Kann ein Lächeln Leben retten?

Gutes tun Man kennt es von Bono und Co. Nun reisen auch Models in Elendsgebiete, um mit ihrer Prominenz die Arbeit von Hilfsorganisationen zu unterstützen. Ist das nur selbstlos?

Das Supermodel Lydia Hearst posierte im Frühling 2009 für ein ungewöhnliches Fotoshooting. Keine teure luxuriöse Umgebung, keine topaktuellen Klamotten. Die Kulisse bildete stattdessen ein Krankenhaus in Kairo, in dem sich verschleierte muslimische Mütter und ihre Babies Operationen unterziehen, die ihr Leben verändern sollen.

Hearst arbeitete zum ersten Mal in einem Entwicklungsland und unterstützte mit ihrem Shooting die gemeinnützigen Organisation Operation Smile, die Kindern mit angeborenen Missbildungen im Gesicht Operationen ermöglicht. Für Hearst sollte es eine Erfahrung werden, die ihr Leben veränderte: „Ich habe dadurch einen neue Sicht auf die Dinge gewonnen und meine Prioritäten und Ziele neu bewertet. Alle, mit denen ich dort zu tun hatte, haben in meinem Herzen einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“

Dass Hearst in offizieller Mission nach Ägypten reiste, gehört zu einem neuen Trend in der Modewelt. Anstelle von Charity-Galas in New York und London besuchen Models nun Entwicklungsländer und sehen sich das Elend selbst an. Das Phänomen ist aus dem Musikbusiness und aus Hollywood längst bekannt. Sänger wie Bono und Sting sind in Entwicklungsländern längst ein vertrauter Anblick. Dasselbe gilt für George Clooney, der sich für Dafur engagiert, und über Jim Carrey, der ein prominenter Kritiker der Militärjunta in Burma ist.

Die Modewelt hinkt hinterher

„Die Modewelt ist diesem Trend bislang hinterhergehinkt“, meint Matt Meyerson, der in L.A. eine Talentagentur betreibt. Doch das ändert sich gerade. Nun verlassen die Models die Salons und Laufstege in Manhattan und tauschen sie gegen die tiefste Provinz in Asien, Afrika und Südamerika ein. Sie erreichen mehr mediale Aufmerksamkeit für die gute Sache, denn die Medien, die ihr steter Begleiter sind, folgen ihnen auch dorthin. Der Trend wurde selbst in der New York Times beschrieben. Dort konnte man lesen: „Models beginnen sich die Hände schmutzig zu machen.“

Hearst ist der Meinung, dass sie mit ihrer Reise nach Ägypten mehr Einsatz bewiesen hat, als wenn sie nur ein paar Leute davon überzeugt hätte, Schecks auszustellen: „Das Ziel von Operation Smile ist es, das Leben dieser Kinder zu retten. Für uns, die wir in der Modebranche arbeiten, ist es ein Leichtes, unsere Namen auf eine Ausschussliste zu setzen, über einen roten Teppich zu flanieren und zu behaupten, wir würden uns engagieren. Aber es ist etwas ganz anderes, wenn man wirklich konkrete, praktische Schritte unternimmt, die etwas verändern können.“

Die Liste der Topmodels, die sich ernsten Anliegen anschließen, wird immer länger. Im September 2009 wurde Gisele Bündchen zur Botschafterin des Umweltprogramms der UN ernannt. Tasha de Vasconcelos, das Gesicht von Nivea, eröffnete mit Unterstützung von Louis Vuitton im vergangenen Jahr eine Klinik in Malawi. Sie ist außerdem eine Botschafterin des Institut Pasteur, einer gemeinnützigen französischen Organisation, und das Gesicht für alle möglichen humanitären Themen der EU.

Der Vorteil, den die beteiligten Organisationen davon haben, dass sich ein berühmtes Model ihrer Sache anschließt, liegt auf der Hand. Das gilt insbesondere dann, wenn die Prominente bereit ist, in die entlegensten Winkel des Erdballs zu reisen, um für ihren Zweck zu werben. Der enorme Hunger nach Promi-News mag in vielen Punkten fragwürdig sein, doch er garantiert, dass die Aufmerksamkeit auf eine gute Sache gelenkt wird. In der Tat steigert der berühmte Name eines Models, der mit einer gemeinnützigen Organisation in Verbindung gebracht wird, die Höhe des Kurses, mit dem diese Organisation in der Öffentlichkeit gehandelt wird. Der berühmte Name garantiert für ein Maß an Berichterstattung und Aufmerksamkeit, das anders kaum erreichbar wäre. „Promis ziehen die Aufmerksamkeit an“, erklärt Marissa Buckanoff, die bei Unicef für „Celebrity Relations“ zuständig ist. „Unicef bekommt dadurch die Möglichkeit, die Blicke der Welt auf die Anliegen der Kinder zu lenken.“

Topmodels sind in vielerlei Hinsicht für wohltätige Zwecke besonders geeignet. Abgesehen davon, dass sie natürlich fotogen sind, ist die Modebranche global ausgerichtet, sie bezieht ihre Talente aus den unterschiedlichsten Ländern, darunter auch Entwicklungsländer. De Vasconcelos etwa stammt ursprünglich aus Mosambik, Imam aus Somalia, Alek Wek stammt aus dem Sudan und Natalia Vodianova ist Russin. Alle engagieren sich für gute Zwecke, die eine Verbindung zu ihrer Herkunft haben. „Prominente sind – wie wir alle – sensibel für gesellschaftliche Themen, und das gilt oft besonders für die Länder, aus denen sie stammen. Es ist sehr hilfreich, wenn sie eine persönliche Beziehung zu einem Ort haben“, sagt Buckanoff.

Die eigene Karriere fördern

Natürlich ist die Vereinigung von Mode und wohltätigen Kampagnen nicht nur eine Herzensangelegenheit sondern auch zweckdienlich. Wenn Topmodels und Modemarken bereitwillig auf der ganzen Welt Gutes tun, dann befördern sie damit auch ihre eigene Karriere. Wer sich in der Modewelt als Marke etablieren will, der sollte zusehen, dass er mit den richtigen Wohltätigkeitsorganisationen in Verbindung gebracht wird.

„Nun, da die Kugel rollt, werden alle denken, sie müssten mitmachen. Es gehört nun zu den Dingen, die man von einem Menschen, der sich einen Namen gemacht hat, erwartet“, sagt Meyerson. „Die Prominenten steigern die Bekanntheit ihres Namens und erreichen, dass man sie ernster nimmt, als das sonst der Fall wäre.“

Andere Kenner der Branche spielen diesen Aspekt herunter. Sie weisen darauf hin, dass einige Größen der Modebranche, wie etwa Claudia Schiffer, seit Jahren wohltätige Organisationen unterstützen, obwohl sie nicht darauf angewiesen sind, ihren weltweiten Ruhm noch zu steigern. „Auch Prominente können sich wie jeder andere sozial engagieren und sie wollen mit uns arbeiten, um unsere Ziele zu unterstützen“, sagt Buckanoff.

Supermodel Hearst scheint dieses Argument zu bestätigen, wenn sie so leidenschaftlich über Operation Smile spricht und darüber, dass sie sich weiter für deren Ziele engagieren will. Für dieses Jahr hat sie vier weitere Reisen für die Organisation geplant. „Es ist wichtig, dass die Leute erkennen, dass eine Person alleine einen Unterschied machen kann“, so Hearst. „Meine Reise nach Kairo war meine erste Mission, aber es wird nicht meine letzte gewesen sein.“

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Übersetzung: Christine Käppeler
Geschrieben von

Paul Harris, The Observer | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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