Du schaffst es, Baby!

Tourismus Ein Luxushotel in Italien bietet jetzt ein „Barbie-VIP-Paket“ für kleine Mädchen an. Feministinnen sind sauer
Ausgabe 31/2014

Nein, Eltern haben es nicht leicht. Auch nicht, wenn sie wohlhabend sind. Im verzweifelten Bemühen, wenigstens im Urlaub ein paar Stunden Ruhe zu finden, müssen sie eine Bespaßung für den anspruchsvollen Nachwuchs organisieren. Etliche Reiseveranstalter bieten da nur zu gern ihre Dienste an. Und genau solch ein Urlaubsanbieter steht nun mächtig in der Kritik, vor allem bei Feministinnen. Der Vorwurf: Mit seinem Ferienprogramm für Familien fördere er schädliche Geschlechterklischees.

Konkret geht es um das Resort Forte Village auf der italienischen Mittelmeerinsel Sardinien, eine Luxusunterkunft, die „die Wünsche eines jeden Gastes wahr werden lässt“, wie die Lifestyle-Postillen des britischen Condé-Nast-Verlags schon jubelten. Tatsächlich bietet die Anlage zwei „Barbie-VIP-Pakete“ an – in den Varianten „Pink“ und „Glamour“ –, die schon zweijährigen Mädchen ein „glamouröses und traumhaft schönes“ Aussehen versprechen. Rund 450 Euro kostet das die Eltern pro Woche.

Wer für einen siebentägigen Urlaub für eine vierköpfige Familie rund 6.000 Euro hinlegt, kann sich das leisten – und kann dann eben ein wenig Zeit für sich genießen, während die kleinen Prinzessinnen ihre Tage in einem pinkfarbenen „Barbiehaus“ verbringen. Dort lernen sie, wie man Schmuck bastelt, Outfits für Puppen entwirft und wie man über einen Laufsteg zu gehen hat. Gegen einen Aufpreis bekommen die lieben Kleinen auch eine Maniküre und eine Gesichtsbehandlung.

Die britische Feministin und Aktivistin Caroline Criado-Perez nennt diese Angebote „deprimierend“. Sie sagt: „Ich finde es schlimm, dass wir Mädchen schon in einem so frühen Alter beibringen, dass sie Rosa mögen, sich hübsch machen und es gut finden müssen, wenn andere sie ansehen. Wenn sie dann erwachsen sind, kritisieren wir sie, wenn ihnen ihr Aussehen wichtig ist.“ Und weiter: „Mit zwei wird uns gesagt, wir müssten uns um unser Aussehen kümmern. Später dann werden wir verlacht, dann heißt es, wir würden einem unmöglichen Ideal hinterherjagen.“

Mamis Liebling mit Make-up

Tatsächlich sorgt das Barbie-Angebot aus Italien für einigen Wirbel in der britischen Öffentlichkeit. Die Reisebeilage der Sunday Times empfahl das Ferienpaket all jenen Eltern, deren Töchter „nicht bezaubernd und mädchenhaft“ genug seien. Das ist wohl mit einem ironischen Augenzwinkern zu verstehen. Auf Twitter wurde die Idee „entsetzlicher als entsetzlich“ genannt, User(in) @ugglymuggly schrieb: „Ich glaub, ich muss mich übergeben.“

Der Zorn gegen Geschlechterstereotype bei Spielzeugen und anderen Produkten für Kinder hat in Großbritannien fast schon so etwas wie eine eigene Tradition. 2008 formierte sich hier die Initiative Pink stinks (Pink stinkt). Seit 2012 kämpfen auch in Deutschland Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen, Pädagoginnen – unter ihnen auch Männer – gegen die „Masse an einseitigen Frauenrollenbildern“, wie es bei pinkstinks.de heißt.

Eine zweite britische Initiative heißt Let Toys Be Toys, (Lasst Spielzeuge Spielzeuge sein). Sie hat sich darauf spezialisiert, auf Buchverlage und Spielzeughersteller einzuwirken. Zu dem italienischen Barbie-Urlaub für Kleinkinder sagt Sprecherin Megan Perryman: „Es ist empörend, dass das Angebot schon auf Zweijährige abzielt. Es zementiert die Vorstellung, dass Jungs und Mädchen sich auf eine bestimmte Art und Weise zu verhalten hätten, anstatt sie als Individuen zu behandeln. Kinder mögen Regeln und sie wollen gern gefallen. Das führt in einen Teufelskreis: Dem Kind wird gesagt, was es bedeutet, ein Mädchen zu sein – es probiert sich in dieser Rolle aus und versucht also, ihr zu entsprechen.“

Forte Village ist nicht das einzige Reiseunternehmen, das versucht, Kapital aus der Popularität der berühmten Plastikblondine zu schlagen, die, wie Wissenschaftler feststellten, als Frau aus Fleisch und Blut nicht einmal ihre Menstruation bekommen könnte, einfach weil sie zu dünn ist. Das internationale Kreuzfahrtunternehmen Royal Caribbean bietet für Mädchen von vier bis elf die „Barbie Premium Experience“ an: eine „Kreuzfahrt voller Spaß, Mode und unvergesslicher Augenblicke“.

Auf die Kritik angesprochen, betont eine Sprecherin von Forte Village, wie beliebt das Barbie-Programm sei, nicht nur wegen des „sicheren Umfelds“, in dem es stattfinde. „Für die kleinen Mädchen ist es eine ganz besondere Erfahrung. Alles ist sehr kindgerecht.“ Als eines der Highlights kündigt das Werbematerial die Unterstützung einer professionellen „Schönheitsexpertin“ an. Diese helfe den Kids, „eine Barbie-Modenschau mit dem bezauberndsten Make-up und Hairstyling zu veranstalten“.

Der Sohn mag Prinzessinnen

Victoria Smith, eine britische Mittelschichtsmutter, ist so sauer wie viele andere. „Mit acht oder neun hätte ich so etwas bestimmt geliebt. Ich glaube auch nicht, dass es Kindern schadet, wenn sie sich aus Spaß mal schminken. Was mich aber stört, ist, dass das Ganze so stark auf ein einziges Geschlecht ausgerichtet ist“, sagt sie. „Unsere Welt ist von der Unterteilung der Geschlechter in Blau und Rosa geradezu besessen. Wenn Jungs sich für Mode interessieren, haben wir sofort ein Problem damit. Einer meiner Söhne liebt Glitzer und lange Haare, alles, was mit Prinzessinnen zu tun hat. Aber ich merke schon, dass er anfängt, sich zu fragen, ob er das überhaupt ,darf‘.“

Dadurch, dass die Barbie-Urlaubspakete sich ausdrücklich an Mütter und Töchter richteten, entstehe der Eindruck, dass es bei Make-up und Glitzer nicht ums Spielen gehe, sondern um eine ernsthafte Vorbereitung auf das Frau-Sein, sagt Smith. „Es wird so getan, als wäre das Sich-schön-Machen ein Wert an sich – obwohl es in Wahrheit doch sehr banal und langweilig ist.“

Alexandra Topping schreibt für den Guardian

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Mit Lust am guten Argument

Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Alexandra Topping | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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