Immer schön lächeln

Urlaub mit Chefin Oprah Winfrey spendiert ihren Angestellten eine Urlaubsreise. Ist das nicht die coolste Chefin der Welt? Nö. Oder wollen Sie Ihren Urlaub auch noch mit Chef verbringen?

Oprah Winfrey befindet sich gerade mit ungefähr 100 ihrer Arbeitskollegen und deren Familien auf einer Kreuzfahrt durchs Mittelmeer. Die milliardenschwere Talkshow-Moderatorin bezahlte knapp 600.000 Euro für einen zehn Tage dauernden All-Inclusive-Urlaub, mit Stationen in Malta, Italien, der Türkei, Griechenland und Spanien. Macht sie das nicht zur besten Chefin der Welt? Sollten andere Arbeitgeber nicht ihrem Beispiel folgen? Die Antwort lautet: nein! Mindestens zehn Gründe dagegen:

1. Die Betriebsweihnachtsfeier ist schon schlimm genug. Stellen Sie sich eine zehn Tage dauernde Betriebsweihnachtsfeier vor, der Sie nur durch einen beherzten Sprung über die Reling und in den nahezu sicheren Tod entkommen können.

2. Urlaub ist nun wirklich die Zeit, um sich in gesellschaftlich nicht mehr vertretbarer Weise zu betrinken und/oder halbkomatös in der Unterbüchs in der Sonne zu gammeln. Beides aber kann man nicht in Vollendung praktizieren, wenn einem jeden Augenblick der Chef über den Weg laufen kann.

3. Es wird immer nur ein Liegestuhl am Pool frei sein und das ist derjenige neben dem des Chefs. Sie werden die ganze Zeit über vorgeben müssen, Sie interessierten sich dafür, wie schrecklich die Anfahrt zu seinem bzw. ihrem Ferienhaus ist und/oder wie die Restrukturierung der Marketing-Abteilung vorankommt.

4. Sie müssen auf dem Schiff an Kursen über Blumendekoration oder Vorlesungen über die geopolitischen Ursachen des Zusammenbruchs Jugoslawiens teilnehmen, um ihren Chef zu beeindrucken.

5. Waren Sie schon mal auf Malta?

6. Beim Tagesausflug auf die Akropolis müssen Sie die ganze Zeit über so interessiert dreinschauen als seien Sie Politikaktivist Tony Robinson.

7. Erinnern Sie sich daran, wie Sie mit Barry aus der Rechnungsabteilung und seiner Freundin Julie Zelten waren und Barry dachte, Sie wollten ihm an die Wäsche, dabei wollten Sie was von Julie, mit der Sie nun eine Affäre an der Backe haben, von der Barry natürlich nichts weiß, weshalb Sie Barry im Büro nun die ganze Zeit über aus dem Weg gehen, was manchmal ziemlich anstrengend sein kann? Eine zehntägige Reise mit Kollegen vervielfacht nur die Gelegenheit, in derart missliche Situationen zu geraten.

8. An Bord werden Sie Ihre Karaoke-Interpretation von Candi Statons "Young Hearts Run Free" zum Besten geben. Die Zeilen „You'll get the babies, but you won't have your man / While he is busy loving every woman that he can, huh huh“ könnten Ihren Chef dazu veranlassen, Sie umgehend strafzuversetzen, zumindest, wenn Sie ein Mann sind und Ihr Chef eine Frau ist.

9. Ihre Kinder werden Sie beschämen, wenn sie Ihren Arbeitgeber mit Schimpfwörtern begrüßen, die kein Mensch mit gesundem Verstand seinen Kindern je beibringen würde.

10. Sie werden nie wieder über ihren Chef herziehen und ihn für moralisch bankrott, langweilig und selbstsüchtig erklären können, sondern müssen ihm aufgrund seiner berechnenden Großzügigkeit bis in alle Ewigkeit dankbar sein. Sie werden Ihre Arbeit nicht mehr genießen können. Nie mehr.

Beherzigen Sie dies, wenn Sie selbst Angestellte haben. Ihre Leute würden einem Urlaub mit Ihnen folgende Dinge mit Sicherheit vorziehen und sich sogar darüber freuen:

a.) eine neue Küche

b) eine Pension in Höhe des letzten Nettogehalts

c) 30-Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich

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Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Stuart Jeffries, The Guardian | The Guardian

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