Zwischen zwei Drinks

USA Am Neujahrstag hat Barack Obama den National Defense Authorization Act unterschrieben, der die unbefristete Inhaftierung von US-Bürgern ermöglicht. Die Empörung bleibt aus

US-Präsident Barack Obama hat das neue Jahr eingeläutet, indem er den NDAA, das Gesetz über den Nationalen Verteidigungshaushalt für das Jahr 2012, unterzeichnet hat. Es enthält eine Klausel, die es ihm erlaubt, amerikanische Staatsbürger für unbegrenzte Zeit zu inhaftieren. Ein gelinde gesagt symbolischer Augenblick. Während die Amerikaner mit Trinken und Feiern abgelenkt waren, hat Obama einen der größten Rückschläge für die Bürgerrechte in der Geschichte der USA besiegelt.

Obama behauptet, er habe nur unterschrieben, um die Finanzierung der Truppen sicherzustellen. Damit setzt sich der unaufrichtige Umgang mit dem Thema fort, den das Weiße Haus pflegt, seit zum ersten Mal von dem Gesetz die Rede war. Zunächst versicherte das Weiße Haus den Amerikanern, der Präsident würde das NDAA-Gesetz aufgrund der Klausel über die unbegrenzte Inhaftierung von US-Staatsbürgern nicht unterschreiben. Mit diesem Spin war Schluss, nachdem Senator Carl Levin (Demokrat aus Michigan), der das Gesetz befürwortete, enthüllte, dass das Weiße Haus darauf bestanden hatte, bezüglich der unbegrenzten Inhaftierung keine Ausnahme für US-Staatsbürger einzufügen.

Obamas jüngste Behauptung ist eine noch größere Beleidigung. Man „unterstützt die Truppen“ nicht, indem man die Prinzipien verleugnet, für die sie kämpfen. Sie kämpfen nicht dafür, dass autoritäre Macht auf die Person des Präsidenten verdichtet wird. Die Verfassung, insbesondere die Bill of Rights sind die Grundlage des „American Way of Life“. Zudem ändert das Beteuern, man wolle die einem zur Verfügung stehende autoritäre Macht nicht nutzen, nichts an der Tatsache, dass man gerade eine autoritäre Maßnahmen besiegelt hat. Autoritäre Systeme sind nicht dadurch definiert, dass sie von derartigen Befugnissen Gebrauch machen, sondern dadurch, dass sie grundsätzlich das Recht dazu haben.

Den Spin abgekauft

Das beinahe vollständige Versagen der großen Medien, über die Sache zu berichten, ist schockierend. Viele Journalisten haben der Obama-Regierung ihren Spin abgekauft, wie sie der Bush-Regierung ihren Spin über Folter abgekauft haben. Noch immer weigern sich manche Journalisten die Praxis des Waterboarding Folter zu nennen - trotz der vielen Klagen und obwohl Experten seit Jahrzehnten sagen, dass es sich dabei durchaus um Folter handelt.

Bezüglich des NDAA ist von Journalisten weiterhin immer wieder zu hören, es kodifiziere lediglich bereits bestehendes Recht. Das stimmt nicht. Die Regierung hat sich jeder Anfechtung der unbegrenzten Inhaftierung entgegengestellt, um eine ordnetliche Überprüfung durch ein Gericht zu verhindern. Darüber hinaus sind die meisten Experten sich einig, dass eine unbegrenzte Inhaftierung von Staatsbürgern gegen die Verfassung verstößt.

Andere versuchen, Obamas fürchterliche Menschenrechtsbilanz weiterhin damit zu rechtfertigen, dass sie anderen oder "den Zeiten" die Verantwortung zuschieben. Einer erfolgreich verbreiteten Legende zufolge gilt das Gesetz nicht für amerikanische Staatsangehörige. Das Weiße Haus behauptet, durch eine Novellierungen des Gesetzes sei ein Veto nun nicht mehr nötig. Das ist lächerlich. Die Änderungen bestanden lediglich in der Aufnahme leerer Rhetorik, nachdem entscheidende Ergänzungen zum Schutz der Bürger abgelehnt wurden. In der Ergänzung steht lediglich, dass die Bestimmungen des Gesetzes nicht so ausgelegt werden dürfen, dass die Rechtsansprüche amerikanischer Bürger eingeschränkt werden. Da der Senat seine Bürger aber als Untertanen zu betrachten scheint, die man nicht nur unbefristet einsperren, sondern sogar ohne Gerichtsverhandlung hinrichten lassen kann, bietet die Änderung nichts als Rhetorik, um die bittere Realität zu verstecken.

Verschleierungen und Schönfärberei

Die Regierung und die demokratischen Abgeordneten tun alles, um die Befugnisse, die der Armee erteilt werden, zu verschleiern und schönzufärben.
Zwar werden amerikanische Bürger in Sektion 1032 von der Zwangsverwahrung bei Terrorverdacht ausgenommen, dies dient aber nur dazu, den Inhalt der folgenden Sektion 1031 zu vernebeln, in der keine Ausnahme für amerikanische Staatsbürger vorgesehen ist, wenn es darum geht, Personen durch das Militär für unbestimmte Zeit ohne Prozess oder Urteil einsperren zu lassen.

Obama hätte das Gesetz zurückweisen können und der Kongress hätte sich beeilt, Geld für das Militär zur Verfügung zu stellen. Stattdessen hat das Weiße Haus – wie Senator Levin bestätigt hat - eine Desinformationskampagne betrieben, um seine Befugnis sicherzustellen und den Präsidenten gleichzeitig als eine Art widerwilligen Alleinherrscher darzustellen - oder, wie Obama es gern hätte, als widerstrebenden Präsidenten mit diktatorischen Befugnissen.

Die meisten demokratischen Abgeordneten haben mit ihren republikanischen Kollegen für dieses unamerikanische Gesetz gestimmt. Einige Bürger aus Montana wollen ihre Abgeordneten nun aus den Ämtern entheben lassen, weil sie ihre Amtseide gebrochen und ihre Wähler betrogen haben. Die meisten Bürger sehen in der Angelegenheit aber nach wie vor nichts weiter als eine Ablenkung von ihren Urlaubsfreuden.

Für alle Bürgerrechtler ist das NDAA hingegen eine Katastrophe: Mit Beginn des Jahres 2012 nahm unsere Nation die Einführung autoritärer Herrschaft hin und schenkte ihr wenig mehr Aufmerksamkeit als in der Pause zwischen zwei Runden Bier zur Verfügung steht.

Dieser Kommentar ist zuerst bei unserem Partner The Guardian erschienen und auf Jonathan Turleys .Blog

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Übersetzung: Zilla Hofman/ Holger Hutt
Geschrieben von

Jonathan Turley | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

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