Seit Pauline Hanson, Mitbegründerin der ultranationalen One Nation Party, keinen Sitz im australischen Parlament mehr hat, ist sie in Australien auf den Titelseiten der Boulevardblätter gelandet. Hanson war bei Dancing with the Stars zu sehen, der australischen Version von Let’s Dance. In der australischen Presse kursierten schlüpfrige Fotos, die angeblich vor drei Jahrzehnten aufgenommen worden waren und sich schließlich als Fälschungen entpuppten.
Doch nichts kann den jüngsten Schachzug in der Hanson-Saga übertrumpfen: Die überzeugte Nationalistin wird nach Großbritannien auswandern. „Ich denke, dass es ein Abschied für immer wird“, erklärte Hanson Anfang der Woche. „Leider ist das 'Land der Möglichkeiten' nicht mehr für mich geeignet.“
Diese Geschichte trieft nur so vor köstlicher Ironie. Wer sich mit der jüngeren Geschichte Australiens ein wenig auskennt, der weiß über Hansons Akte Bescheid. 1996 erklärte sie als frischgewählte parteilose Abgeordnete in ihrer Antrittsrede vor dem australischen Parlament, das Land werde „von Asiaten überschwemmt“. Sie gründete die One Nation Party, deren Parteiprogramm darauf abzielte, die Migration auf Null zu reduzieren und jede Form von Multikulturalität zugunsten einer „Assimilierung“ zu unterbinden. Nun wird Australiens bekannteste Kämpferin gegen die Einwanderung selbst zur Migrantin.
Wie sie in Großbritannien aufgenommen wird, weiß keiner. Aber es ist davon auszugehen, dass sie einen Schock erleben wird, wenn sie nach ihrem langen Flug in Heathrow britischen Boden betritt. Der Verdacht liegt nahe, dass Hanson sich ausmalt, sie werde das Britannien vergangener Zeiten vorfinden und nicht die pluralistische britische Gesellschaft von heute. Als ehemalige Eigentümerin eines Fish Chips-Ladens wird sie mit Entsetzen feststellen müssen, dass Großbritanniens inoffizielles Nationalgericht inzwischen Chicken Tikka Masala ist. Zweifellos werden bereits die ersten Fernsehproduzenten an die Tür ihres Agenten geklopft haben, um den Zuschlag für eine Doku über Paulines Abenteuer im Mutterland zu bekommen.
Der einzige Ort an den Hanson einigermaßen passen könnte, sind vermutlich die muffigen Konferenzräume der British National Party (BNP). Der erbitterte weiße Nationalismus und Fremdenhass der Partei deckt sich am ehesten mit der Weltanschauung, mit der Hansons eigene Partei einst hausieren ging.
Doch es gibt ein paar entscheidende Unterschiede zwischen One Nation und der BNP. Anders als die BNP war One Nation ein absoluter politischer Misserfolg. Die Partei hielt sich nur wenige Jahre, bevor sie aus den Wahlregistern gelöscht wurde. Hansons selbst verlor ihren Sitz für Queensland 1998, danach versuchte sie dreimal vergeblich wieder ins Amt zu kommen.
Sie veränderte die politische Kultur
Trotzdem hat der Hansonismus einiges zu bieten, was sich für die BNP als nachahmenswert erweisen könnte. Hanson veränderte die politische Kultur in Australien maßgeblich – viele würden sagen zum schlechteren. Sie appellierte an die weiße Angst vor dem Verlust der kulturellen Dominanz und entfesselte damit einen widerlichen Chauvinismus, der den anglo-keltischen Patriotismus und Rassismus wieder aufleben ließ.
Ihre Politik war in mancherlei Hinsicht die Vorhut für die reaktionäre Kulturpolitik des ehemaligen australischen Premiers John Howard. Es ist gewiss kein Zufall, dass Hansons kompromisslose Haltung in der Asylfrage in Howards Politik bald Widerhall fand: Man denke nur an die dreijährigen Schutzvisa, die er anstelle der dauerhaften Aufenthaltsgenehmigung für Asylbewerber einführte.
Indem er Pauline Hansons Rhetorik auf subtile Art zustimmte, konnte Howard für seine Liberal Party innerhalb der Arbeiterschaft und der Mittelschicht in den außerstädtischen Vororten, wo man bis dahin traditionell Labour wählte, eine Gefolgschaft rekrutieren. Diese sogenannte Dog-Whistle-Taktik ebnete rassistischen Untertönen den Weg in den politischen Mainstream. Gleichzeitig verwirrte Hansons Strategie die progressive Linke, der es nicht gelang, den Sorgen der kulturell Entfremdeten entsprechend zu begegnen.
Nationalflagge als Tattoo
Als Hanson 1997 die Partei One Nation gründete und sich in die australische Flagge hüllte, fanden die meisten Australier das peinlich. Acht Jahre später, als in Sydney die Cronulla-Unruhen tobten, fiel die australische Flagge dort als Symbol der Ausgrenzung auf. Heute ist es durchaus üblich, dass auf den Autodächern auf Australiens Straßen die Nationalflagge gehisst wird. Und immer mehr weiße Australier lassen sich die Flagge zusammen mit dem Kreuz des Südens als Zeichen für „Aussie Pride“ auf ihre sonnenverbrannte Haut tätowieren.
Diese Erscheinungen sind nicht etwa Ausdruck eines liebevollen Patriotismus oder staatsbürgerlicher Tugend, sondern ein Vermächtnis der Pauline Hanson. Australien ist heute ein Land, das durch seine nationalen Symbole mindestens ebenso gespalten wie vereint wird.
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