Signal der Annäherung

Kuba Die Leuchtschrift an der Fassade eines Gebäudes mit Blick über Havanna hatte jahrelang eine Mission: Fidel Castro vor den Kopf zu stoßen. Jetzt wurde sie abgeschaltet

Vor drei Jahren sorgte die Laufschrift – eine Low-Tech-Version des berühmten Tickers am New Yorker Times Square – auf der in eineinhalb Meter großen Buchstaben Menschenrechtsbotschaften aufleuchten, für eine Eskalation des Propagandakrieges zwischen den USA und Kuba. Doch nun hat die Geschichte, genauer gesagt Barack Obama, der über 25 Fenster der US-Interessenvertretung in Havanna laufenden elektronischen Anzeige offenbar den Stecker gezogen. Ihr Erlöschen ist der jüngste Hinweis darauf, dass die inzwischen ein halbes Jahrhundert währende Feindschaft zwischen den beiden Staaten vielleicht ebenfalls abflaut.

Der 2006 von der Bush-Regierung angebrachte Ticker hatte Fidel Castro erzürnt und ein diplomatisches Hick-Hack ausgelöst, welches die ohnehin schon angespannte Beziehung der beiden Länder weiter belastete hatte. "Im Grunde war es ein Wettstreit darum, welche Seite die andere heftiger ärgern konnte", sagt Dan Erikson, Autor von The Cuba Wars und Analyst beim Thinktank Inter-American Dialogue. "Die USA bezeichneten die Schrift als eine Möglichkeit dem kubanischen Volk Informationen zukommen zu lassen. Der eigentliche Zweck war aber die kubanische Regierung zu brüskieren."

Zitate von Lincoln und Wałęsa

Während des dreijährigen Betriebs der Laufschrift waren in flammend roten Lettern unter anderem Zitate von Martin Luther King ("Ich habe den Traum, dass diese Nation sich eines Tages erheben wird"), Abraham Lincoln ("Kein Mensch ist gut genug, einen anderen Menschen ohne dessen Zustimmung zu regieren") oder Lech Wałęsa zu lesen gewesen. Es wurde aber auch schon einmal den kommunistischen Behörden Kubas die Schuld an der Transportkrise und dem materiellen Mangel auf der Insel zugeschrieben: "Einige fahren Mercedes, einige Lada, doch das System zwingt beinahe jeden zum Trampen."

Den Angestellten der Bush-Regierung zufolge erlaubte der Ticker, die Zensur zu umgehen und die Botschaft von Hoffnung und Freiheit in einen tropischen Gulag zu tragen. In den Augen Castro hingegen stellte er einen Angriff auf Kubas Souveränität durch einen heuchlerischen, imperialistischen Tyrannen dar. Kaum war die Schrift aufgetaucht, ließ der Máximo Líder eine Millionen Menschen protestierend daran vorbeimarschieren, den Parkplatz der US-Mission aufreißen und Anti-USA- Plakate, sowie 138 große schwarze Flaggen aufhängen. Die sollten an die "Opfer der US-Aggression" erinnern– und die Sicht auf den Ticker verstellen. Außerdem kündigte der Revolutionsführer an, es werde keinen Kontakt zwischen den US-Diplomaten in Havanna und dem kubanischen Außenministerium geben, solange die Laufschrift da sei.

Wunsch nach Normalisierung

Inzwischen hat Castro sein Amt an Bruder Raul Castro abgetreten und George W. Bush ist durch einen Demokraten ersetzt worden, der von einem Neuanfang mit der 90 Meilen von der Küste Floridas entfernten Karibikinsel gesprochen hat.

Nach Obamas Wahl verlieh die kubanische Regierung dem Wunsch nach einer Normalisierung der Beziehungen Ausdruck und hängte die Plakate rund um die US-Mission ab. Die Fahnen allerdings wehten weiter. In den letzten Monaten dann hat das Weiße Haus die Überweisungs- und Reisebeschränkungen für kubanische US-Bürger aufgehoben und damit das aus der Kennedy-Ära stammende Wirtschaftsembargo etwas gelockert. Außerdem wurden Gespräche über Migration und Katastrophenschutz mit Havanna aufgenommen.

Touristenattraktion ohne Einfluss

Erst am Dienstag verbreitete sich die Nachricht vom Erlöschens des Tickers. Dabei war er bereits seit einigen Wochen verschwunden. Laut Reuters erklärten US-Diplomaten vor Ort Besuchern gegenüber "technische Schwierigkeiten" als Grund. Pläne, die Schrift wieder in Betrieb zu nehmen gebe es nicht. Spekulationen zufolge haben US-amerikanische und kubanische Offizielle in Havanna wieder Kontakt zueinander aufgenommen. Keines der Außenministerien der beiden Länder reagierte bislang auf Anfragen zu einer Stellungnahme.

Der Ticker wurde zwar zu einer Touristenattraktion, auf die Kubaner hatte er aber kaum wahrnehmbaren Einfluss. Vielleicht lag es ja an der dürftigen Technik: Die Schrift bewegte sich langsam, war schwer zu entziffern und konnte keine spanischen Akzente und Tilden darstellen. So wurde zum Beispiel statt des Wortes año, welches "Jahr" heißt, das Wort ano angezeigt – was Anus bedeutet.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Rory Carroll, The Guardian | The Guardian

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