Mao, Mao an der Wand …

Ausstellung … wer sind die Liberalsten im ganzen Land? Das Museum für Zeitgenössische Kunst in Teheran darf Werke der "Pop Art & Op-Art" zeigen. Vermutlich nicht ohne Hintergedanken

Wer heute zahlungskräftige Käufer für moderne und zeitgenössische Kunst sucht, schaut nach Abu Dhabi, Dubai und Katar. Erst im Februar soll die Herrscherfamilie von Katar einen Cézanne für 25o Millionen Dollar erworben haben. Abu Dhabi baut – wenn auch krisenbedingt etwas entschleunigt – an seiner gigantischen Museumsinsel Saadiyat, und die Art Dubai hat sich als wichtigste Messe der Region etabliert.

Dass der internationale Kunstmarkt in den siebziger Jahren schon einmal sein „persisches Moment“ erlebte, war hingegen lange Zeit in Vergessenheit geraten. Der US-Kunstkritiker Robert Hughes tat die Sammelwut des Iran damals abschätzig als eine der „kurioseren Seiten des Schah-Regimes“ ab. Um ihre vermeintliche Offenheit gegenüber dem Westen zu demonstrieren – so urteilte der bissige Beobachter in New York – erwarb die Herrscherfamilie im großen Stil Werke von Max Ernst, Edvard Munch, René Magritte, Pablo Picasso, Jackson Pollock, Mark Rothko und Roy Lichtenstein. Auf dem Kunstmarkt herrschte zu jener Zeit Flaute – es war die Zeit der allgemeinen Rezession – und so griffen clevere Händler und Auktionare dankbar nach dieser Chance. Andy Warhol seinerseits reiste gar persönlich nach Teheran, um mit seiner silbernen Aura der dortigen Kunstszene den nötigen Glamour einzuhauchen.

Die Teheraner Sammlung moderner Kunst gilt noch heute als die wertvollste außerhalb Europas und der USA, ihr Wert wird auf 2,5 Milliarden Dollar geschätzt. Darunter Werke, auf die so manches große Haus in Europa neidvoll schielt: Jackson Pollocks Mural in Indian Red Ground zum Beispiel, das die Emanzipation des bekanntesten Vertreters des abstrakten Expressionismus von Picasso markiert, oder eine Bronze von Magritte, die das Motiv seines Schlüsselwerks Der Therapeut aufgreift.

Der Wächterrat verbot den Verkauf

Un-islamisch, pornografisch oder zu schwul: Ein Großteil der Werke wurde aufgrund dieser Klassifizierung nach der Revolution nie gezeigt. Und so ist es eine kleine Sensation, dass rund 100 Werke nun im Rahmen der Ausstellung Pop Art & Op-Art im Museum für Zeitgenössische Kunst in Teheran zu sehen sind. Mick Jagger, Marilyn Monroe und Mao Zedong, wie Andy Warhol sie sah, kann sich nun noch bis Mitte August jeder in Teheran anschauen.

Zu den vielen Ironien rund um diese Sammlung, die in den siebziger Jahren unter Aufsicht der Schah-Gattin Farah Pahlavi mit Mitteln der National Iranian Oil Company angekauft wurde, zählt auch, dass sie so vollständig erhalten ist, weil ausgerechnet der Wächterrat vor rund zehn Jahren einschritt, um den Austausch und Verkauf der Werke zu verbieten. Der Handel mit un-islamischen und pornografischen Werken war verboten.

Dass die Sammlung gerade jetzt der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, kann man nur ähnlich nüchtern bewerten, wie seinerzeit der Kritiker Robert Hughes ihren Ankauf durch das Schah-Regime. Die Spannungen mit Israel und den USA drohen zu eskalieren, seit Juli ist das Öl-Embargo der EU in Kraft. Für Teheran könnte es keinen besseren Moment geben, um sein liberales, kultiviertes Gesicht zu zeigen. Nichts beeindruckt den Westen in dieser Hinsicht mehr als Aufgeschlossenheit gegenüber moderner Kunst. Warum also sollte Teheran nicht auf denselben Prestige-Kick hoffen, wie die Herrscherfamilien in Abu Dhabi, Dubai und Katar? Ein Warhol an der Wand kann manchmal Wunder bewirken.

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Geschrieben von

Jonathan Jones, Saeed Kamali Dehghan | The Guardian

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