Jedes Mal, wenn die Regierungen dieser Welt zusammenkommen, um die Krise der Umwelt zu diskutieren, wird uns gesagt, wie wichtig und alles entscheidend dieser Gipfel doch sei und dass die Zukunft des Planeten von ihm abhänge. Mögen die Gespräche auch schon etliche Male gescheitert sein – diesmal wird das Licht der Vernunft die Welt erstrahlen lassen.
Obwohl wir wissen, dass das Unsinn ist, lassen wir einmal mehr in uns die Hoffnung aufkeimen, nur um ein weiteres Mal mitzuerleben, wie die Vertreter von 190 Nationen die ganze Nacht über den Gebrauch des Konjunktivs in Paragraf 286 debattieren. Wir wissen, dass der UN-Generalsekretär am Ende erklären wird, dass die ungelösten Probleme (namentlich: alle) beim nächsten Gipfel gelöst werden. Und trotzdem hoffen wir auf mehr.
Das gegenwärtig in Rio de Janeiro stattfindende Treffen ist ein Wiedergänger des hoffnungsfrohen, optimistischen Zusammenkommens vor 20 Jahren. Gemessen an dem, was uns die Teilnehmer damals erzählten, müssten die Umweltprobleme des Planeten heute eigentlich bereits gelöst sein. Doch alles, was sie zustande gebracht haben, sind immer neue Treffen, die so lange weiter gehen werden, bis die Delegierten irgendwann vollständig von Wasser eingekreist auf einer Insel sitzen und die letzte Taube mit Olivenzweig-Salat verspeist haben. Die Biosphäre, die die Regierungschefs beschützen wollten, ist heute in einem weit schlechteren Zustand als vor 20 Jahren. Ist es nicht endlich an der Zeit zuzugeben, dass sie gescheitert sind?
Total zerpflückt
Diese Gipfel sind aus dem gleichen Grund gescheitert, aus dem auch die Banken gegen die Wand gefahren sind. Politische Systeme, die ursprünglich einmal für die Vertretung aller Bürger gedacht waren, bringen heute Regierungen von Millionären hervor, die auf Geheiß von Milliardären handeln. Die vergangenen 20 Jahren seit dem Gipfel von Rio waren ein regelrechtes Bankett zugunsten von Milliardären. Auf Geheiß von Unternehmen und Super-Reichen wurde ein regulierendes Gesetz nach dem anderen kassiert, das verhindert hatte, dass der eine den anderen vernichtet. Von Regierungen, die von dieser Klasse ernannt und finanziert werden, zu erwarten, sie würden die Biosphäre beschützen und die Armen verteidigen, ist wie von einem Löwen zu erhoffen, er würde sich von Gazpacho ernähren.
Wenn man das Ausmaß dieses Problems begreifen will, muss man sich nur einmal ansehen, wie die USA den Entwurf zur Abschlusserklärung des Treffens zerpflückt haben: Sie beharren darauf, dass das Wort „gerecht“ aus dem Text gestrichen wird. Gleiches gilt für das Recht auf Nahrung, Wasser, Gesundheit, Rechtsstaatlichkeit, Geschlechtergerechtigkeit und die Ermächtigung von Frauen. Und natürlich für die Festschreibung des Ziels, die Erderwärmung um mehr als zwei Grad zu vermeiden. Gleiches gilt für die Forderung nach der Entkoppelung ökonomischen Wachstums von der Anwendung natürlicher Ressourcen.
Die US-Delegation verlangt sogar die Entfernung von Grundlagen, die 1992 noch die Zustimmung eines republikanischen Präsidenten fanden. Es geht ihr besonders darum, jede Erwähnung des Kernprinzips des Gipfels von Rio zu eliminieren: Das Prinzip der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung. Das heißt, dass alle Länder versuchen sollten, die Ressourcen dieser Welt zu beschützen, dass aber diejenigen, die über die größten Mittel verfügen und den größten Schaden verursacht haben, eine entsprechend größere Rolle zu spielen haben.
Schall und Rauch
Man muss sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass der derzeitige US-Präsident nicht George W. Bush, sondern Barack Obama heißt. Die paranoide, kleinkarierte Sabotage internationaler Vereinbarungen setzt sich ohne Unterbrechung fort. Wenn man sich klar macht, dass Obama die Konzessionen kassiert hat, die Bush senior vor 20 Jahren machte, dann kann man ermessen, wie sehr eine kleine Gruppe von Politikern die Welt immer fester im Griff hat.
Auch wenn der zerstörerische Einfluss der USA in Rio größer ist als der aller anderen Nationen, entschuldigt dies dennoch nicht unser eigenes Versagen. Britanniens Premier Cameron kommt genauso wenig nach Rio wie Obama oder Kanzlerin Merkel. Beim gerade in Mexiko beendeten G20-Treffen waren sie natürlich alle: Ein weiterer Grundsatz von Rio, wonach ökonomische und ökologische Fragen nicht mehr länger getrennt behandelt werden sollen, ist ebenfalls nur noch Schall und Rauch.
Die Emissäre von Milliardären sind nicht in der Lage, die umweltpolitische Krise anzugehen. Es ist das System, das zur Disposition gestellt werden muss, nicht die individuellen Entscheidungen, die es hervorbringt. In diesem Sinn ist der Kampf für den Schutz der Biosphäre derselbe wie der Kampf für eine gerechte Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, den Schutz der Rechte der abhängig Beschäftigten, den aktivierenden Staat und die Gleichheit vor dem Gesetz.
Hoffnungslos hoffnungsvoll
Die große Frage unserer Zeit lautet: Wo sind sie alle? Die großen sozialen Bewegungen der vergangenen zwei Jahrhunderte sind verschwunden und nichts ist an ihre Stelle getreten. Wenn dann doch einmal ein paar hundert Leute Stellung beziehen, wie das die Occupy-Camper getan haben, dann verlässt sich der Rest der Nation darauf, dass sie einen Wandel bewirken, der das Engagement von Millionen erfordert.
Ohne Massenbewegungen, ohne die Art von Konfrontation, die nötig ist, um die Demokratie wieder zu beleben, wird alles, worauf es wirklich ankommt, aus den Manuskripten der Politiker gestrichen werden. Aber wir mobilisieren nicht – vielleicht weil die Hoffnung ihre verführerische Kraft nie verliert. Sie ist der Strick, an dem wir alle hängen.
Kommentare 7
wie nur kann der gute george monbiot nach und in dem artikel noch von hoffnung reden. er hat doch dargelegt, dass die regierenden den karren in den graben fahren.
wenn t. c. boyle nicht in der sternstunde des schweizer fernsehens am sonntag das gleiche zu protokoll gegeben hätte. aber er hat.
vielleicht ist das gerede von der wissensgesellschaft so zu verstehen, dass wir wissen, dass bald nichts mehr geht. aber das wissen ist unnütz.
@ Yuren :
"dass wir wissen, dass bald nichts mehr geht" ist knapp daneben - es musste heissen: "dass wir wissen, dass nichts mehr geht" .... dieses Wissen ist allerdings nicht unnütz! - man müsste nur die Konsequenzen ziehen. Jeder für sich vom Glauben abfallen, dann ginge vielleicht was.
So genannte Klimagipfel gehören also genauso boykotiert wie IWF Gipfel, G20 Gipfel etc. in sofern hat der Artikel fast recht - gescheitert sind nicht nur die Klimagipfel selber, sonderen sie überlassen mit ihrer Belang- und Einflusslosigkeit auch vieles dort thematisierte dem Scheitern : eine logische Kette des Scheiterns ... Ökologie und Ökonomie sind die beiden Seiten des "Haushalts" : die einen zählen Geld und beschicken den Gipfel mit willenlosen Dienstleistern : man zähle bitte pro forma auch die Natur, falls noch welche da ist .... Inventur kurz vor den Kassensturtz? Spesengesättigte Beschäftigungstherapie für Idiotenbüttel und Mietjammerer ?
"Naturschutz ohne Natur" hat Zizek schon bemerkt. Im Detail geht es aber doch eher um Politik ohne Argumente, denn man kann die Kuh nun mal nicht schlachten und ihr gleichzeitig die Freiheit schenken. Bevor hier also irgendeiner auch nur einen winzigen Krümel Natur vor der absoluten Verwertung retten wird, schutzen kann, müsste sich der puritanische Kapitalismus erst selber aufgefressen, der angebliche Herr mit dem Diener die Rolle gestaucht haben.
Recht haben sie : Hoffnung gibt es so nicht. Es gibt nur andere Wege und Möglichkeiten, wenn man das Wissen denn nutzt.
Mit dem Leben fangen wir an ..
Ob in der Arbeit mit Kindern oder jugendlichen Heranwachsenden, im Engagement für Alte oder in der Pflege Hilfebedürftiger und ganz alter Menschen – Ehrenamt und Freiwilligenarbeit ist (allzu oft nur) die Folge von Empörung über unglückliche, ungünstige Verhältnisse.Ziel der Verhalten der Engagierten ist Leben in angemessenen Verhältnissen, um emanzipiert endlich frei zu sein, von gestrigen Verhältnissen der politisch Verantwortlichen des Vergehenden.
Plagiat[]:"Eins werden wir nicht mehr tun - wir werden nicht mehr mit dem Kopf gegen die Wände der Schulen und Unis, der Fabriken und Verwaltungen rennen - denn sie wollen nur integrieren, einfangen in ihre kaputten Mechanismen und Strukturen.
Mit dem Leben fangen wir doch-nicht-erst-dann an, wenn elitäre Minderheiten beschließen, dass Ihre Krisen nun beendet seien. Denn auch das sollte klar sein:"Ungefragt-, unerbetenes Einmischen in anderer Leute Leben gilt nicht. Wer urteilt ist selbst schuld. Und ohne Einwilligung sind einmalige Lebenszeit und unbezahlbare Arbeitskraft unveräußerlich.
"'Wir' sind nicht in der Krise. Wir sind bereits am Rand der Rahmen, die ihr euch ausdenkt und in Steuern & Regeln verpackt. Wir steigen total aus. Wenn wir eine freie Gesellschaft wollen, dann machen wir sie, und zwar sofort. Dann machen wir das nicht über den Umweg, das Alte zu zerstören; denn das stirbt von ganz allein. Ohne Umwege gehen wir gleich daran Neues zu bauen, denn diese Arbeit haben wir so-und-so zu tun." - Ende Plagiat[]
[] frei nach Beiwort zum Buch 'Planet des Ungehorsams' -Verlag "neues leben" berlin 1975 - vormals Releasegruppe IV-Berlin
Recht hat der Mann! Was soll man da noch machen? Aufgeben und sich zurückziehen?Nein! Dass die Regierenden der Staaten es nicht schaffen, sollte jedem spätestens nach dem gescheiterten Kopenhagener Klimagipfel klargeworden sein. Vielleicht ist der point of no return schon ganz nahe, aber da gibt es die Tausende von Projekten, Vorhaben, und Aktionen um den ganzen Globus, überall, sie stehen nicht im Rampenlicht und helfen nur wenigen und geben denen doch Hoffnung.
Think global, act local, das war einer der Sprüche von Rio 1992, und meiner Meinung nach die einzige Hoffnung, dass doch nicht alles den Bach runtergeht. Kultivierten oder wie auch immer gearteten Pessismus können wir nicht gebrauchen, deswegen ist es wichtig, was jeder einzelne macht, und sei es nur sich einmal für zehn Minuten hinzusetzen und darüber nachzudenken warum wir eigentlich überhaupt hier sind.
Klar, Rio ist der Gipfel der Unverschämtheit. Was sollen die Herrschaften machen, wenn sie auf der einen Seite ungezügeltes Wachstum fordern und auf der anderen Seite die Umwelt schützen sollen. Ungezügeltes Wachstum zerstört den ERdball, dass wissen die Herrschaften dort auch und deshalb wird eigentlich nur gelabert. Wir sind in Richtung Umweltzerstörung eigentlich schon kurz vor dem Ende. Hier kann nicht Positives mehr eigerichtet werden. Die Gier, der Neid und der Hass der Menschheit werden dafür sorgen, dass der Erdball in kürzester Zeit sein Leben aushaucht. Verdient haben wir es allemal. Was mir bitter leid tut sind die Tiere, die haben wir durch unser verbrecherisches Verhalten systematisch ermordet.
Der eingeforderte "Druck von der Straße" würde wohl kaum die Verhältnisse ändern, sondern nur zu mehr polizeilicher und geheimdienstlicher Repression führen. Wer wirklich die Verhältnisse ändern will, müsste das tun, in dem er ebenfalls Milliardär wird. Nur dann besteht die Möglichkeit, Politiker dazu zu bewegen, andere Gesetze zu erlassen, die der Umwelt und damit der Menschheit helfen könnten. Geld regiert die Welt und nicht der "Druck der Straße", wie der Autor obigen Artikels ja offenbar selbst weiss.
Zwei Dinge (vielleicht werden es auch drei):
Erstens: "Politische Systeme, die ursprünglich einmal für die Vertretung aller Bürger gedacht waren, ... " ist eine naive Fehlannahme, die jemden Kind, jedem Studenten in der politischen Philosophie eingetrichtert wird. Die Moderne Demokratie ist nur ein Kompromiss der Mächtigen. Sie brauchten einerseits Steuergelder und andererseits auf Streitkräfte im Kampf gegen andere Mächtige. Im Tausch gegen Streit- und Arbeitskraft bekam der Untertan bürgerliche Rechten. Dabei ging es nie wirklich um die Vertretung aller Bürger. Das war und ist immer nur PR. Und französische Revolution hat Napoleon geschluckt. Mehr als ein paar Rechte blieb nicht übrig. Die Macht blieb bei den Herrschern.
Zweitens: Wo der Druck der Straße bleibt? Ganz einfach: es geht uns zu gut, uns in den Industrienationen, Materiell zumindest. Wir sind dermaßen auf Konsum gepolt, dass die Mehrheit zufrieden ist, wenn sie Wohlstand hat und nicht eingekerkert wird, wenn sie mal über Frau Merkel schimpfen darf. Erst wenn es den Menschen wirklich an den Kragen geht und sie das am eigenen Leib spüren handeln sie: siehe Griechenland oder Spanien. Nützen tut es ihnen nichts, weil ihre Regierungen ohnehin mit der Rücken zur Wand stehen und die Zügel längst abgegeben haben.
Drittens: Zum Thema Wissensgesellschaft: Ja wir wissen, dass wir so nicht weiter machen können, ändern aber trotzdem nichts. Warum? Aus genau dem gleichen Grund wie oben angeführt, die Mehrheit der Menschen handelt erst, wenn es brennt. Diejenigen, die etwas verändern könnten, spüren die Gefahr noch nicht leibhaftig, auch wenn sie von ihr wissen.
Viertens: Ich glaube ehrlich gesagt, dass wir Menschen unseren eigenen Einfluss überschätzen und die Regenerationsfährigkeit der Natur unterschätzen. Wenn wir weg sind geht es weiter, anders, weil ohne uns. Aber ich bin fest davon überzeug, dass der Planet wenige Generationen nach uns, sein Gleichgewicht zurückerhalten wird. Das ist allerdings ein Glaubenssatz.