Es ist eine Binsenweisheit, dass die beiden wichtigsten Kräfte in der Welt des Geldes Gier und Angst sind. Jahrelang hatte in den Jahren des Aufschwungs die Gier dominiert; dann setzte im Sog des Lehman-Crashs die Angst ein und die Banken verliehen kein Geld mehr. Weder an andere Banken noch an irgendwen. Daraus folgte eine Bankenkrise, die wiederum eine Rezession auslöste, die ihrerseits die Staatsfinanzen kollabieren ließ, was uns alle noch auf Jahre beschäftigen wird.
Kein Fleisch mehr
Angesichts der Tatsache, dass der Absturz von Lehman Brothers derart gefährlich war, sollte man meinen, dass es sinnvoll wäre, eine ganze Menge neuer Gesetze zu verabschieden. Gesetze, die verhindern, dass sich die Krise wiederholt, indem sie garantieren, dass die Banken kleine
s die Banken kleiner und sicherer werden und sich mehr auf ihre gesellschaftliche Aufgabe konzentrieren. Wer das angenommen hat, der liegt falsch: Es gibt kein neues Gesetz, das auf die Ursachen der Krise zielt. Die systemischen Risiken sind die gleichen wie vor zwei Jahren.Eine gewisse Zeit hatte es den Anschein, die USA brächten etwas zuwege, das einer Reform am nächsten käme. Nachdem die Demokraten bei der Wahl des Nachfolgers von Ted Kennedy im Senat abgestraft wurden, schien Präsident Obama urplötzlich zu kapieren, wie unbeliebt die Banken waren und wie verbreitet die Wahrnehmung, es sei eine Reform vonnöten. Er machte Vorschläge, wie der Bankensektor weniger profitabel, dafür risikoärmer werden könnte. Einen Moment schien es, als läge ein echter Wandel in der Luft.Doch als der Vorschlag im Juni den Kongress erreichte, hatte er kein Fleisch mehr auf den Rippen. Eine 19-Milliarden-Dollar-Abgabe wurde verworfen, eine strengere Regulierung des Derivate-Handels abgemildert, eine Abspaltung des spekulativen Teils der Bankengeschäfte vom Passivgeschäft ignoriert. Am Tag, als die neuen Regeln vorgestellt wurden, stiegen die Aktien der Banken um fast drei Prozent. Das sagte, was man wissen musste: In den Augen der Märkte hatten die Banken gewonnen. Zwei Finger gehen hoch Aber schließlich gewinnen die Banken immer. Kaum dass sie Notverkäufe, die auf den Lehman-Kollaps folgten, überlebt hatten, gingen sie zum Gegenangriff über und gewannen seither jede Schlacht. Inzwischen haben sie so viel Selbstbewusstsein, dass sie längst nicht mehr so tun, als würden sie sich darum scheren, was die Politiker oder die Öffentlichkeit denken. Die Ankündigung, dass Bob Diamond neuer CEO der Großbank Barclays wird, markierte gerade einen der symbolischen Höhepunkte dieses Prozesses: Das Aushängeschild des Casino-Banking wurde zum Kopf einer der größten britischen Banken gemacht. Paul Kenny von der Gewerkschaft GMB ist viel zu milde, wenn er sagt, diese Entscheidung „halte vor dem Steuerzahler zwei Finger in die Höhe“. Sie tut das, tritt ihn in die Eier, führt einen Siegestanz auf und stellt das Filmmaterial dieser Aktion auf Facebook ein.Diesen Sieg haben die Banken also errungen. Und dann die Nachricht von gestern, die britischen Banken müssten 2010 die genaue Höhe der Boni, die sie auszahlen, nicht offen legen, da das entsprechende Gesetz bislang nicht in Kraft ist! Noch ein Sieg für die Banken. Allerdings hatten sie schon vorher gewonnen, denn der Vorschlag, die Boni einzelner Banker genau zu benennen, war bereits gestrichen worden – öffentlich soll nur die Gesamthöhe der Boni gemacht werden.Einen Tag zuvor waren die neuen internationalen Regeln über das Minimum an Eigenkapital angekündigt worden, die dazu führen sollen, dass die Banken sicherer werden, indem sie große Summen für ihre risikoreichen Geschäfte vorhalten. Die neue Quote von hartem Kernkapital wurde auf 4,5 Prozent festgesetzt – weit weniger als von der britischen und der US-Regierung gefordert. Und wieder haben die Banken gesiegt.Hin zum Abgrund Dieser Vorfall ereignete sich am 12. September, und das Ganze ist eine äußerst große Sache. Der dazugehörige Prozess heißt „Basel III“, benannt nach der Schweizer Stadt, in der die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich – im Prinzip die Zentralbank der Zentralbanken – ihren Hauptsitz hat. Basel I und II waren die ersten beiden Regelwerke für das internationale Bankwesen. Die Regeln müssen jedoch immer wieder geändert werden, da die Komplexität der neuen Finanzinstrumente zunimmt, die zur Kreditkrise führten. Basel III sollte neue Regeln über die Höhe der Kapitalrücklagen, Liquiditäts- und Leverage-Raten aufstellen.Als Vorbild dient Kanada, wo die Banken per Gesetz gezwungen wurden für schlechte Tage überdurchschnittlich hohe Kapitalmengen in Reserve zu halten – und wo, nicht eben zufällig, keine Bank während der Krise unterging. Unter risikofreudigen Bankern sind solche Regeln unbeliebt, denn sie tendieren dazu, die Bankgeschäfte weniger profitabel zu machen. Solche Regeln sind zwar nicht sexy, doch in den Augen der Insider bedeuteten sie die letzte Hoffnung auf ein sichereres Bankensystem.So sind die jüngsten Nachrichten für alle eine Enttäuschung, die gehofft hatten, der Lehman-Kollaps und alles, was darauf folgte, werde zu wirklichem Wandel führen. Mit jedem dieser Banken-Siege werden die Gefahren missachtet, die Banken-Geschäfte bergen. Dadurch kriechen die Finanzinstitute zurück an den Rand des Abgrunds. Das wäre in Ordnung – würden Sie nicht uns hinter sich her ziehen.