischen Zentralbank erklärten sich aber bereit einzuspringen.

In vielen Bereichen ist das Date-Googlen (ich nenne es jetzt einfach mal „doogeln“) gesellschaftlich akzeptiert – dabei beschafft man sich Informationen, die man einst nur über einen Privatdetektiv erhalten hätte. Zara Percy ist Geschäftsführerin der britischen Partner-Agentur The County Register (die beruhigend netzfern agiert) und absolute Expertin in Sachen Romantik. Sie sagt: „Ich denke, wenn sie den Nachnamen der anderen Person kennen, machen es die meisten Leute. Es ist schwer dieser Versuchung zu widerstehen und es ist ja nicht so, dass man dadurch gleich ein besessener Stalker wäre.“ Sie gibt jedoch zu bedenken: „Es kann einen aber auch in schwierige Situationen bringen, in denen man etwas weiß, das man nicht wissen sollte und dann, wenn das Thema aufkommt, Unwissenheit vortäuschen muss.“

Das Problem ist, dass Sie die Ergebnisse Ihrer Suche bei der Verabredung selbst nicht erwähnen dürfen. Doch haben Sie einmal herausgefunden, dass ihr Gegenüber schon einen Filmpreis gewonnen oder drei Jahre in der Mongolei traditionellen Kehlgesang gelernt hat, werden Sie sich dabei ertappen, wie Sie das Gespräch in die entsprechende Richtung lenken. Dann wird die Sache verkrampft - mit der Lust am gegenseitigen Entdecken hat das nichts mehr zu tun. Und nicht nur das – man läuft auch noch Gefahr zu vergessen, was die Verabredung einem bereits erzählt hat und was man schon weiß, eigentlich aber noch gar nicht wissen sollte. Dann kann man auf die Frage nach dem Befinden des Kaninchens des Anderen schon mal einen komischen Blick ernten.

Wie auch immer man sich entscheidet, die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Andere einen ebenfalls gegoogelt hat: Eine Umfrage in den USA hat kürzlich ergeben, dass die „Doogle“-Quote bei 43 Prozent liegt. Warum sollte es in Deutschland anders sein? Damit ist es nun auch nicht länger Ausdruck purer Eitelkeit, sich selbst zu googeln. Nein, die Suchmaschine ist zu einem virtuellen Spiegel geworden, in den wir vielleicht mal einen prüfenden Blick werfen sollten.

Dummerweise sind es oft sonderbare Informationen, die die Internet-Selbstsuche zu Tage bringt und die dann auch noch unser Bild bestimmen soll: Eine vor Ewigkeiten unterschriebene Online-Petition, ein alter Essay für eine Studentenzeitung, ein vor Jahren geposteter und längst vergessener Kommentar auf irgendeiner Internetseite. Darüber wer und wie wir wirklich sind, sagt das wenig.

Doch es gibt ja auch noch diese praktische Seite mit der umfangreichen Bilder- und Videogalerie und einer Liste aller unserer Freunde. Vielleicht sollte man dort vor dem nächsten Date noch mal suchen.


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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Seb Emina, The Guardian | The Guardian

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