Reise-Kultur im Wandel - Welche Perspektiven hat die Camping-Branche heute noch?

Reisen Die Pandemie brachte der Reisemobil-Branche Umsatzrekorde, und deutsche Campingplätze wurden regelrecht gestürmt. Diese Zeiten scheinen jedoch angesichts der erstarkenden Nachfrage nach Fernreisen der Vergangenheit anzugehören.

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Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie hat der Campingmarkt eine bemerkenswerte und oft unerwartete Entwicklung erfahren. Die anfänglichen Herausforderungen und Beschränkungen haben zu einer Neuausrichtung der Reisevorlieben vieler Menschen geführt, was einen deutlichen Einfluss auf den Campingsektor hatte. Doch im Jahre 2023 scheint sich das Blatt zu wenden...

Phase 1: Wiederentdeckung innerdeutscher Reiseziele

Die Jahre 2020-2021 waren geprägt von folgenden Entwicklungen auf dem Campingmarkt:

Anfängliche Unsicherheit und Wachstum des Campingmarktes: Zu Beginn der Pandemie waren die Reisemöglichkeiten stark eingeschränkt, da viele Länder Lockdowns und Reisebeschränkungen verhängten. Internationale Flüge wurden abgesagt, und Hotels mussten schließen. Dies führte dazu, dass viele Menschen alternative Reiseformen suchten, die Sicherheit und Abstand ermöglichten. Hier kam das Camping ins Spiel. Camping bot die Möglichkeit, sich in der Natur aufzuhalten, soziale Distanz zu wahren und gleichzeitig dem Alltag zu entfliehen. Innerdeutsche Reisen erlebten eine Renaissance, boten sie doch die einigermaßen große Sicherheit, dass nationale Reisen ohne Grenzüberquerungen lange Zeit nicht beschränkt wurden. Infolgedessen erlebte der Campingmarkt einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Campingausrüstung, Wohnmobilen, Wohnwagen und Vorzelten für Wohnwagen.

Wiederentdeckung der Natur und lokales Reisen: Die Pandemie hat dazu geführt, dass viele Menschen die Schönheit der Natur in ihrer unmittelbaren Umgebung wiederentdeckt haben. Reisen in weit entfernte Länder waren aufgrund der Unsicherheiten und Reisebeschränkungen schwierig, weshalb viele ihre eigenen Länder und Regionen erkundeten. Dies führte zu einem Anstieg des Interesses an Campingplätzen, Nationalparks und abgelegenen Outdoor-Orten. Camping bot die Möglichkeit, dem Stadtleben zu entfliehen und gleichzeitig eine gewisse Kontrolle über die Umgebung zu haben.

Veränderungen in den Präferenzen und Bedürfnissen der Camper: Die Pandemie hat die Bedürfnisse der Camper beeinflusst und zu neuen Trends geführt. Gesundheit und Hygiene wurden zu zentralen Anliegen. Campingsplätze und Outdoor-Unterkünfte begannen, ihre Einrichtungen und Dienstleistungen entsprechend anzupassen. Sanitäre Anlagen wurden verstärkt gereinigt und Hygienemaßnahmen umgesetzt. Gleichzeitig wurden auch Technologie und Online-Reservierungssysteme verstärkt genutzt, um den Kontakt zu minimieren.

Nachhaltigkeit und umweltfreundlicher Tourismus: Die Zeit während der Pandemie hat auch das Bewusstsein für Nachhaltigkeit und umweltfreundlichen Tourismus geschärft. Viele Camper zeigten verstärktes Interesse an ökologischen Praktiken und hinterließen weniger Spuren in der Natur. Dies führte zu einer verstärkten Nachfrage nach umweltfreundlicher Campingausrüstung, Solarlösungen und ressourcenschonenden Ansätzen.

Innovation im Campingmarkt: Die Veränderungen während der Pandemie haben auch Innovationen im Campingmarkt vorangetrieben. Neue Formen des Campings, wie beispielsweise "Glamping" (luxuriöses Camping), haben an Beliebtheit gewonnen. Mobile Apps zur Standortverfolgung von Campingplätzen, zur Planung von Routen und zur Gemeinschaftsbildung unter Campern wurden vermehrt genutzt.

Phase 2: Rückkehr zu alten Gewohnheiten

Nach der Blütezeit, die der Campingmarkt während der Corona-Pandemie erlebte, stehen die Akteure in der Branche nun vor neuen Herausforderungen, die sich aus der Inflation und den sinkenden Absatzzahlen ergeben. Diese Umstände haben zu einem komplexen und anspruchsvollen Umfeld geführt, das die Campingindustrie vor einige Schwierigkeiten stellt:

Preissteigerungen und Inflation: Mit der Wiedereröffnung der Wirtschaft und der Lockerung von Reisebeschränkungen wurde eine verstärkte Nachfrage nach verschiedenen Produkten und Dienstleistungen festgestellt. Gleichzeitig sind jedoch viele Lieferketten aufgrund früherer Pandemiebedingter Unterbrechungen immer noch nicht vollständig stabilisiert. Dies hat zu Knappheiten bei bestimmten Rohstoffen, Bauteilen und Produkten geführt, was wiederum zu Preissteigerungen geführt hat. Campingausrüstung, Wohnmobile, Zelte und andere Artikel, die während des Campingbooms stark nachgefragt wurden, könnten daher für Verbraucher teurer geworden sein.

Sinkende Absatzzahlen: Die anfängliche Begeisterung für das Camping, die während der Pandemie aufgekommen ist, hat in einigen Regionen möglicherweise nachgelassen. Da die Reisebeschränkungen gelockert wurden und alternative Reiseoptionen wieder verfügbar sind, könnten einige Menschen ihre Prioritäten neu gesetzt haben. Dies könnte zu einer Abnahme der Nachfrage nach Campingausrüstung und -reisen führen, was wiederum die Absatzzahlen in der Branche beeinflusst.

Anpassung der Geschäftsstrategien: Angesichts dieser neuen Herausforderungen müssen Campingunternehmen ihre Geschäftsstrategien möglicherweise überdenken. Sie könnten sich auf innovative Ansätze konzentrieren, um Kunden zu halten und neue anzulocken. Denn nachdem der innerdeutsche Campingurlaub während der Pandemie eine Zeit lang im Fokus stand, hat sich der Tourismus in der Post-Pandemie-Phase wieder verstärkt hin zu internationalen Pauschalreisen mit dem Flugzeug verlagert. Dazu trugen unter anderem diese Effekte bei:

Wiedereröffnung der Grenzen und Lockerung von Beschränkungen: Mit dem Fortschreiten der Impfkampagnen und dem Rückgang der Infektionszahlen haben viele Länder begonnen, ihre Grenzen für den internationalen Tourismus wieder zu öffnen und Reisebeschränkungen zu lockern. Diese Maßnahmen haben das Vertrauen der Reisenden gestärkt und es ermöglicht, dass Menschen wieder leichter in andere Länder reisen können.

Sehnsucht nach Fernweh, Exotik und neuen Erfahrungen: Die lange Zeit der Reisebeschränkungen und Einschränkungen hat bei vielen Menschen eine gesteigerte Sehnsucht nach Ferne, Abenteuer und neuen Erfahrungen geweckt. Die Begrenzungen des innerdeutschen Campingurlaubs könnten dazu geführt haben, dass Reisende wieder vermehrt die Attraktivität internationaler Pauschalreisen mit exotischen Zielen suchen.

Wiederaufnahme des Flugverkehrs und Angebotsvielfalt: Fluggesellschaften haben ihre Flugkapazitäten nach und nach wieder ausgebaut und neue Flugverbindungen zu verschiedenen Reisezielen eingeführt. Reiseveranstalter haben ebenfalls ihre Angebote erweitert und attraktive Pauschalreisen mit Flug, Unterkunft und Aktivitäten geschnürt. Die größere Auswahl an Reisemöglichkeiten hat viele Menschen dazu verleitet, wieder international zu reisen.

Entspannungs- und Erholungsbedarf: Die Pandemie hat bei vielen Menschen Stress und Belastungen verursacht. Internationale Pauschalreisen bieten die Möglichkeit, dem Alltag zu entfliehen, sich zu erholen und neue Energie zu tanken. Exotische Ziele, traumhafte Strände und fremde Kulturen können eine willkommene Ablenkung bieten.

Reiseanreize und Sonderangebote: Um den Tourismus anzukurbeln, haben einige Länder Anreize geschaffen, um Touristen anzulocken. Dies könnten spezielle Pakete, Rabatte oder Vorteile wie kostenlose Eintritte zu Sehenswürdigkeiten sein. Diese Anreize haben dazu beigetragen, das Interesse an internationalen Reisen zu steigern.

Verbesserte Sicherheitsmaßnahmen und Gesundheitsprotokolle: Reiseunternehmen und Fluggesellschaften haben umfassende Hygiene- und Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, um die Gesundheit der Reisenden zu schützen. Dies hat das Vertrauen in internationale Reisen gestärkt und Bedenken hinsichtlich der Sicherheit gemindert.

So hat die Zunahme des touristischen Flugverkehrs sowie die explodierende Anzahl an Pauschalreisen-Buchungen gezeigt, dass die Reiselust der Menschen stark und belastbar ist. Die aktuellen Verkaufsrekorde bei Wohhnwagen und Reisemobilen scheinen angesichts dieser Entwicklungen, aber vor allem auch angesichts Rekordpreisen bei Neuwagen in weite Ferne zu rücken. Wie der Gesamt-Campingmarkt darauf reagieren wird, wird sich erst in einigen Monaten zeigen.

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