Gegen die Korruption

Porträt Laura Codruța Kövesi könnte erste EU-Generalstaatsanwältin werden. Rumäniens Regierung will das verhindern
Ausgabe 08/2019
Wegen so alter wie haltloser Vorwürfe wurde nun ein Verfahren gegen Kövesi eröffnet: Zum Verhör wurde sie an dem Tag geladen, an dem sie sich in Brüssel hätte vorstellen sollen
Wegen so alter wie haltloser Vorwürfe wurde nun ein Verfahren gegen Kövesi eröffnet: Zum Verhör wurde sie an dem Tag geladen, an dem sie sich in Brüssel hätte vorstellen sollen

Foto: Andrei Pungovschi/AFP/Getty Images

Amtsmissbrauch, Geldwäsche, die Veruntreuung von EU-Subventionen: Mit solchen Delikten kennt sich Laura Codruța Kövesi aus. Sie hat Rumäniens Antikorruptionsbehörde DNA geleitet, zu einer Zeit, zu der das Land offensiv gegen Bestechung vorging. Nun ist sie aussichtsreichste Anwärterin auf den Posten als erste Generalstaatsanwältin der Europäischen Union. Die Europäische Staatsanwaltschaft soll „gegen grenzübergreifende Großkriminalität zu Lasten des EU-Haushalts“ vorgehen und Ende 2020 ihre Arbeit aufnehmen.

Kövesis Weg führte bis zum vergangenen Jahr beständig nach oben: Basketballspielerin der Juniorinnen-Nationalmannschaft, Jurastudium, 2006 wurde sie zur jüngsten Generalstaatsanwältin Rumäniens ernannt, sie war die erste Frau in diesem Amt. Bis 2012 blieb sie am Obersten Gerichtshof, 2013 wurde sie Chefin der DNA. In den fünf Jahren unter ihrer Leitung nahm die Antikorruptionsbehörde Parlamentarier, Minister, Geschäftsleute und sogar Vertreter der orthodoxen Kirche ins Visier. Insgesamt ermittelte sie gegen mehr als 70 Politiker und Politikerinnen verschiedener Parteien, darunter zwei frühere Premierminister, rund 50 teils noch amtierende Senatoren und Parlamentsabgeordnete und mehrere Lokalpolitiker – ausreichend viele, um international bekannt zu werden. Der Guardian beschrieb Kövesi als „stille, bescheidene Chefanklägerin“, die Köpfe zum Rollen bringe.

Einer davon gehörte Sorin Oprescu, Bürgermeister von Bukarest bis 2015, als er wegen Geschäften mit verdeckten Provisionen bei öffentlichen Ausschreibungen verhaftet wurde. Im November desselben Jahres trat der Ministerpräsident Victor Ponta von der sozialdemokratischen PSD zurück. Er hatte Kövesi zur DNA-Chefin berufen. Das verhinderte nicht, dass die DNA gegen ihn ermittelte, wegen Urkundenfälschung, Geldwäsche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung in seiner früheren Tätigkeit als Anwalt.

Im Juli 2018 wurde Kövesi dann von der als sozialliberal firmierenden Regierung Rumäniens entlassen. Justizminister Tudorel Toader, der der PSD nahesteht, warf ihr Kompetenzüberschreitung bei einer Ermittlung gegen die Regierung vor. Sie habe sich geweigert, zu Parlamentsanhörungen zu kommen, kritisierte er und beschuldigte sie, die Untersuchung von Fällen zu priorisieren, die das größtmögliche Medienecho erzielen. Außerdem warf Toader Kövesi vor, sie habe es trotz Hinweisen versäumt, gegen Fehlverhalten in einer Zweigstelle ihrer eigenen Behörde vorzugehen. Kövesi verteidigte sich, indem sie die erste Pressekonferenz einberief, die die DNS je gegeben hat. Unter anderem sprach sie von einem „Festival der Angeklagten“, bei dem es darum gehe, „den rumänischen Staat zu untergraben und seine Gesellschaft zu demütigen“.

Rumäniens Oberster Richterrat wies die Anschuldigungen des Justizministeriums zurück, Staatspräsident Klaus Johannis weigerte sich zunächst, die Entlassung von Kövesi einzuleiten. Kurz darauf jedoch wurde er durch eine Entscheidung des regierungsfreundlichen Verfassungsgerichts dazu gezwungen. Weil ihr ein weiter gehendes gerichtliches Vorgehen gegen ihre Entlassung in Rumänien verwehrt ist, klagt Kövesi nun vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Die Nachricht, dass sie jetzt als Favoritin für den Posten der EU-Generalstaatsanwältin gilt, platzt mitten in Rumäniens noch bis Ende Juni andauernde EU-Ratspräsidentschaft. Zu deren Beginn hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker verlautbart, er glaube, „dass die Regierung in Bukarest noch nicht in vollem Umfang begriffen hat, was es bedeutet, den Vorsitz über die EU-Länder zu führen“.

Nun will Justizminister Toader, der schon die treibende Kraft hinter Kövesis Entlassung als DNA-Chefin war, sie wohl mit allen Mitteln auf dem Weg nach Brüssel stoppen. Er werde seine EU-Amtskollegen über Kövesis „Missbrauch“ ihres Postens informieren, der zur Amtsenthebung geführt habe, zitieren ihn Medien in Rumänien. Die Online-Petition eines rumänischen Bürgers mit bisher mehr als 120.000 Unterschriften fordert EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani und die EU-Justizminister auf, Toaders Vorwürfe als Diffamierung zurückzuweisen. Dieser Tage nun machte die 45-jährige Kövesi öffentlich, dass in Bukarest ein Ermittlungsverfahren gegen sie eingeleitet worden sei, das auf eine Anzeige des Ex-PSD-Abgeordneten, Ponta-Vertrauten und wegen Korruptionsverdacht in Serbien abgetauchten Sebastian Ghiță zurückgeht: Kövesi habe ihn gezwungen, die Kosten der Rückführung eines rumänischen Straftäters aus Indonesien zu übernehmen. Vorermittlungen deswegen wurden zwar aufgrund ihrer Haltlosigkeit längst eingestellt – trotzdem taugten sie nun dafür, Kövesi just an einem Tag zum Verhör einzubestellen, an dem sie ein weiteres Mal in Brüssel für den Posten als EU-Generalstaatsanwältin hätte vorsprechen sollen, schreibt Der Standard.

Vor der Berufungskommission aus ehemaligen Mitgliedern von Eurojust, der Einheit für justizielle Zusammenarbeit der EU, hatte sich Kövesi bereits vorgestellt und war danach auf Platz eins der Shortlist gesetzt worden, vor dem Franzosen Jean-François Bohnert und dem Deutschen Andrés Ritter. Eine endgültige Entscheidung soll bis Ende des Monats die EU-Kommission treffen, das EU-Parlament muss zustimmen.

Crina Boros arbeitet von London aus. Sie ist Teil der Netzwerke investigate-europe.eu sowie forbiddenstories.org. Im Freitag (47/2017) beschrieb sie zuletzt, wie EU, IWF und Konzerne die Finanzkrise nutzten, um in Rumänien die Rechte von Arbeitnehmern zu schwächen

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Übersetzung: Carola Torti
Geschrieben von

Crina Boros | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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