Kuba/USA Nach gut einem halben Jahrhundert hat Washington begriffen, dass Igoranz, Missachtung und Sanktionen in Havanna kein amerikahöriges Regime an die Macht gebracht haben
Barack Obama und Raúl Castro haben Papst Franziskus für eine Vermittlung gedankt, die normalisierte Beziehungen zwischen den USA und Kuba einleiten sollte. 18 Monate Geheimgespräche über den gegenseitigen Austausch von Gefangenen lassen eine jahrzehntelange erbitterte Feindschaft etwas abflauen.
Beide Präsidenten haben erklärt, dass die Isolationspolitik der USA gegenüber Kuba revidiert und die Reise-, Handels- und diplomatischen Beschränkungen im Austausch gegen die Freilassung von in Havanna gefangen gehaltenen Amerikanern und Dissidenten gelockert werden.
Auch wenn ein formelles Ende des US-Handelsembargos vom Kongress beschlossen werden muss, haben sowohl Obama als auch Castro den Willen erkennen lassen, die Beziehungen zwischen beiden Lände
assen, die Beziehungen zwischen beiden Ländern entscheidend zu öffnen und einen relativ freien Personen- und Güterverkehr zu ermöglichen. „Mit den bedeutendsten Veränderungen in unserer Politik in über 50 Jahren werden wir eine überkommene Herangehensweise ersetzen, die über Jahrzehnte hinweg keine Fortschritte erzielt hat. An ihrer Stelle werden wir die Normalisierung der Beziehungen einleiten“ sagte Obama im Cabinet Room des Weißen Hauses. „Durch diesen Wandel wollen wir mehr Möglichkeiten für die amerikanische und kubanische Bevölkerung schaffen, und zwischen den Nationen der Amerikas ein neues Kapitel beginnen.“ Präsident Castro, der das Amt 2008 von seinem Bruder Fidel übernommen hat, rief den Kongress dazu auf, das Embargo gegen sein Land formell aufzuheben, erklärte aber auch seine Überzeugung, dass Obama in der Lage sei, „dessen Anwendung“ substanziell zu „modifizieren“. „Die Entscheidung Präsident Obamas verdient den Respekt und die Anerkennung unseres Volkes“, sagte Castro in seiner Ansprache im kubanischen Fernsehen. „Die Fortschritte, die durch den gegenseitigen Austausch erreicht wurden, zeigen, dass für viele Probleme Lösungen gefunden werden können. Wir sollten uns in der Kunst üben, in zivilisierter Art und Weise mit unseren Unterschieden zu koexistieren.“ Der frühere Verteidigungsminister begrüßte die Entlassung der drei in den USA festgehaltenen kubanischen Agenten und erinnerte an ein Versprechen Fidels, dass sie zurückkommen würden. Gerardo Hernández, Antonio Guerrero und Ramón Labañino gehören zu den „Cuban Five“, die wegen der Spionage gegen Anti-Castro-Gruppen in Florida in US-Gefängnissen saßen. Im Austausch gegen sie entließ Havanna einen Kubaner, den Obama als „einen der wichtigsten Geheimagenten“ bezeichnete, „den die USA jemals auf Kuba hatten“. “Der Mann, der nach nahezu 20-jähriger Gefangenschaft freikam, soll für die Enttarnung der „Miami Five“ sowie eines weiteren kubanischen Agenten verantwortlich gewesen sein. Zugleich wurden auf Kuba noch 53 Dissidenten aus der Haft entlassen. Schlechter DealZum Durchbruch kam es am Dienstag, nachdem sich Obama und Castro in einem knapp einstündigen Telefonat über die Freilassung Alan Gross' geeinigt hatten, der seit fünf Jahren wegen des Verdachts auf Spionage von den Kubanern interniert war.Gross, der den Amerikanern zufolge aus „humanitären Gründen“ auf freien Fuß gesetzt wurde – was nichts mit dem Austausch von Agenten zu tun habe, wie es hieß – wurde inzwischen, begleitet von den Senatoren Patrick Leahy und Jeff Flake nach Washington geflogen. Wie nun bekannt wurde, ist es im Juni 2013 in Kanada durch die Vermittlung von Papst Franziskus zu ersten direkten Kontakten gekommen. Der Pontifex hatte sich in Briefen persönlich an beide Präsidenten gewandt und in diesem Herbst zu einem geheimen Treffen in den Vatikan geladen, was beide dankend anerkannten. „Seine Heiligkeit Papst Franziskus hat sich persönlich an mich und Kubas Präsident Raúl Castro gewandt und uns aufgefordert, Alans Fall zu lösen und die drei kubanischen Agenten freizulassen, die in den USA seit über 15 Jahren einsitzen“, so Obama. Nicht rütteln am SozialismusScharfe Kritik kam umgehend aus dem US-Kongress. Viele prominente Abgeordnete beider Parteien meinten, Obama habe einen schlechten Deal ausgehandelt, der nur wenige konkrete Zusagen über politische Reformen seitens Havannas enthalte. „Das Weiße Haus hat in allem nachgegeben und im Gegenzug nur wenig erreicht“, erklärte etwa Floridas Senator Marco Rubio. „Es gibt keine Zusage bezüglich der Redefreiheit oder hinsichtlich von Wahlen, keine bindende Verpflichtung zur Öffnung des Internets oder irgendetwas, das dem Übergang zur Demokratie auch nur nahe käme“, so Rubio weiter. „Dieser gesamte Politikwechsel basiert auf einer Lüge und der Illusion, ein besserer Zugang zu Geld und Gütern würde sich in mehr politische Freiheit übersetzen“, fügte der republikanische Präsidentschaftskandidat hinzu.Um das US-Embargo gegen Kuba vollständig zu beenden, müsste der Kongress eine Gesetzesänderung beschließen, für die es dort im Moment keine Mehrheit gibt. Im Weißen Haus hofft man aber, mit einer Reihe von Schritten, mit denen die Umsetzung des Embargos entschärft werden kann, einen Durchbruch zu erreichen, der auf Kuba politische Reformen begünstigt und die Opposition in den USA beschwichtigen wird. „Ich erwarte nicht, dass sich die kubanische Gesellschaft über Nacht ändern wird“, so Obama. „Aber wir können nicht fünf Jahrzehnte lang immerzu das Gleiche tun und erwarten, dass das Ergebnis sich irgendwann einmal von allein ändern wird.“ „Wir erwarten, dass wir auch weiterhin starke Differenzen haben werden, besonders bei Demokratie und Menschenrechten. Wir glauben aber, dass gegenseitige Annäherung ein besseres Mittel darstellt als Isolation, und das ist nirgends deutlicher als im Falle Kubas“, fügte ein führender Vertreter der US-Regierung bei einer Pressekonferenz hinzu. „Wenn wir uns öffnen, sind wir in der Lage, uns für die Freiheit einzusetzen.“ Präsident Castro erklärte, die Kubaner stünden trotz zahlreicher Herausforderungen zur Revolution und deren Ideal von sozialer Gerechtigkeit. „Wir halten in Anbetracht der Schwierigkeiten an der Aktualisierung unseres wirtschaftlichen Modells fest, um einen prosperierenden und nachhaltigen Sozialismus aufzubauen.“
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