Profil: Schwarze

Rassismus 2.0 Auf manchen Dating- Webseiten suchen Männer gezielt nach schwarzen Frauen. Doch wann wird die persönliche Vorliebe zu einer Diskriminierung aufgrund der Herkunft?

In dem enttäuschend kühlen Sommer des Jahres 2009 biss ich in den sauren Apfel und meldete mich bei einer Online-Dating-Site an. Die Grundlagenforschung hatte mich gelehrt, dass es zwei Sorten von Dating-Seiten gibt: Die, bei denen man bezahlen muss, um sich anmelden zu können und die freien, die eigentlich ihren Mitgliedern etwas bezahlen müssten. Grob gesagt hält sich die Meinung, bei den kostenpflichtigen erreiche man eine etwas anspruchsvollere Klientel, während man auf den kostenlosen Seiten viele Frösche küssen bzw. anschreiben müsse, bevor man einen verwunschenen Prinzen trifft. Ich entschied mich dennoch dafür, es auf einer kostenlosen Seite zu versuchen: OkCupid.

OkCupid ist mit 100.000 Mitgliedern eine der beliebtesten kostenlosen Datingseiten Großbritanniens. Auf der Insel hat die Seite den Ruf, ihre Nutzer seien cool, intelligent und liberal und viele von ihnen arbeiteten in der Medienbranche, in sozialen oder technischen Berufen. Am Tag meiner Anmeldung schrieb mich ein 28-jähriger Grafikdesigner aus Süd-London an, noch bevor ich mein Profil vollständig ausgefüllt hatte und verwickelte mich in einen Chat. Auf seinem Profilbild hatte er braunes Haar, große braune Augen und ein freundliches Gesicht. Wir unterhielten uns 20 Minuten lang, diskutierten über Grammatik, Heuschnupfen und Eier-Sandwiches. Es war locker, unkompliziert und machte Spaß. Frohen Mutes loggte ich mich aus.


Dann aber kamen die anderen Chats und E-Mails. Einer fragte mich, warum auf meinem Profilbild nicht mein ganzes Gesicht zu sehen sei – ob dies etwa daran liege, dass ich ein „hässliches, schwarzes Mädchen“ sei. Mehr als einer fragte mich, ob es stimme, „was man über schwarze Mädchen erzählt“ und mehrfach kam auch die Frage, woher ich denn „in Wirklichkeit“ käme. Und das waren lediglich die ehrlichen Old-School-Rassisten. Ich bekam auch Nachrichten von speziellen Hauptfarbenfetischisten, die mir Komplimente für meine „feine braune Haut“ machten und meine Haltung als die einer „nubischen Königin“ priesen, obwohl ich auf meinem Profilbild Chips esse (Ich wünschte, ich würde Witze machen.) Ich bin nicht allein: Auch Lola, die auf mehreren Dating-Seiten angemeldet ist, fand es befremdlich, von Männern kontaktiert zu werden, die offenbar lediglich an ihrer Hautfarbe interessiert sind. „Sie haben dein Profil nicht gelesen und nichts mit dir gemeinsam“, sagt sie. „Einmal waren drei meiner Freundinnen und ich bei der gleichen Seite angemeldet und wurden alle von den gleichen Typen angeschrieben, obwohl wir sehr verschiedene Menschen sind – nur weil wir schwarz sind.“

Ihrer Erfahrung nach wird man als Schwarze auf diesen Seiten als „tief hängende Frucht“ angesehen, die man ohne große Mühe abgreifen kann: „Auf diesen Seiten gelten schwarze Frauen als am wenigsten anspruchsvoll und/oder am unattraktivsten. Nicht ein einziger berufstätiger schwarzer Mann hat mich jemals angeschrieben. Bei den Weißen handelte es sich offenbar allesamt um Fetischisten. Mir wurde unterstellt, ich müsse dick sein und zur Kirche gehen. Einmal fragte mich ein Typ gleich in der ersten Mail, ob ich Lust auf einen Dreier hätte. Die Männer, die sich einem nähern, gehen fest davon aus, man sei verzweifelt und werde deshalb auf jeden Fall antworten.“

Michelle betreibt das anonyme Dating-Blog Single Filez, auf dem sie ein beeindruckendes Dossier der Ignoranz zusammengetragen hat. „Ein Typ kam bei unserem ersten Date damit an, dass schwarze Männer ja für „bestimmte Anlagen“ bekannt seien, bei ihm müsse man sich in dieser Hinsicht aber keine Sorgen machen. Ein anderer fragte mich, ob ich mir Dreadlocks machen ließe, als ich erwähnte, dass ich einen Termin beim Friseur hätte. Was zum Teufel ...?“

Wer rassistische Sprüche macht, wird gesperrt

Ich wurde an all das erinnert, als ich auf der feministischen Internetseite Jezebel auf die Geschichte von Alice stieß.
Alice hatte eine Nachricht von einem potenziellen Verehrer erhalten: „Schaff deinen schwarzen Arsch hierher und bring ein paar Comics mit!“ Ein schlechter Scherz? Vielleicht, aber deshalb nicht weniger beleidigend.

Einem von OkTrends für OkCupid verfassten Bericht vom Oktober vergangenen Jahres zufolge antworten schwarze Frauen häufiger auf einen Erstkontakt als jede andere Gruppe. Ihre Antwort-Quote lag um 50 Prozent über dem Durchschnitt. Umgekehrt bekamen sie von allen Gruppen die wenigsten Rückmeldungen.

Amanda Christie von mysinglefriend.com sagt, bei ihnen gehöre es zur Unternehmenspolitik, dass die Mitglieder sich ihre potenziellen Partner nicht nach ethnischer Zugehörigkeit aussuchen können. „Wenn jemand in seinem Profil schreibt, er oder sie fühle sich zu einer bestimmten Ethnie oder einem bestimmten Typ hingezogen, ist das für uns Ok – wir können die Leute nicht aufgrund bestimmter Vorlieben ausschließen. Wenn aber jemand eine rassistische Bemerkung über bestimmte Leute macht, die er nicht treffen will, wird er bei mysinglefriend.com gesperrt und nicht wieder zugelassen.“

Bei OkCupid kann man die potenziellen Dating-Partner hingegen nach ethnischer Zugehörigkeit, Religion und sogar nach Kriterien wie beispielsweise Drogenkonsum selektieren. Natürlich halten viele es für keine große Sache, Menschen einer bestimmten Ethnie auszusortieren. Sie sehen darin eine legitime Präferenz wie eine Vorliebe für blondes Haar oder kleine Frauen. Online-Dating-Seiten haben etwas Marktplatzhaftes: Die Partnersuche verläuft wie beim Einkaufen – man kann sich auswählen, welche Eigenschaften der andere genau haben soll und beurteilt nach diesen Kriterien die Profile.

Wir sortieren schneller aus

Wendi Bekoe ist einer Londonerin mit ghanaischen Wurzeln, die genau weiß, was sie in ihr Profil schreibt: Nur schwarze Männer brauchen sich zu bewerben. Sie kann darin kein Problem erkennen. „Ich möchte einen schwarzen Mann heiraten oder in einer Langzeitbeziehung mit einem leben, daher habe ich ausgewählt, was ich suche. Ich möchte einen Sinn für Kultur bewahren. Am liebsten wäre mir ein Ghanaer, der wie ich in Großbritannien geboren und aufgewachsen ist, denn ich glaube, dass wir mehr Gemeinsamkeiten hätten.“ Sie glaubt, das wäre leichter. „Schon in der schwarzen Community gibt es Vorurteile über verschiedene Kulturen und es kann schon schwer genug sein, damit umzugehen. Nennen Sie mich also faul oder was Sie wollen, aber ich habe keine Lust, mich auch noch mit den Vorurteilen zwischen den verschiedenen Ethnien herumzuschlagen.“

Letzten Endes ist es unsere Entscheidung, wen wir kennenlernen wollen und wen nicht. Eine Wahl, die in der wirklichen Welt unabsichtlich oder harmlos erscheinen mag, wird online zum bewussten Ausschluss. Die Heiratsvermittlerin Louise Northwood meint dazu: „Ich denke, dass wir durch die Entstehung einer Dating-Industrie bei der Bewertung von Menschen abschätziger und oberflächlicher geworden sind und Leute aufgrund eines Fotos, ihrer Größe, ihres Alters, ihrer Abstammung oder ihres Gewichtes aussortieren. Uns wird suggeriert, es gebe noch genügend andere Mütter, die auch schöne Töchter haben.

Einige Namen wurden geändert.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Bim Adewunmi | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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