Sonntagnacht erreichte mich in London die sms eines Freundes, die aus drei Wörtern bestand: „Wangari Maathai amefariki“ (dt. „Wangari Maathai ist gestorben“). Ich sackte voller Schmerz in mich zusammen. Der Tod Wangaris bedeutet für mich nicht nur den Verlust einer großartigen Umweltaktivistin. Im Laufe der vielen Interviews, die ich für den BBC World Service in Afrika mit ihr geführt hatte, war sie mir zur Freundin geworden.
Ich bin im Mau-Wald aufgewachsen, dem größten indigenen Wald Ostafrikas. In meinem Heimatdorf Moto entsprang der Fluss Molo, dessen Wasser den Victoriasee speist. Das so genannte „Shamba“-System, ein Überbleibsel der Kolonialzeit, erlaubte es armen Familien wie meiner, in den Waldgebieten Getre
eten Getreide und andere Nahrungsmittel anzubauen, wenn wir dafür im Gegenzug Bäume pflanzten und uns um sie kümmerten.Theoretisch war dies eine Win-win-Situation, die es landlosen Gemeinden ermöglichte, Nahrungsmittel anzubauen und gleichzeitig die Wälder zu erhalten. Für meine Familie bedeutete es den Zugang zu Nutzpflanzen, Feuerholz und sauberem Wasser.Wangari Maathai hingegen war eine erbitterte Gegnerin des Shamba-Systems und lehnte es mit aller Entschiedenheit ab. Sie war der Ansicht, der Anbau von Nutzpflanzen im Wald werde langsam das jahrhundertealte Ökosystem zerstören, ganz egal, wie viele neue Bäume gepflanzt werden.2005 erklärte sie mir in einem Interview, warum sie diese Praxis ablehnte: „Wir sind es uns und der kommenden Generation schuldig, die Umwelt zu bewahren, sodass wir unseren Kindern eine Welt hinterlassen können, die eine Perspektive für die Zukunft bietet und allen zugute kommt.“„Diese Frau“Als sie 1977 das Green Belt Movement gründete, hatten sich die Vorstellungen von ökologischer Nachhaltigkeit und dem Schutz des Ökosystems noch kaum irgendwo auf der Welt durchgesetzt, schon gar nicht im ländlichen Kenia. Doch die Entwicklung bestätigte ihre Befürchtungen: Der Mau-Wald begann zu schrumpfen und viele der Flüsse, die ihn durchzogen hatten – einschließlich des Molo – trockneten aus.Sie aber machte weiter. Ihre Kampagnen waren stets praxis- und realitätsbezogen. Sie vergaß nie, in welchem Dilemma die armen Gemeinden vor Ort stecken. Selbst bei den komplexesten umweltpolitischen Themen hatte sie immer im Blick, welche Auswirkungen sie auf das Leben der gewöhnlichen Menschen haben. So gelang es ihr, die Menschen davon zu überzeugen anstatt sie zu nötigen, sich ihrer Bewegung anzuschließen.Sie arbeitete mit ländlichen Gemeinden zusammen, um diesen einen besseren Zugang zu Land, Feuerholz und sauberem Wasser außerhalb der Wälder zu ermöglichen und initiierte die Kampagne „Genug ist genug“, die den kenianischen Behörden vor Augen führen sollte, welche Schäden die Landwirtschaft und den Tourismus an den Seen und in den Tälern treffen würden, sollten die Flüsse des Mau-Waldes weiter austrocknen.Als ich sie zu den Arbeitsplatzverlusten in der Holzindustrie im Zuge der schärferen Kontrollen befragte, die die Regierung schließlich irgendwann doch noch einführte, antwortete sie: „Ich weiß, dass es Leid verursacht, wenn Sägewerke geschlossen werden und Menschen ihre Jobs verlieren. Aber wir müssen eine Wahl treffen. Wir brauchen Wasser und wir brauchen diese Wälder.“Sie hatte keine Angst davor, sich offen gegen die Korruption auszusprechen und war den männlich dominierten kenianischen Behörden stets ein Dorn im Auge – „diese Frau“ sagten sie nur, wenn sie von ihr sprachen. Sie schreckte auch nie davor zurück, mit den Mächtigen dieser Welt Tacheles zu reden, wenn diese sich wieder einmal vor einer Entscheidung in Sachen Klimawandel drückten.Sie war entschlossen, uns zu rettenIn meinem gegenwärtigen Job bei der Hilfsorganisation Cafod sehe ich bereits, worin dieses Erbe besteht: ganz gewöhnliche Frauen und Männer auf der ganzen Welt, von Kambodscha bis Brasilien, lassen sich von ihr inspirieren, wenn sie sich gegen die Holzunternehmen, die betrügerischen Machenschaften und die Korruption ihrer Regierungen zur Wehr setzen und ihre Wälder für die kommenden Generationen bewahren.Mir persönlich werden zwei Dinge fest in Erinnerung bleiben: Ihr herzliches Lachen, selbst wenn sie über komplexe Umweltthemen sprach, und ihre feste Entschlossenheit, den Wald zu erhalten, in dem ich aufgewachsen bin. Sie versuchte auf eine Art unser Leben zu retten, die meine Familie zunächst nicht verstand, von der sie uns aber schließlich überzeugen konnte.Sie war eine Heldin, eine Inspiration für Menschen auf der ganzen Welt, und eine echte kenianische Kämpferin.