Ibiza war lange Zeit die Insel der Bohème, mit einer faszinierenden Musikszene und einem entspannten, internationalen Vibe. Aber die Zeiten haben sich geändert, der Bling hat die Bohème abgelöst und die Clubszene ist immer berechenbarer geworden. Junge Menschen aus Asien und Europa haben daher längst einen anderen Ort für sich entdeckt: die indonesische Insel Gili Trawangan. So wie Ibiza in den frühen Sechzigern (als Beatniks die Insel entdeckten) und späten Achtzigern (Acid House) wird auch diese winzige Insel nord-westlich von Lombok gerade ihren Ruf als Treffpunkt der Rucksacktouristen los.
Die Szene ist noch nicht festgelegt, sie ist hedonistisch und unberechenbar: Designer aus Hong Kong, Modefreaks aus Tokio, Reisende aus Großbritannien, Tau
nnien, Tauchfanaktiker und Kreative aus Indonesien. Trawangan ist buchstäblich ein Fleckchen Erde in den Tropen, die Insel ist nur wenige Kilometer lang und eineinhalb Kilometer breit, etwa eine Bootsstunde von Bali entfernt. Die Erdbebenregion Sumatra ist 2.000 Kilometer entfernt. Von dem verheerenden Erdbeben vor drei Monaten war auf Trawangan nichts zu spüren. Hier bestätigen sich alle Klischees von der einsamen Insel: blendend weißer Sand, Strände, die von Kokospalmen gesäumt sind, türkises Wasser und ein Korallenriff. Hier lässt sich der tropische Traum ausleben: Erst geht man Schnorcheln, dann labt man sich an frischen Meeresfrüchten, schließlich nimmt man ein paar Getränke unter dem Sternenhimmel zu sich, vielleicht wird noch getanzt.Kein Auto. Kein Moped. NadaWirklich außergewöhnlich machen Gili Trawangan jedoch nicht ihre Idylle oder die netten Bars. Trumpf dieser Insel ist, dass es dort keine Autos, Motorräder oder andere Fahrzeuge gibt. Nicht einmal ein Moped. Nada. Die Bewohner der Insel haben für eine nachhaltige Entwicklung gestimmt, um jene Fehler zu vermeiden, die Balis Reisfelder in eine Verkehrshölle verwandelt haben. Auf Trawangan kann man sich ausschließlich zu Fuß, mit dem Fahrrad oder auf einem Cidamo fortbewegen – einer Art Taxi, das aus einem Pferd und einem Karren besteht. Innerhalb weniger Stunden kann man entlang eines herrlichen Pfades, der sich zwischen Kokospalmen hindurchschlängelt, um die ganze Insel spazieren.Trawangans Reichtum wächst, doch die Atmosphäre bleibt bohèmehaft. Auf der sandigen Hauptstraße werden Magic Mushrooms („Die bringen dich in den Himmel und zurück“), handgemachter Schmuck und Sarongs verkauft. Entlang der Hauptstraße stehen wacklige Holzimbisse, sogenannte Warung, in denen Nasi Goreng gebraten wird. Daneben betreiben Briten elegante Läden wie das „Horizontal“, das mit einer dekadenten Cocktailauswahl und einer modernen Speisekarte aufwartet.Nachts tönt aus den Bars am Strand Lounge-Musik, später verlagert sich das Nachtleben auf die erklärten Party-Locations. Bis vor ein paar Jahren bot das Nachtleben der Insel kaum etwas anderes als monotone Industrial-Beats, die ein örtlicher DJ mit zweifelhaftem Ruf abfeuerte. Die Zeiten haben sich geändert, heute stehen DJs aus Bali an den Plattentellern, ab und zu verirrt sich eine DJ-Größe hierher. Timo Maas zum Beispiel legte 2009 auf Trawangan auf. Die Großen der Szene kommen auch mal ohne Gage auf die Gilis, einfach um an einem traumhaften Strand vor einem entspannten Publikum aufzulegen.Tagsüber zieht es die meisten zu den Korallenriffen, die Trawangan und die Nachbarinseln umgeben. Das Meer rund um die Insel erholt sich gerade langsam von den Folgen jahrelanger Überfischung und den Auswirkungen des El-Niño-Phänomens, das 1997 die Meerestemperatur so ansteigen ließ, dass die Korallen ausbleichten. Vor vier Jahren vereinbarten die sechs Tauchschulen der Insel mit den Bewohnern einen Deal. In der Hoffnung, dass sich die Artenvielfalt im Meer regenerieren würde, bezahlten sie die Fischer dafür, dass sie ihre Netze in der Gegend nicht auswarfen.Das Ergebnis ist beeindruckend. Nicht nur die wichtigsten Raubfische (darunter meterlange weiße Haie und Schwarzspitzen-Riffhaie) sind zurückgekehrt, auch kleinere Spezies (darunter die gespenstisch aussehende Seenadel und mehrere Seepferdchen-Arten). Taucher können sich ziemlich sicher sein, dass sie auf Schildkröten stoßen. In Vollmondnächten kreuzen behäbige Büffelkopf-Papageifische, die Ableger der Korallen verschlingen. Das Meerwasser ist so klar, dass man beim Schnorcheln in Küstennähe einzelne Sandkörner erkennen kann.Erneuerung der RiffeDas Fischereiembargo wird durch ein Projekt namens Biorock ergänzt, das die Erneuerung des Riffs fördert. Es sorgt dafür, dass Korallen, die sich von ihrem Riff entfernt oder gelockert haben, eingesammelt und an ein anderes Riff verpflanzt werden. Sie benutzen Niedrigstrom-Elektroden, um elektrolytische Reaktionen zu erzeugen, die das Wachstum der Korallen beschleunigen und ein künstliches Riff entstehen lassen können. Das Ergebnis kann man sich wenige Meter vom Hauptstrand der Insel entfernt in einer Tiefe von acht Metern ansehen. Hier zischen Clownfische in die Korallen hinein und wieder heraus und violett-gelbe Nacktkiemer klammern sich an das noch nicht ausgereifte Riff.Das befristete Fischerei-Verbot war ein großer Erfolg, doch es zieht kulturelle Probleme nach sich. Trawangan war bis vor 50 Jahren unbewohnt. Die ersten Siedler kamen von der Insel Sulawesi, Fischer vom Stamm der Bugis. Das Leben ihrer Kinder hängt nun vor allem vom Tourismus ab. Die Bevölkerung ist überwiegend muslimisch, und es ist wichtig, dass ihre religiösen Gefühle nicht verletzt werden. Bikinis sind am Strand in Ordnung, Oben-ohne-Sonnenbäder jedoch tabu. Auf Spaziergängen sollte man sich zumindest einen Sarong um die Hüften schlingen. Alkohol ist fast überall verfügbar, im Ramadan fasten die meisten auf der Insel. Partys finden nicht statt. Den Besuchern steht es jedoch frei, wann sie essen und trinken wollen.Wem Trawangan immer noch nicht ursprünglich genug erscheint, der kann auf eine der beiden anderen Gili-Inseln ausweichen. Da wäre zum einen Meno, auf der vollkommene Ruhe herrscht, da dort nur etwa 300 Menschen leben. Die andere heißt Air. Hier gibt es nichts außer ein paar kleine Restaurants am Strand.