Gestern war in der Zeitung eine Geschichte über Nazi-Kühe zu lesen. Richtig, Nazi-Kühe – nicht zu verwechseln mit maoistischen Kühen. Es gibt da diese eigentlich schon als ausgestorben betrachtete Rinderrasse, die Hitler offenbar wieder zum Leben erwecken wollte, weil sie in der teutonischen Mythologie eine bedeutende Rolle spielt. Es waren seine Lieblingskühe – Über-Kühe sozusagen. Nun ist ein lebendes Exemplar in Devon entdeckt worden. Eine Zeitung schrieb, diese Kuh sein „ein Symbol für die Vision von Weltherrschaft, die die Nazis hegten.“ Außerdem war gestern den Zeitungen zu entnehmen Coco Chanel habe mit den Nazis kollaboriert, nachdem diese 1940 - möglicherweise auf der Such nach nicht-arischen Kleidern - ihr
hr Geschäft überfallen hatten.Am Wochenende war ich im Kino. Ich saß in meinem Sessel, lutschte Bonbons und sah mir den Film Good an, in dem der dänische Schauspieler Viggo Mortensen einen depressiven Nazi spielt. Er schwänzelte tuntig mit einer Hakenkreuz-Krawattennadel rum und lächelte Goebbels an. Erst wenige Monate zuvor habe ich im Kino gesessen, Bonbons gelutscht und Der Vorleser gesehen, ebenfalls einen Film über einen depressiven Nazi – diesmal weiblich und gespielt von Kate Winslet. Nur wenige Monate davor war mit Valkyrie ein weiterer Film über einen depressiven Nazi in den Kinos. Darsteller Tom Cruise versucht Hitler mit Lederaccessoires umzubringen und scheitert. Das Portemonnaie explodiert, doch der Tyrann überlebt.Ich könnte diese Liste endlos fortsetzen. Ich könnte ihnen Nazischrott, -kultur und –Nicht-Geschichten aufzählen, bis sie schwarz-weiß-rot werden und los ziehen, um in Polen einzufallen. Ich könnte bis nach Moskau gehen, ohne über Los zu gehen und ohne zweihundert gestohlene Rembrandgemälde einzuziehen. Ich könnte ihnen von der Katzen- die-aussehen-wie-Hitler-Internetseite erzählen- „Klicken Sie hier um ihren Kitler hinzuzufügen“. Ich könnte ihnen von Norman Mailers Das Schloss im Wald erzählen, in dem es um Hitlers widerliche Jugendjahre geht.Hitler hat Gastrollen in TV-Serien wie Southpark, The Twilight Zone, Red Dwarf und bei Monthy Python und den Simpsons gespielt. Er ist in einer Sitcom namens Heil Honey I’m Home! (das Ausrufezeichen stammt nicht von mir) aufgetreten. Er taucht in einem Videospiel namens Snoopy Versus the Red Baron und in einem Comic mit dem Titel The New Adventures of Hitler auf. In einem Roman lebt er in einer Höhle unter dem Kreml und versucht sich selbst zu klonen. Salvador Dali malte Hitler bei der Masturbation. In Dragon Ball Z. Der Film gelingt dem Führer die Flucht aus der Hölle. Langsam kommt mir der Verdacht, ich lebe vielleicht selbst in Dragon Ball Z. Der Film.Das Ganze widert mich an. Mir wird richtig schlecht. Ich dachte der Sinn und Zweck des Zweiten Weltkrieges sei es gewesen, den Nazismus für immer vom Antlitz dieser Erde zu löschen. Nie wieder Hakenkreuze und glänzende Stiefel, keine narzisstischen Zwerge mehr, die vegetarische Dinnerparties geben und liberale Menschen erschießen. Damit war doch angeblich nach 1945 Schluss. Doch die Nazis scheinen eine neue Dominanz gewonnen zu haben, eine kulturelle Dominanz, die absolut albern ist. Sie hat keinen Sinn. Sie existiert nur um ihrer Selbst willen. Und lenkt uns von dem heute existierenden Bösen ab. Nichts als eine große Verkleidungskiste voller Ablenkungen.Ich bin Nazi-überdrüsig. Hitler-müde. Ich habe sie alle gesehen – Derek Jakobi als Hitler, David Bamber als Hitler und Zippy aus der britischen Kindersendung Rainbow als Hitler. Manchmal liege ich im Bett und stelle mir vor, dass Filmagenten Unterhaltungen wie diese führen: „Könnte Tom Hollander Goebbels machen? Er sieht ihm doch ähnlich. Ist Eric Bana zu gutaussehend für Albert Speer?“ Ich habe das Gefühl in einer Unterhaltungsshow mit dem Thema Nazis zu leben. Warum kann Adolf nicht einfach bleiben wo er hingehört – unter einem Parkhaus in Berlin, die blinden Augenhöhlen von unten auf einen Skoda gerichtet?Diese ganze Hitler-Pornographie ist nicht sinnlos, sagen Sie jetzt vielleicht. Snoopy Versus The Red Baron kann uns etwas Wichtiges über die Tyrannei lehren. Cats who look like Hitler hat etwa wichtiges über die Gräuel des Genozid zu miauen. Schwachsinn, sage ich dann. Es gibt Genozide, die heutzutage stattfinden und sie werden von Nazikühen von den Titelseiten verdrängt – von Nazi-Kühen! Oder von Interviews mit Viggo Mortensen, der erzählt, wie man einen depressiven Nazi spielt: „Ich war in Deutschland und habe viel Zeit damit verbracht, mir einfach nur die Menschen anzuschauen.“ Nein, wirklich? In den letzten zehn Jahren sind im Kongo fünf Millionen Menschen in einem Krieg gestorben, in dem es um die Mineralen geht, die wir verbrauchen. Und Heil Honey I’m Home! hat dazu nichts zu sagen.Ich weiß die kulturellen Werke über die Nazis wohl zu schätzen – die Geschichtsbücher, die Memoiren von Elie Wiesel, Filme wie der Pfandleiher oder Das Urteil von Nürnberg. Sogar Schindlers Liste, obwohl ich dessen erlösendes Ende hasse. Doch speziell seit Das Leben ist Schön, der filmischen Liebesgeschichte vor Holocaust-Hintergrund, gibt es immer mehr nazi-inspirierte Werke, die noch dazu immer blöder werden. Was kommt wohl als nächstes? Ich schließe die Augen und weiß, dass wir auch vor der schrecklichen Aussicht auf Kylie Minogue als Eva Braun nicht gefeit sind.Ich brauche keinen Tom Cruise mit Augenklappe um etwas über Menschlichkeit zu lernen und ich brauche ganz sicher keine nackte Kate Winlet zu sehen, oder einen Mortensen, der in seiner SS-Uniform umschmeichelt wird, um die Gefahren der Tyrannei zu verstehen. Ich habe eine Kopie der Serie Sins aus dem Jahr 1986, in der Joan Collins als Geschäftsfrau von einem Nazi gejagt wird. (Dessen Darsteller Steven Berkoff spielte zwar nicht Hitler, aber brachte diesem eine Hommage dar – er marschierte wie eine kaputte Action Man-Puppe). Ich war noch ein Teenager als ich Sins das erste Mal sah. Trotzdem war mir klar, dass die Serie nicht gedacht war, mir eine Warnung aus der Geschichte zu präsentieren. Sie sollte spannend sein, indem sie mir Bilder von einer Collins zeigte, die in goldenem Kleid von einem Nazi in einer Gondel durch Venedig gejagt wird.