Für die kommenden Monate wird bei GM der „Turnaround-Experte“ Al Koch als "Chief Restrukturing Officer" der oberste Beauftragte für die Umstrukturierung des Unternehmens sein. Er muss sich vorrangig um eines kümmern: die Rechte und Interessen der Gläubiger. In einem 24-seitigen, von Konzernchef Fritz Henderson unterzeichneten Dokument nennt der Konzern die Wertpapierinhaber und die Gewerkschaften als hauptsächlich Betroffene. Geld schuldet man ebenfalls den Autovermietern Avis und Enterprise, dem Computerhersteller Hewlett-Packard, der Ölfirma Exxon Mobil und dem Stahlproduzenten Arcelor Mittal.
Unter einem Berg von Schulen
Trotzdem gibt sich Henderson optimistisch, der 1. Juni sei ein „schwerer“ Tag für GM gewesen, doch das Unternehmen werde innerhalb von 60 bis 90 Tagen in gesundem Zustand aus der Insolvenz hervorgehen: „Dies ist nicht das Ende von GM, sondern der Anfang eines neuen, besseren Kapitels. Eines, das aufgeschlagen werden musste und heute beginnt.“ Henderson erkannte an, dass Missmanagement und Qualitätsprobleme zur misslichen Lage des Autobauers beigetragen hätten und entschuldigte sich vor der Öffentlichkeit mit den Worten: „Das GM, welches viele von ihnen kennen, das GM, das viele von ihnen enttäuscht hat, ist Geschichte.“
Gebeutelt von rasant steigenden Ölpreisen, einem Einbruch der Konsumausgaben und der zögerlichen Kreditvergabe durch die von Liquiditätsproblemen geplagten Banken versank GM unter einem Berg von Schulden und hatte zuletzt Probleme, die Aktionäre zu überzeugen, Kredite in Höhe von 27 Milliarden Dollar gegen eine geringfügige Kapitalbeteiligung einzutauschen. Nun wird das Insolvenzgericht dafür sorgen, dass die Wertpapierinhaber zunächst einen Anteil von zehn Prozent ihres Aktienkapitals und die Möglichkeit erhalten, diesen auf 25 Prozent zu erhöhen. Bei alldem wird die Regierung künftig der mit Abstand größte Anteilseigner sein. Ein solcher Vorgang, der effektiv auf eine Verstaatlichung von General Motors hinausläuft, ist beispiellos in den Vereinigten Staaten, die sonst so überzeugt der Idee vom freien Marktes anhängen. Im US-Kongress greift denn auch John Boehner als Sprecher der Republikaner das Konzept als unangemessene Verwendung des Geldes der Steuerzahler an: „Glaubt wirklich irgendjemand, dass Politiker und Bürokraten in Washington einen multinationalen Konzern erfolgreich in die wirtschaftliche Lebensfähigkeit führen können?“, fragt er und ruft Barack Obama dazu auf, seine Exit-Strategie klar darzulegen.
Raus aus dem Dow-Jones-Index
Auch Thomas Donohue, Präsident der US-Handelskammer, mahnt, die Politiker müssten sich von den Vorständen fernhalten: „Wenn Kongressmitgliedern und Vertretern der US-Regierung in Deutschland und Kanada unangemessener Einfluss auf Management-Entscheidungen gewährt wird, dann können sie Folgendes festhalten: Diese Unternehmen werden nicht zu Profitabilität zurückkehren – ihr Überleben wird ernsthaft gefährdet sein.“
GM, die einst größte Firma der Welt, hat erlebt, wie ihr Anteil an den Neuwagenverkäufen in den USA von 51 Prozent im Jahr 1962 auf inzwischen magere 17,9 Prozent abstürzte. Am 1. Juni wurde die Bonitätvon General Motors in der Bewertung des Rating-Unternehmens Standard Poor’s auf einem absoluten Tiefpunkt eingestuft. Am gleichen Tag flog der Autobauer zusammen mit der angeschlagenen Bank Citigroup aus dem Dow-Jones-Index der größten amerikanischen Unternehmen.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.