Die Elterngelddebatte zeigt wie die Deutschen noch an das Aufstiegsversprechen glauben

Elterngeld Am Mittwoch wurde der Entwurfs des Haushalt 2024 verabschiedet. Neben vielen Kürzungen sorgt eine Kürzung besonders für Aufschrei in der politischen Debatte Elterngeld sollen Paare, die mehr als 150.000 Euro verdienen, nicht mehr erhalten

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Ganz Deutschland regt sich auf, doch nur Wenige sind betroffen

Nach der Ankündigung des Vorschlags gab es große Aufregung in den sozialen Medien. So gab es schon am Tag der Kundgebung mehrere Petitionen zur Verhinderung des Vorschlages, die innerhalb von wenigen Stunden mehr als hundert Tausend Personen unterschrieben. Laut Familienministerin Paus sind allerdings von den Kürzungen nur 60.000 Paare betroffen und selbst wenn man andere Schätzungen wie die von Deutschen Institut für Wirtschaft (IW) heranzieht sind es nur 250.000. Die größte Petition haben allerdings schon ca. 570.000 Personen unterschreiben (Stand 10.Juli 2023), welches deutlich die Zahl der Betroffenen übersteigt.

Paus steht als Buhmann da

So wird besonders in der Öffentlichkeit und auch in den sozialen Medien Lisa Paus als die Schuldige dargestellt, da der Vorschlag aus ihrem Ministerium kommt. Was allerdings viele nicht beachten oder nicht wahrnehmen ist, dass der ursprüngliche Vorschlag der Kürzung aus dem Finanzministerium kam. So forderte dieses die Familienministerin Paus auf, in ihrem Ressort zu kürzen worauf das Ministerium den Vorschlag der Elterngeldkürzung formulierte.

Lieber hoch als Runter schauen

Die Tatsache, dass sich so viel mehr Leute als faktisch Betroffene sich über den Vorschlag aufregen, zeigt wie verhaftet die deutsche Bevölkerung noch im Narrativ des Aufstiegsversprechen sind. So identifizieren sich viele mit den Betroffenen und sprechen davon, dass der Vorschlag unfair sei. Der Glaube ist groß, dass die Betroffenen die Leistungsträger Deutschlands sind und man sie deswegen nicht weiter belasten sollte. Wenn man sich jedoch die Realität klar macht, dann kommt man zu dem Entschluss, dass die Leistungsträger eher die Leute mit weniger Gehalt sind. Die betroffenen Paare der Elterngeldkürzung sind zwar wichtig für die Wirtschaft und haben wichtige Jobs wie die des Arztes oder des Anwalts. Allerdings stemmen sie in der Masse viel weniger der Leistung Deutschlands als die unteren Einkommensklassen.

Und hier offenbart sich ein oft zu beobachtendem Phänomen in politischen Debatten: Man fühlt sich eher zugehörig zu den Reicheren anstatt sich mit den Ärmeren zu solidarisieren, da man den Wunsch hat später diese sozioökonomische Position der Reichen auch einzunehmen

Das Aufstiegsversprechen wird momentan nicht eingelöst

Auch wenn das Versprechen des Aufstiegs in den Köpfen der Menschen verhaftet ist, können wir momentan eher das Gegenteil des Einlösens diesen Versprechen beobachten. So gab es Reallohnkaufverluste von 4 Prozent oder höher in vielen Bevölkerungsgruppen. Aber auch viele Armutsbetroffene sind noch weiter in die Armut gerutscht und können sich einfache Grundnahrungsmittel oft nicht leisten. Besonders schwer trifft es die Leute, die vor der Energiekrise schon keine Ersparnisse hatten und daher auf keine finanziellen Polster zurückgreifen können.

Kindergrundsicherung scheint nicht so wichtig wie Elterngeldstreichung

So lässt sich die Tatsache der fehlenden Solidarität bei den Ärmeren der Bevölkerung besonders gut bei der Kindergrundsicherung beobachten. Als der Haushaltsplan für 2024 veröffentlicht wurde, gab es sofortigen Aufschrei aufgrund des Elterngeldes, die Empörung wegen der Kindergrundsicherung blieb allerdings überschaubar. Dabei betrifft die Kindergrundsicherung viel mehr Familien und Kinder als die Elterngeldstreichung. Von den vom Familienministerium geplanten 12 Milliarden will Christian Lindner jetzt nur noch 2 Milliarden locker machen, auch wenn Ministerin Paus sich das noch nicht eingestehen möchte. Dabei sollte man doch gerade bei Armut und den zukünftigen Leistungsträgern Deutschland nicht sparen. Daher brauch es auch kein ausgefeiltes Papier, in welchem die 12 Milliarden haar genau ausformuliert sind. Kinderarmut sollte uns dieses Geld wert sein.

Die schlechte Kommunikation der Grünen setzt sich fort

Aber auch Lisa Paus und der öffentliche Auftritt der Grünen Partei trifft hier eine große Schuld. So argumentiert Lisa Paus in dem neoliberalen Sparkorsett, dass ihr Lindner auferlegt hat. Sie versucht sich zurecht fertigen, dass sie irgendwo Geld einsparen muss. Dass Hinterfragen der Schuldenbremse und des generelles Spardiktats Lindners findet in der Öffentlichkeit von Paus Seite jedoch nicht statt. Dabei könnte man gerade jetzt die Chance nutzen und zeigen wie wichtig Investitionen in Sozialprojekte sind und wie sehr die Schuldenbremse diese verhindert. Diese Kommunikationsstrategie ist aber leider nicht auffindbar in der Debatte seitens der Grünen. Dadurch wirkt die Grüne Partei wie so oft in letzter Zeit in der öffentlichen Wahrnehmung nicht wie eine Ermöglichungspartei, sondern eher wie eine Bremse, die dem Mittelstand das Geld wegnehmen will.

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