„Was macht eigentlich Papa?“, schlagzeilte die Süddeutsche Zeitung auf Seite eins. Auf dem Foto dazu hat ein Vater die linke Hand auf dem Laptop, die rechte am Handy. Ein Kleinkind daneben bewirft die Tastatur mit Bauklötzen. Während Mütter im Homeoffice „die frei gewordene Zeit nutzen, um sich um ihre Kinder zu kümmern, machen Väter lieber Überstunden“, hieß es mit Verweis auf eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Die Forscherin Yvonne Lott hatte thematisiert, wofür Mütter und Väter „flexible Arbeitsarrangements nutzen“. Sie kam dabei offensichtlich zu wenig schmeichelhaften Ergebnissen, was die Beteiligung der Männer angeht.
Männer-Bashing hat eine lange Tradition – in der Wiss
28;nner angeht.Männer-Bashing hat eine lange Tradition – in der Wissenschaft wie in Sachbüchern. Über Das faule Geschlecht klagte die Feministin Claudia Pinl schon in den 1980er Jahren, das österreichische Autorenduo Cheryl Benard und Edit Schlaffer titelte ironisch Viel erlebt und nichts begriffen. „Verbale Aufgeschlossenheit bei weitgehender Verhaltensstarre“ – ein Zitat des verstorbenen Soziologen Ulrich Beck – wird auf Frauentagungen unermüdlich zitiert. Die Botschaft: Männer sind immer noch die alten Säcke, nur deklamatorisch unterstützen sie weibliche Emanzipation.In der weiblich geprägten Genderforschung herrscht große Skepsis, wenn es um männlichen Rollenwandel geht. Im politischen Raum wird daraus, befeuert durch Medienresonanz, schnell Ungeduld. Doch die empirische Grundlage für platte Schuldzuweisungen wird dünner.Spekulation und DatenMänner verändern sich durchaus, sie sind gar nicht verhaltensstarr. Man müsste nur genauer hinschauen und die blinden Flecken im eigenen Forschungsansatz erkennen. In Krisenzeiten reden Wissenschaftlerinnen schnell vom „Backlash“, beklagen eine verschärfte Benachteiligung des weiblichen Geschlechts. So wurden Frauen kurzerhand zu den Verliererinnen der Pandemie erklärt. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin, fand im ersten Lockdown bei Anne Will drastische Worte. Durch das Homeschooling erlebten Mütter eine „entsetzliche Retraditionalisierung“, behauptete sie: „Ich glaube nicht, dass man das so einfach wieder aufholen kann und dass wir daher bestimmt drei Jahrzehnte verlieren.“Die Aussagen der Soziologin beruhten mehr auf Spekulation als auf verlässlichen Daten. Die Universität Bielefeld und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung lieferten im Sommer 2020 genauere Fakten. Die Projektgruppe fragte nach, wie viel Zeit Eltern mit minderjährigen Kindern im ersten Lockdown für Betreuung und Hausarbeit aufgewendet hatten. Mütter kamen auf 7,6 Stunden, Väter auf 4,2 Stunden pro Tag. So errechnete sich eine Zusatzbelastung von rund zwei Stunden – für beide Geschlechter. Das Wiesbadener Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) wies die Backlash-These noch expliziter zurück. Das Engagement der Männer in der Familie sei sogar gestiegen, von 33,3 Prozent auf 41,5 Prozent. Die Aufgabenteilung sei „egalitärer als vor Corona“, so das Fazit von BiB-Direktor Norbert Schneider. Einen Rückfall in alte Verhaltensmuster untermauern die Studien also gerade nicht.Ist die Steuererklärung Care-Arbeit?Schon 2006 hatten die Sozialwissenschaftler Peter Döge und Rainer Volz in ihrer Untersuchung „Weder Paschas noch Nestflüchter“ anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes erhoben, wie Männer ihre Zeit verwenden. Es entstand eine Kontroverse mit weiblichen Kolleginnen, die mit dem gleichen Zahlenmaterial zu weniger wohlwollenden Resultaten gekommen waren. Der akademische Streit drehte sich im Kern um die Frage: Was ist Hausarbeit? Die Frauenforscherinnen hatten Tätigkeiten wie Steuererklärung, Bankgeschäfte, Renovieren oder die Reparatur von Kinderfahrrädern nicht berücksichtigt. Diese Aktivitäten sind keine egomanische männliche Selbstverwirklichung im Hobbykeller: Für das Funktionieren eines Haushalts ist bedeutsam, ob die Lampe im Bad funktioniert oder das Familienauto einwandfrei läuft.Vor Stereotypen ist auch der Freitag nicht gefeit: „Nur 1,6 Prozent der Väter nahmen 2021 Elternzeit“, hieß es jüngst in einem Artikel über die Elterngeld-Kürzungen bei reichen Haushalten. Die genannte Zahl bezieht sich auf alle Eltern mit Kindern unter sechs Jahren. So ergibt sich ein verzerrtes Bild, denn fast alle Mütter und Väter nehmen die Babypause kurz nach der Geburt. Hier beträgt der Männeranteil, mit regionalen Schwankungen, zwischen 30 und 40 Prozent.Warum beteiligen sich sogar männliche Berichterstatter an der Abwertung des eigenen Geschlechts? Der Schweizer Autor Markus Theunert nennt diesen Typus „Co-Feministen“: Männer, die eigentlich alles beim Alten lassen wollen, aber so tun, als seien sie auf der Seite der Frauen. Mit feministischer Forschung, die schlichten Deutungen folgt, bewegen sie sich in irritierendem Gleichklang. Gemeinsames Feindbild ist der mit erweiterten Rollen experimentierende Mann, der unbedingt entlarvt werden muss: als ein die „Care-Arbeit“ vernachlässigender Faulpelz.