Zensur Sergej Brin verlangt von der US-Regierung, den Druck auf Peking in Sachen Zensur zu erhöhen. Unternehmen hätten eine Verantwortung dafür, wie ihre Produkte benutzt würden
Google-Gründer Sergej Brin hat Washington dazu aufgefordert, gegen Chinas Zensur von Internetseiten deutlich Stellung zu beziehen. Er drängt darauf, dass die USA der Streitfrage „hohe Priorität“ einräumen. Brin appellierte auch an amerikanische Firmen, den Druck auf Peking zu erhöhen. „Ein Unternehmen muss Menschenrechtfragen mit derselben Priorität behandeln wie Wirtschaftsfragen ... ich hoffe, dass dieses Thema ernst genommen wird“, erklärte er gestern in einem Gespräch mit dem Guardian.
Obamas Regierung hat den wachsenden Konflikt zwischen Google, einer der erfolgreichsten amerikanischen Firmen, und den chinesischen Behörden bislang heruntergespielt und darauf hingeweisen, die Beziehung zwischen den beiden Ländern
eiden Ländern sei „reif genug, um Differenzen zuzulassen“.Brin hingegen hält es für unerlässlich, dass Obama das Problem endlich in Angriff nimmt – nicht zuletzt, weil der Stellenwert des Internets dazu führt, dass Handel und Zensur untrennbar miteinander verbunden sind. „Dienstleistungen und Informationen sind unsere erfolgreichsten Exportgüter. Insofern sind die chinesischen Regulierungen auch Handelsbarrieren, denn sie untergraben unsere Wettbewerbsfähigkeit“, so Brin, der das Unternehmen Google 1998 gemeinsam mit seinem Stanford-Kommilitonen Larry Page gründete."Unternehmen müssen sich mehr Gedanken machen"Brin kritisierte auch die Haltung jener Firmen, die mit Peking kooperieren, dabei hob er insbesondere das Beispiel Microsoft hervor – wohl nicht zuletzt, weil Bill Gates’ Unternehmen Googles Rückzug kritisiert hatte. Diese Firmen, so Brin, sollten sehr gut darüber nachdenken, ob sie den chinesischen Staatsbürgern moralisch einen Dienst erwiesen. Er räumte ein, dass die Einführung der zensierten Google-Seite in China 2006 ein Fehler war. „Wir waren schon immer gegen Zensur, aber unsere Perspektive hat sich nun verschärft“, erklärte er. „Ich war sehr überrascht darüber, dass direkt nach unserer Rückzugsankündigung im Januar eine Woge der Ablehnung seitens der Anhänger der freien Marktwirtschaft über uns hinweggeschwappt ist. Ich würde mir wünschen, dass die großen Firmen ihre Profite nicht immer über alles andere stellen. Unternehmen sollten sich ganz allgemein mehr Gedanken darüber machen, wie und wo ihre Produkte benutzt werden.“Eine ganze Reihe von Technologieunternehmen wurde in den vergangenen Jahren dafür kritisiert, dass sie der chinesischen Regierung Hilfestellung leisten, um das Internet zu zensieren. Am berüchtigtsten ist das Unternehmen Cisco, von dem einige der Systeme für die so genannte Große Firewall kommen. Doch Brin spart sich die schärfste Kritik für Microsoft auf. Microsoft habe vor der chinesischen Regierung kapituliert und trete die Menschenrechte mit Füßen – nur um Google zu übertreffen. „Microsoft hat mich ganz besonders enttäuscht“, so Brin. „So weit ich weiß, geht ihr Marktanteil gegen Null – also haben sie sich im Grunde genommen gegen Meinungsfreiheit und Menschenrechte entschieden, einfach nur, um gegen Google zu sein.“Brin bezieht sich damit auf einige Kommentare, die Microsoft-Chef Bill Gates im Januar im amerikanischen Fernsehen geäußert hatte. Kurz nachdem bekannt wurde, dass Google Opfer von chinesischen Hackern geworden war, erklärte Gates in der ABC-Sendung Good Morning America, die chinesische Zensur sei „sehr begrenzt“. „Man muss eine Entscheidung treffen“, so Gates. „Will man die Gesetze des Landes in dem man operiert respektieren, oder nicht? Wenn nicht, wird man dort wohl kaum Geschäfte machen.“"Ich bin selbst in einem totalitären Staat geboren"Brin setzt sich seit langem dafür ein, dass China die Zensur von Google aufhebt. Er sagt, seine strengen Ansichten seien auch darauf zurückzuführen, dass er in den Siebzigern in der Sowjetunion geboren wurde. Seine Eltern, beide jüdische Wissenschaftler, verließen Moskau 1979, nachdem sie Opfer des weitverbreiteten Antisemitismus geworden waren. „Mich berührt der Fall China mehr als andere, da ich selbst in einem totalitären Staat geboren bin und meine frühe Kindheit dort verbracht habe“, erzählt er.Doch nach vier Jahren der Selbstzensur bedeutet Googles Kehrtwende nun, dass es im Grunde den chinesischen Nutzern denselben gefilterten Dienst anbietet wie 2006, bevor es sich dafür entschied, Pekings Wünschen nachzukommen.Auf die Frage, ob er glaube, dass Google einen Fehler gemacht habe, als es in den chinesischen Markt expandierte, antwortet Brin: „Das ist schwer zu sagen. Ich denke aber, dass wir einigen Menschen helfen konnten. Wir können nicht am Rad der Geschichte drehen und ich denke, dass wir damals eine Reihe von vernünftigen Entscheidungen getroffen haben. Ich hoffe darauf, dass sich das System in China weiterentwickelt, damit wir uns wieder direkter einbringen können ... Ich hoffe das alles führt zu einem Weg, an dessen Ende sich die Türen weiter öffnen werden.“ Je mehr Firmen wie Google sich außerhalb der Firewall ansiedeln würden, so Brin, desto größer würde der Druck auf China werden.Chinesische Stimmen zu Googles Rückzug:Xinruochen (Blogger): „Warum versucht Google immer die Themen zu politisieren? Was bleibt euch denn noch, wenn ihr den chinesischen Markt verlasst, Google? Ihr seid nach China gekommen, um Geschäfte zu machen, also solltet ihr auch die chinesischen Gesetze und Vorschriften akzeptieren.“Qualified Citizen (Blogger): „Google verlässt China, und das ist gut so – es verlässt China, bevor es noch mehr Schaden anrichtet. Was Google will, ist doch ein Monopol als einzige Informationsquelle für die Menschen zu errichten.“Idstory (Blogger): „Wir sollten Google Beifall zollen – Wieviel Mut erfordert es, damit eine Firma einen Markt mit zehn Millionen potentiellen Kunden aufgibt?“Liang Quishi: „Ich bin Google-Fan, aber ich glaube, dass der Rückzug aus China keinen Einfluss auf das, was sie anbieten können, haben wird. Es ist nur eine sehr oberflächliche Veränderung. Es ist unmöglich, eine Internetseite komplett zu blocken: Twitter ist zum Beispiel offiziell geblockt, aber die Leute hier haben trotzdem ihre Tricks, wie sie den Dienst nutzen können.“Wang Jun: „Ich mag Google und benutze die Suchmaschine häufig. Ich finde, es ist ein Jammer, dass sie weg muss.
×
Artikel verschenken
Mit einem Digital-Abo des Freitag können Sie pro Monat fünf Artikel verschenken.
Die Texte sind für die Beschenkten kostenlos.
Mehr Infos erhalten Sie
hier.
Aktuell sind Sie nicht eingeloggt.
Wenn Sie diesen Artikel verschenken wollen, müssen Sie sich entweder einloggen oder ein Digital-Abo abschließen.