Wollen enger zusammenarbeiten: Die Rechtspopulisten Marine Le Pen und Geert Wilders
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Nichts weniger als die „Befreiung von der europäischen Elite“ stellte Geert Wilders in Aussicht, als er am 13. November in Den Haag mit Marine Le Pen vor die Presse trat. Beginnen soll die Befreiung sofort. Man beschließe und begehe einen „historischen Tag“, war er sich mit der Parteichefin des Front National (FN) einig. Die sekundierte mit dem Slogan: „Die patriotischen Bewegungen lassen sich künftig nicht mehr auseinanderbringen.“ Schließlich hätten FN und Partij voor de Vrijheid (PVV) nicht weniger zustande gebracht als eine Allianz gegen die Europäische Union.
West- und Nordeuropas Rechtsaußen-Parteien schließen die Reihen. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit hatte sich Wilders schon im Sommer auf T
mmer auf Tour begeben, um Kontakte zu pflegen. Das Logbuch dazu findet man auf seinem Twitter-Account: Nach Le Pen traf er im Juni Jimmie Åkesson, den Chef der Schwedendemokraten, in Stockholm und kurz danach Spitzenpolitiker des Vlaams Belang in Belgien wie Filip Dewinter und Gerolf Annemans. Das nächste Ziel hieß Mailand, wo er Ende Juli mit Roberto Maroni zusammenkam, dem Vorsitzenden der Lega Nord. Den Abschluss bildete im August ein Besuch bei FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Wien. Man müsse „weiterbauen am Widerstand gegen die EU“, predigte Wilders und prophezeite, er werde noch weitere Parteien gewinnen, um „eine Faust gegen Brüssel“ zu ballen.Hinter dieser Rhetorik steckt ein konkreter Plan: Nicht nur bei der Europawahl im Mai will man eine Front, sondern danach – im nächsten Europäischen Parlament (EP), das im Mai 2014 gewählt wird – eine Fraktion bilden. Dazu bedarf es mindestens 25 Abgeordneter aus sieben Mitgliedsstaaten. Gelingt das, gewährt der Fraktionsstatus diverse Vorteile: mehr Redezeit bei Debatten, Einfluss auf die Agenda oder die etwaige Revision von Gesetzentwürfen.Nägel mit KöpfenBislang verteilen sich im EP rechtsnationalistische Abgeordnete auf zwei kleine Einheiten – die Europäische Allianz Nationaler Bewegungen und die Europäische Allianz für Freiheit, beide ohne Fraktionsstatus. Verschwendetes Potenzial, befinden Wilders und Le Pen. Sie wollen Nägel mit Köpfen machen und ihr Bündnis durch Vlaams Belang, FPÖ, Schwedendemokraten und Lega Nord ergänzen. Ein Treffen mit diesen Parteien gab es am Wochenende in Wien, geplant ist ein gemeinsames Grundsatz-Dokument.Dass ausgerechnet der Front National und die PVV als zentrale Achse einer nationalistischen Internationale fungieren, hat Signalwirkung und das in zweifacher Hinsicht: Le Pen und Wilders sind die Zugpferde dieser Entente. Die von ihnen geführten Parteien liegen bei den nationalen Umfragen zur Europawahl klar vorn. Hinzu kommt der inhaltliche Faktor: Ein Bündnis aus verschiedenen rechten Strömungen braucht ein Fundament, auf dem sowohl das traditionelle ultrarechte (FN, FPÖ, Vlaams Belang) als auch ein neues, rechtspopulistisches Europa stehen kann, das sich gern moderat und modern gibt. Für diesen Flügel hat Wilders einen nahezu koryphäenhaften Stellenwert, gerade im EU-Kontext.Welche Kräfte hier noch erwünscht sind, zeigt sich am Beispiel zweier Parteien, die Le Pen und Wilders gern an Bord sähen. Da ist zum einen die United Kingdom Independence Party (UKIP). Doch ist Wilders der Anti-Islam-Furor des Vorsitzenden Nigel Farage zu radikal, weshalb er lieber abwartet. Und das sind zweitens die Wahren Finnen (Perussuomalaiset/PS), die bisher jedoch „wegen der antisemitischen Wurzeln des Front National“, wie es in Helsinki heißt, auf Abstand bleiben.Brüssel als BesatzungsmachtsGeert Wilders setzt darauf, dass „solche Nuancen“ nach der Wahl an Bedeutung verlieren, sollte die Chance bestehen, einen schlagkräftigen rechten Block im Europäischen Parlament zu formieren. Was ihm dabei hilft, ist das verbreitete Unbehagen vieler EU-Bürger, die ein Europa erleben, das Staaten einen Souveränitätsschwund oder -verzicht sondergleichen auferlegen kann. Wer das ablehnt, muss kein dumpfer Nationalist sein, sondern befürchtet vielleicht nur, dass mehr denn je nationale Selbstbestimmung auf dem Altar der Eurokrisen-Bekämpfung geopfert wird. Nicht allein das Demokratiedefizit treibt die EU auseinander – es ist ebenso die Erfahrung: Brüssel kann zur Besatzungsmacht werden, wie das Beispiel Griechenland zeigt. Dass aus Empörung darüber ein erhebliches Wählerpotenzial entstanden ist, könnte im Mai 2014 offenbar werden.Le Pen und Wilders wissen, woran sie anknüpfen, beide waren bereits maßgeblich im europhoben Lager aktiv, als 2005 bei Referenden in Frankreich und in den Niederlanden ein EU-Verfassungsvertrag abgelehnt wurde. Es ist auch diese Geschichte, aus der sie ihre Parole ableiten, die Wähler von einer „europäischen Elite des Integrationsmanagements befreien“ zu wollen. Dabei erklärt sich Wilders gern zum Anwalt des fiktiven niederländischen Unterschichtpaars „Henk und Ingrid“. Deren Interessen, die von einem „multikulturellen Establishment“ negiert würden, will er gegen „Ali und Fatima“ verteidigen. Schon bei den niederländischen Parlamentswahlen 2012 hieß es dann: „Henk und Ingrid oder Brüssel?“Weiter nach rechts?Mit genau dieser demagogischen Inszenierung will das Rechtsaußen-Bündnis die Parlamentsarbeit in Strasbourg und Brüssel torpedieren. Dass ihm derzeit ein Viertel der Mandate zugetraut wird, sollte nicht gleich als Horrorszenario gedeutet werden. Ein solches droht freilich, wenn die potenzielle Wählerschaft der Wilders, Straches und Maronis noch wächst. Insofern steht die nationalistische Internationale vor einer wegweisenden strategischen Entscheidung: Setzt man im großen Stil auf das anti-europäische Ressentiment eines gemäßigten, konservativ-bürgerlichen Klientels? Oder öffnet man sich weiter nach rechts? Letzteres scheint möglich, denn mit FN, FPÖ oder Vlaams Belang wollte Wilders bisher nicht immer etwas zu tun haben. Eine aktuelle Umfrage unter seinen Wählern zum Schulterschluss mit dem Front National ergab: Knapp 70 Prozent sind dafür. Häufige Begründung: Es sei wichtiger, den Einfluss der EU zu beschneiden, als in allen Details zu harmonieren.
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