Wenn es dazu kommt, dann wird die Apokalypse im Fernsehen übertragen und von einer in Pink gekleideten Nordkoreanerin vermeldet. Seit Jahrzehnten ist Ri Chun Hee damit betraut, das Volk über wichtige Momente aus der Geschichte, besonders aber der Gegenwart ihres Landes ins Bild zu setzen. Was weiß man über diese Frau, die Nachrichten weniger verliest, als sie zu deklamieren und in die Welt zu donnern?
Ri Chun Hee ist das bekannteste Gesicht im Koreanischen Zentralfernsehens, dem einzigen landesweit ausstrahlenden Sender in der Volksrepublik Kim Jong-uns. Sie erscheint bis heute regelmäßig auf dem Bildschirm, sobald es einen weiteren Nukleartest zu vermelden gibt. Die offiziellen Verlautbarungen dazu hat Ri stets mit von Pathos getränkter Stimme und überbordendem Enthusiasmus präsentiert. „Der Test einer Wasserstoffbombe, die dafür vorgesehen ist, auf unsere interkontinentale Raketengeschosse montiert zu werden, war ein ganzer Erfolg“, tönte Ri am vergangenen Wochenende, als sie die Nachricht von der bisher stärksten Atomexplosion in Nordkorea verbreitete. „Es war ein sehr bedeutsamer Schritt für die Umsetzung des nationalen Nuklearwaffenprogramms.“
Im westlichen Tenue
Die 74-jährige Moderatorin ist bekannt als „die Volksansagerin“ und hat ein Faible für ein leuchtendes Outfit. Normalerweise trägt sie einen Hanbok, die traditionelle koreanische Kleidung, doch mochte sie sich auch schon im westlichen Kostüm zeigen, mit Schulterpolstern und allem Drum und Dran, aber natürlich wieder in Pink, ihrem Markenzeichen. Jedenfalls gibt Ri ihre Stimme einem Regime, das in der Person des Staats- und Parteiführers Kim Jong-un selten direkt zum Volk spricht, vom Gründungstag der Volksrepublik am 9. September einmal abgesehen. Was empfiehlt die „Dame in Pink“ für ihr öffentliches Amt. Vor allem, wer ist sie?
Ri Chun Hee wurde 1943 in eine arme Familie in Tongchon geboren, das heute im Südosten Nordkoreas liegt. Als sie sieben Jahre alt war, begann im Oktober 1950 der Korea-Krieg, so dass von einem Tag zum anderen die Kindheit vorbei war. Um zu ermessen, was das bedeutete, muss daran erinnert werden, dass in der letzten Phase der Kampfhandlungen, als der Norden unablässig von der US-Luftwaffe bombardiert wurde, ein Viertel der dortigen Bevölkerung ums Leben kam und von den meisten Städten nur Trümmerfelder blieben. Nach dem Krieg ging Ri wieder zur Schule, nun in Pjöngjang, und begann mit 18 Jahren das Studium der Darstellenden Kunst an der Universität für Theater und Film in der nordkoreanischen Hauptstadt. 1971 schließlich fing sie beim Koreanischen Zentralfernsehen an und wurde nur drei Jahre später zur Chef-Nachrichtensprecherin befördert. Über mehrere Jahrzehnte hinweg gelang es ihr, Degradierungen zu vermeiden und politische Säuberungen zu überleben – sprich: stets gefährlichen Fallstricke für Berufe zu entgehen, die mit dem öffentlichen Aufritt verbunden sind. Für viele von Ris Kollegen fand eine solche Karriere zuweilen ein baldiges Ende.
Berichten zufolge soll es ihre melodramatische Vortragsweise gewesen sein, die Ri viel Bewunderung des derzeitigen Staatschefs Kim Jong-un eintrug. Nur selten weicht sie von ihrem militanten Sprachduktus ab. Dabei blieb es auch, als sie am 8. Juli 1994 den Tod von Nordkoreas Staatsgründer und Führer Kim Il-sungverkündete und dabei während der Live-Sendung in Tränen ausbrach. Nicht viel anders erging es ihr Ende 2011 beim Tod seines Sohnes und Nachfolgers Kim Jong-il.
Gehobener Wohlstand
Offiziell ist die Sprecherin seit 2012 im Ruhestand, doch hat sie gelegentlich ein Comeback, um wichtige staatsoffizielle Verlautbarungen zu verlesen, so geschehen unter anderem am 4. Juli, als sie den ersten Test der Interkontinentalrakete Hwasong-14 bekannt geben durfte, den Kim Jong-un „persönlich geleitet“ habe, wie es in der Meldung der Nachrichtenagentur KCNA formuliert war. Das allerdings sind inzwischen Ausnahmen. Die meiste Zeit verbringt Ri Chun Hee gegenwärtig damit, eine nächste Generation von Nachrichtensprechern auszubilden und sie an ihrem Vorbild zu schulen.
Vor ihrer Pensionierung war Ri nicht wegzudenkender Bestandteil der Abendnachrichten, die in den Wohnzimmern eines Landes empfangen wurden, um in der Regel das Tagwerk sakrosankter Staatschefs zu reflektieren: die Besuche von Stahlwerken, die Besichtigung von Kohlfeldern oder Bergwerken, die Inspektion von Militärstützpunkten. In einem seltenen Porträt der TV-Sprecherin berichtete das staatliche Monatsmagazin Chosun im Jahr 2009, dass Ri in Pjöngjang ein Leben des gehobenen Wohlstands führe, gemeinsam mit Mann, Kindern und Enkelkindern. „Ihr Stimme entwickelte stets eine enorme Wirkung. Wann immer sie die Nachrichten verlas, waren die Zuschauer gerührt”, hieß es in dem Magazin. „Allein wenn sie Berichte und Erklärungen ankündigte, zitterten die Feinde vor Angst.“
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