Zarte Risse

TV-Serie Die fünfte Staffel der Erfolgsserie Mad Men ist gestartet. Wir schreiben inzwischen das Jahr 1966. Die Zeiten haben sich geändert - aber Don bleibt Don. Und die Frauen?

Mad Men ist zurück. Allerdings lediglich auf Sky Atlantic in Großbritannien, was viele bedauern werden. BBC4 wäre der bessere Sender gewesen. So muss man nun jeden Monat 20 Pfund an den Murdoch-Konzern abdrücken, wenn man wissen will, worüber in den neuen Folgen geredet wird - wie etwa die Rassenfrage – ein Thema, das Mad Men bislang eher vermieden oder nur am Rande gestreift hat. Jetzt schreiben wir das Jahr 1966 und unten auf der Straße macht die Bürgerrechtsbewegung zunehmend immer mehr Lärm und wird dafür vor den widerwärtigen jungen Kerlen der konkurrierenden Werbeagentur Y durchs offene Fenster mit Wasserbomben beworfen. Unsere Mad Men-Leute, die zur SCDP-Agentur gehören, sind zwar kaum besser. Aber irgendwie schaffen sie es, wenn auch vielleicht nur zufällig, ein klein wenig fortschrittlicher zu wirken und am Ende dieser Doppelfolge liegt ein Stapel von Lebensläufen afroamerikanischer Bewerber in der Postablage. Wird vielleicht bald eine schwarze Figur hinzustoßen?

Die Dinge verändern sich und diese Veränderung wird nicht nur von den Bürgerrechtlern, sondern auch von Frauen eingefordert. Das macht sich auch an den Details bemerkbar: Die Anziehsachen werden bunter, die Röcke kürzer, die Apartments cooler, Partys und Musik besser und die familiären Restriktionen lockern sich allmählich ein wenig. Der Kampf des Neuen gegen das Alte ist stark spürbar. Man hat den Eindruck, dass Mad Men nun richtig in den Sechzigern – bzw. dem, was die meisten Leute heute für die Sechziger halten – angekommen ist. Während die alte Garde immer noch im Anzug herumrennt und sich becherweise Whiskey hinter die Binde kippt, rauchen die Jungen draußen vorm Balkon einen Joint (oder wie man das damals nannte), bevor sie miteinander nachhause gehen.

Um ehrlich zu sein gehört dieser Serienstart in Bezug auf das, was die Hauptcharaktere anstellen, nicht gerade zu den spannendsten – zumindest nicht, bis die Party anfängt. Er ist sogar eher behäbig. Don macht immer noch das, was Don eben so macht, auch wenn er es jetzt (oder besser: für den Augenblick) mit seiner frischgebackenen Frau Megan macht; Pete ist der gleiche Trottel wie immer; Roger hat überhaupt gar nichts zu tun; Joan sitzt einsam und paranoid zuhause und cremt ihr (und Rogers) Baby ein; Peggy kämpft im Büro nach wie vor gegen die ihr entgegengebrachte Frauenfeindlichkeit und versucht, in den Rauchschwaden nicht zu ersticken. Aber immerhin erhält die chauvinistische Wand erste zarte Risse und ich glaube zum ersten Mal überhaupt bittet eine der Figuren (Pete) darum, dass nicht geraucht wird. Sie sehen: Es tut sich was!

Zou Bisou Bisou

Ohne das, was sich vor der Tür abspielt, wäre Mad Men aber einfach nur eine Soap, die in einer Werbeagentur spielt und würde Gefahr laufen, altbacken zu werden. Da könnte das Drehbuch noch so gut sein. Was die Serie ausmacht, ist, dass sie diese Charaktere in den Kontext einer Zeit und eines Ortes stellt (und was für eine Zeit und was für ein Ort). Während die Idioten von Y Wasserbomben aus dem Fenster auf die Demonstranten werfen, wirft Mad Men-Erfinder Matthew Weiner Wasserbomben von draußen nach drinnen – zumindest irgendwie, Sie wissen schon, was ich meine. Und auch wenn ich nicht gerade vor Spannung außer mir war, so hat mich die Serie doch auf's Neue wieder in ihren Bann gezogen.

Oh, und die Party – mit der Don zu seinem Vierzigsten überrascht wird – ist eine wahre Freude und stellt einen jener ganz besonderen Mad Men-Augenblicke dar. Alle amüsieren sich prächtig – das heißt: alle außer Don. (Peggys Warnung, dass Männer nicht überrascht werden wollen, wird von Megan geflissentlich ignoriert). Alles ist in diesem Zimmer von Dons und Megans neuem Luxus-Appartment versammelt – der Rauch, die Vorurteile, das Alte, das Neue, 1966, der Wandel. Und dann nimmt Megan das Mikrofon in die Hand und singt ihrem neuen Gatten ein neckisches französisches Liedchen: Zou Bisou Bisou.

Das führt zu den unterschiedlichsten Reaktionen – zu Überraschung und Aufregung bei den Männern ebenso wie zu einem ordentlichenMaß an peinlicher Betroffenheit und Eifersucht bei anderen Gästen. Don selbst kann sein Entsetzen nur schlecht verbergen. Da steht Ärger ins Haus, würde ich sagen. Doch der Augenblick gehört allein der Megan-Darstellerin Jessica Paré. Sie ist der Star dieser Show und ich wette, dass über sie am meisten geredet werden wird. Selbst wenn man kein Murdoch-Abonnement abschließen will und sich den Rest entgehen lässt, sollte man sich ihre Gesangseinlage auf YouTube ansehen.





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Geschrieben von

Sam Wollaston | The Guardian

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