Das Veto Russlands und Chinas gegen eine anti-syrische Resolution im UN-Sicherheitsrat zeigt einmal mehr, dass dieses Gremium nicht in der Lage ist, angemessen mit Konflikten umzugehen, die eine Gefahr für die internationale Sicherheit darstellen. An einem Punkt, an dem Syrien sich nach sieben Monaten friedlicher Proteste gegen das Assad-Regime und mindestens 3.000 getöteten Oppositionellen am Rande eines Bürgerkrieges befindet, lässt der Sicherheitsrat die syrische Bevölkerung im Stich. Er konnte sich nicht einmal zur Verabschiedung einer Resolution durchringen, die das Vorgehen der Regierung verurteilt. Von der Verhängung eines Embargos ganz zu schweigen. Der Text wurde mehrmals abgeschwächt und drohte am Ende nicht einmal mehr mit Sanktionen. Selbst be
bei einer Annahme – die Resolution wäre zahnlos gewesen.Keine Boykottmöglichkeiten Russland argumentiert, die Resolution habe lediglich als Wegbereiter einer Intervention fungieren sollen, wie dies bei Libyen der Fall war. Dagegen spricht, dass der Westen kein Interesse daran erkennen lässt, in einen weiteren militärischen Konflikt einzutreten. Darüber hinaus sehnen sich die Syrer zwar nach mehr Druck auf ihr Regime, lehnen aber ein Vorgehen nach libyschem Muster weitgehend ab.Moskau hat die Regierung Assad aus strategischen Gründen jahrzehntelang mit Waffen ausgerüstet und unterstützt. Syrien ist möglicherweise sein letzter verbleibender Bündnispartner in der Region. Das Verhältnis zu Präsident Bashar al-Assad und dessen Vater Hafez war allerdings oft schwierig. Obwohl Staatschef Assad einerseits dringend Waffen benötigte, um Israel Paroli zu bieten und den Libanon unter Kontrolle zu halten, und die Russen ihren Flottenstützpunkt im syrischen Hafen von Tartous ausweiten wollten, wurden die Beziehungen immer wieder durch das instinktive Bedürfnis des Regimes in Damaskus gehemmt, sich nicht von einer Großmacht dominieren zu lassen. Für die Syrer lauten die entscheidenden Fragen nun: Werden die Russen Assad ein weiteres Mal mit Waffen versorgen. Wenn ja, was werden sie im Gegenzug dafür verlangen?Die Wut der Amerikaner auf Assad hat in der Region wegen der uneingeschränkten Unterstützung Washingtons für Israel ohnehin kaum Gewicht. Dieser Beistand hat sich über Jahrzehnte hinweg unter anderem darin geäußert, dass die USA im Sicherheitsrat über 40 mal ihr Veto einlegten, um Israel vor Zurechtweisungen der Staatengemeinschaft zu beschützen. Welche Handlungsmöglichkeiten bleiben also noch? Eine bewaffnete Intervention würde die Sache nur verschlimmern. Und die USA haben die meisten ihrer Boykottmöglichkeiten bereits aufgebraucht, da sie Syrien schon seit Jahren mit Sanktionen belegen.Kaum Überläufer Blieben die Sanktionen der EU, die zwar Wirkung zeigen, aber keinen durschlagenden Effekt haben. Immerhin hat der Boykott syrischer Ölimporte die Zahlungsfähigkeit des Regimes massiv einschränkt. Mit hohen Zöllen belegte Importe mussten bereits drastisch zurückgefahren werden. Die Europäische Union hat auch 56 Einzelpersonen und 18 Unternehmen mit Sanktionen belegt – beinahe im Zweiwochentakt wurde die Sanktionsliste ergänzt. Nicht zufällig steht der syrische Satellitensender Addounia auf der roten Liste, weil er den Demonstranten droht und dazu eingesetzt wird, Assads Sicherheitskräfte anzustacheln, bevor sie zu ihrer tödlichen Mission aufbrechen. Es kann sich nur um eine Frage der Zeit handeln, bevor der Sender von den Satelliten, auf die er angewiesen ist, keine Signale mehr erhält.In der Region verliert das Regime weiter an Boden. Es hat die Unterstützung Katars, Saudi Arabiens und – am schwerwiegendsten – der Türkei eingebüßt. Letztere hat ihrerseits Sanktionen angekündigt und bereits eine Schiffsladung mit Waffen gestoppt. Je nachdem, wie diese Maßnahmen ausfallen, könnten sie die Geschäftswelt der im Norden gelegenen Stadt Aleppo empfindlich treffen und zu Auszahlungsschwierigkeiten bei Löhnen und Gehältern führen.Um so mehr wird sich das Regime jetzt durch das Versagen der internationalen Gemeinschaft bestärkt fühlen und darin fortfahren, die Oppositionsbewegung niederzuschlagen. Es wird versuchen, das Land wieder so unter Kontrolle zu nehmen, dass die Wirtschaft reaktiviert werden kann. Die Stärke des Regimes besteht in seiner scheinbaren Geschlossenheit, es gab bislang kaum Überläufer – in den größten Städten Damaskus und Aleppo keine größeren Proteste.Mittel der GewaltDie Opposition in der Diaspora scheint gespalten. Sie verfügt weder über einen einheitlichen Plan noch eine gemeinsame Vision, auch wenn es inzwischen immerhin zur Bildung eines Syrischen Nationalrates reichte. Die Oppositionellen im Lande selbst werden wohl die Führung übernehmen müssen. Die örtlichen Koordinierungsräte waren bei der Organisation weitgehend friedlicher Proteste bislang sehr erfolgreich und haben außerordentlichen Mut, Flexibilität und Phantasie bewiesen. Sie arbeiten unermüdlich daran, die Proteste angesichts zunehmender Militanz gewaltlos zu halten. Das Regime tut hingegen sein Möglichstes, um gewaltsamen Widerstand zu provozieren, der ihm als Vorwand für einen noch massiveren Einsatz des Militärs dienen könnte. Diejenigen Oppositionsgruppen, die sich für einen bewaffneten Widerstand aussprechen, argumentieren hingegen damit, dass sie nun keine Wahl mehr hätten, als das Regime mit dessen eigenen Mitteln zu bekämpfen.Auch wenn es letzten Endes vor Ort keinen großen Unterschied machen wird, ob der Sicherheitsrat handelt oder nicht, so wird dessen jüngstes Versagen den Syrern doch ein für allemal klar machen, dass keine ausländische Kavallerie am Horizont auftauchen wird, und die Zukunft ihres Landes ganz allein in ihren Händen liegt.