Trotz der historischen Nähe der US-Bürgerrechts- und südafrikanischen Anti-Apartheid-Bewegung kann sich Barack Obama keineswegs von allen Südafrikanern eine freundliche Aufnahme erhoffen. Arbeiterorganisationen, Studenten und muslimische Gruppen sind entschlossen, dafür zu sorgen, dass er sich in der größten Volkswirtschaft Afrikas nicht sonderlich willkommen fühlt.
„Nobama“, unter diesem Motto haben der Gewerkschaftsverband COSATU und die KP Südafrikas „alle Arbeiter“ aufgerufen, sich Massenprotesten anzuschließen. Unter anderem ist ein Marsch auf die US-Botschaft in Pretoria geplant. Akademiker und Studenten haben angekündigt, die Verleihung der Ehrendoktorwürde an der Universität Johannesburg zu boykottieren. Die Muslimische Anwaltsvereinigung fordert gar, man solle den US-Präsidenten wegen Kriegsverbrechen anklagen.
Auf den ersten Blick könnte man annehmen, es handle sich um Aktionen von Randgruppen, wie sie überall auf der Welt gegen US-Präsidenten stattfinden. Südafrika stellt jedoch einen Sonderfall dar. COSATU und die Kommunistische Partei bilden gemeinsam mit der Regierungspartei, dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC), eine Drei-Parteienallianz und erwarten deshalb Gehör. Vor allem der COSATU mit seinen 2,2 Millionen Mitgliedern spielt innerhalb der Wahlmaschinerie des ANC eine zentrale Rolle. Zudem hat er Erfahrung in der Mobilisierung von Demonstrationen. Blade Nzimande ist als KP-Generalsekretär zugleich Minister für höhere Bildung. Und auch innerhalb des ANC finden sich viele selbsternannte Kommunisten und Marxisten mit Neigung zu anti-westlicher Rhetorik. Nicht zuletzt gerät Obama ins Visier derjenigen, die Ungleichheit und Arbeitslosigkeit in ihrem Land lieber dem globalen Kapitalismus anlasten als der ANC-Regierung.
Kasper des Kapitals
Bongani Masuku ist der COSATU-Sekretär für internationale Beziehungen und meint, Obama setze die amerikanische Außenpolitik fort. „Die USA sind ein Imperium, das zugunsten multinationaler Unternehmen und der herrschenden Klasse Amerikas geführt wird.“ Die US-Außenpolitik militarisiere die internationalen Beziehungen im Sinne der eigenen Waffenindustrie.
Viele in Afrika hatten in Obama, dem Sohn eines Kenianers, Hoffnungen gesetzt, die unmöglich zu erfüllen waren. Er habe nichts erwartet, sagt Masuku, und sei deshalb auch nicht enttäuscht worden. Es geht nicht um eine Einzelperson, nicht um Hautfarbe. Es geht um die Klasse, die er repräsentiert. Es ist, als sei er der Torhüter des weißen Kapitalmonopols. Er hat Dinge versprochen, von denen wir wussten, dass er sie nicht umsetzen können würde.“
Dieser Standpunkt ist nicht allein militanten Gewerkschaftsaktivisten vorbehalten. Auch Teile der verehrten Generation derer, die gegen die Apartheid gekämpft haben, teilen ihn. Dennis Goldberg, stand Anfang der sechziger Jahre gemeinsam mit Nelson Mandela vor Gericht und wurde vom Apartheidregime zu lebenslanger Haft verurteilt. Er stößt sich besonders am Internierungslager Guantánamo Bay. Er finde es „ungeheuerlich“, dass die Amerikaner mit chinesischen Krediten ihre Kriege finanzieren.
Begegnung mit Bischof Tutu
Der Einfluss von COSATU auf den ANC ist groß. Die Attacken gegen die USA – die von Kritik an Themen wie Palästina oder Guantánamo bis hin zur „rücksichtslosen und brutalen Plünderung unserer natürlichen Ressourcen“ reichen – haben deshalb die Sorge geweckt, es könne zu diplomatischen Zerwürfnissen kommen.
Ian Davidson, Schattenminister für internationale Beziehungen in der oppositionellen Democratic Alliance, meint: „Dies ist der erste Staatsbesuch Präsident Obamas in Südafrika. Es handelt sich um ein bedeutendes Ereignis für das Land und die künftigen Beziehungen zu den USA. Die billige politische Punktemacherei von COSATU sollte dies nicht überschatten. Was der Gewerkschaftsverband macht, ist peinlich für Südafrika.“
An der Oberfläche sind die Beziehungen zwischen den USA und Südafrika freundlich und haben sich seit dem Abgang der Präsidenten George W. Bush und Thabo Mbeki sogar verbessert. Washingtons Teilnahme an der Intervention gegen Gaddafi in Libyen hat jedoch bei vielen für Entfremdung gesorgt. Jüngere Südafrikaner waren noch vor fünf Jahren der Obamania verfallen, während viele, deren Erinnerung länger zurück reicht, mit Bitterkeit daran zurückdenken, dass ein Präsident wie Ronald Reagan seinerzeit nichts gegen die Apartheid getan hat.
Am Samstag, wenn auf dem Campus der Universität Johannesburg in Soweto ein Town Hall-Treffen zwischen Obama und jungen afrikanischen Führungspersönlichkeiten stattfinden soll, ist eine Demonstration geplant.
Gemeinsam mit seiner Frau Michelle wird Obama anschließend nach Kapstadt weiterreisen. Dort steht ein Besuch auf Robben Island und eine Begegnung mit dem pensionierten Erzbischof Desmond Tutu an, der nie um ein deutliches Wort gegen westliche Kriegstreiberei verlegen ist.
Konkurrent China
Steven Friedman, der an den Universität Johannesburg das Zentrum für Demokratiestudien leitet, sagt: „Eine der großen Ironien der Debatte darüber, wie wie Barack Obama empfangen sollten, besteht darin, dass viele Südafrikaner ihm sehr wohlwollend gegenüberstehen, weil er der erste afroamerikanische Präsident ist, man wohl aber sagen kann, dass er absolut nichts für diesen Kontinent getan hat. In mancher Hinsicht hat George W. Bush mehr für Afrika getan als Obama. Der Eindruck, es handele sich hier um den Präsidenten Afrikas, der versucht, den Kontinent für die USA zu gewinnen, trifft also nicht zu. Ich kann mich an keine US-Regierung erinnern, die weniger Interesse an Afrika gezeigt hat, als diese.“
China ist 2009 mit rasanter Geschwindigkeit an den USA vorbeigezogen und nun der größte Handelspartner des afrikanischen Kontinents. „Wirtschaftlich gesehen verfügt China ganz klar über die dominierende Präsenz“, führt Friedman aus. „Die USA haben nach meinem Dafürhalten aber noch über den größeren politischen Einfluss. Aber das ist nicht von ewiger Dauer. An irgendeinem Punkt werden die Chinesen wohl eine Art politischer Dividende für ihre ökonomische Dominanz erwarten.
David Smith ist Guardian-Korrespondent in Johannesburg, Afua Hirsch in Ghana (Accra)
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